Versehrt, verschlissen – und vernichtend

Jessica Chastain als Auftragskillerin – das klingt doch verlockend. Leider aber ist «Ava» ein uninspiriertes, inkohärentes und amateurhaft choreografiertes Actiondesaster, dessen üppige dramatische Einsprengsel auf Telenovela-Terrain dümpeln.

   Impuls Pictures AG

Von Sandro Danilo Spadini

«Erzähl uns von deinem schicken Job», wird Ava (Jessica Chastain) aufgefordert, als sie nach acht Jahren wieder mal daheim in Boston aufschlägt. «Da gibts nicht viel zu berichten», meint diese freilich nur. Doch der Einzige, der das tatsächlich glaubt, scheint Drehbuchautor Matthew Newton zu sein, der dieser Auftragskillerin zwar einen prall gefüllten dramatischen Rucksack umschnallt – Drogen, Alk, Vaterprobleme, Mutterprobleme, Schwesterprobleme, Flucht aus der Verlobung in die Army –, aber mit ihrem gegenwärtigen Dasein nicht viel anzufangen weiss. Natürlich gäbe es da einiges zu rapportieren, was der nun verwitweten Mutter (Geena Davis) und der jetzt mit Avas Ex (Common) liierten Schwester (Jess Weixler) die Sprache verschlagen und temporär den Schwall an Klagen zum Versiegen bringen würde: Rollenspiele in Paris, Cocktailpartys in Saudi-Arabien, sprachliche und athletische Skills, distinguierte Gesellschaften und ominöse Auftragsgeber – und dann erst all die Leichen, die ihren Weg pflastern! Aber ja, vielleicht ist Schweigen hier und jetzt wirklich Gold. Zumal das wenige, was dem Film in dieser Beziehung dann doch noch einfällt, einfach nur Blech ist.

Billiger Look

Newton, der vor ein paar Jahren mit dem ungeschminkten Indiedrama «Who We Are Now» für ordentlich Furore sorgte, hätte hier eigentlich auch das Regiezepter schwingen sollen. Nach dem Auftauchen über zehn Jahre alter Anschuldigungen wegen häuslicher Gewalt war aber auch bei ihm – #MeToo – die Zeit abgelaufen – #Time’sUp –, das Projekt wurde grad noch von «Eve» in «Ava» umgetauft und Tate Taylor als neuer Zeremonienmeister an Bord geholt. Ihm oblag es nun, das Beste aus Newtons stupend inkohärentem Skript zu machen – und Donnerwetter aber auch, hat er dabei versagt. Seit bald zehn Jahren nun hopst Taylor recht sicheren Fusses von Genre zu Genre – vom gefeierten Rassismusdrama «The Help» über die James-Brown-Biografie «Get on Up» und die Krimiadaption «The Girl on the Train» bis zum Horrorfilm «Ma». Hier nun, im Actionfach, fremdelt er aber gewaltig. Nicht nur gelingt es ihm nie, die mangelhafte Balance des Drehbuchs zu korrigieren; sein immerhin halbwegs schmerzlos kurzer Film laboriert über die gesamten anderthalb Stunden Spielzeit denn auch an erheblichen Rhythmusstörungen und ächzt und ätzt und knarzt und knorzt unter einem geradezu ruppigen Switchen zwischen den Kampfszenen und den gewiss nicht raren dramatischen Einsprengseln. Obendrein macht «Ava» aber auch optisch rein gar nichts her: Von «The Help»-Kameramann Stephen Goldblatt ist er fantasielos fotografiert und in gelackte Bilder abgepackt worden; und was der «Matrix»-gestählte Cutter Zach Staenberg hier abliefert, grenzt an Arbeitsverweigerung und lässt die zudem miserabel choreografierte Action nachgerade amateurhaft und den Film als Ganzes Hollywood-unwürdig billig erscheinen. Damit passt sich der Look freilich wiederum Newtons ganz und gar grauslichem Skript an, auf das man ungnädigerweise nochmals zurückkommen muss. Bringt es dieses dann doch tatsächlich auch noch fertig, am Ende vom dezidiert Belanglosen ins regelrecht Lächerliche abzugleiten und auf Telenovela-Terrain vor sich hin zu dümpeln, es sich dort gemütlich zu machen und die Chose antiklimaktisch im Trüben ausklingen zu lassen. 

Mit der Schablone gezeichnet

Das alles ist schon eine herbe Enttäuschung. Dies umso mehr, als der Auftakt inklusive eines Vorspanns im Neunzigerjahre-Stil durchaus gewisse Hoffnungen rausgekitzelt hat: auf etwas Solides im Stil von «The Saint» oder «The Jackal» vielleicht, sicher aber auf eine Heldin, die einen mitreisst. Doch selbst Jessica Chastain – die zwar gleichwohl definitiv das Beste ist an «Ava», als Produzentin aber auch nicht frei von Schuld – vermag hier nicht viel auszurichten und spielt letztlich vergeblich gegen eine schablonenhafte Figurenzeichnung an (ja, auch dafür hat Newtons Skript noch geradezustehen). Dass man ihr zudem vom rein Physischen her den Part nicht abkauft, spielt angesichts von Avas klischiertem Background zwar auch keine Hauptrolle mehr; es kratzt indes an Chastains Action-Credibility und schmälert somit ihre Chance, sich als Amazone im Stil von Gal Gadot oder Charlize Theron beliebt zu machen. Wenigstens gibt sie sich redlich Mühe, was man von John Malkovich als Avas Mittelsmann und Colin Farrell als ihrem Gegenspieler so nicht behaupten kann. Spätestens nachdem die beiden im Skript auf die nun aber gar nicht logische Konfrontation ihrer Figuren gestossen sind, dürften sie sich des B-Movie-Charakters von «Ava» gewahr geworden sein und sich auf einen dem Stoff angepassten Enthusiasmus verständigt haben. Das Ergebnis ist auch hier bisweilen: unfreiwillige Komik. Haarscharf daran vorbei schrammt der fesch barbierte Rapper Common, der sich derzeit einer recht unerklärlichen Beliebtheit bei Castingagenten erfreut, wiewohl es offenkundig ist, dass aus ihm kein Denzel mehr wird. Dass Geena Davis wieder mal ein prominenter Auftritt zugestanden wird, ist hingegen so erfreulich wie der Überraschungsbesuch der «Twin Peaks»-Lady Joan Chen, deren Rolle als Spielhöllen-Matrone zwar rein gar nichts zur Sache tut, aber egal. «Du hast etwas Schlimmes gemacht, nicht wahr?», pflegt Ava ihre Zielsubjekte zu fragen, bevor sie ihnen den Garaus macht. Schlimm ists ja nicht gerade, was Newton und Taylor hier verbrochen haben. Aber sollten sie auf eine Franchise spekuliert haben – und wer tut das heutzutage nicht? –, haben sie es jedenfalls komplett verbockt: Dass es «Ava II» geben wird, ist so realistisch wie die klapprige Action hier. Oder die pappigen Figuren. Oder das seifige Drama. Oder der löchrige Plot.