Fast wie in den wilden alten Zeiten

Mit dem topbesetzten und toll fotografierten Western-Remake «3:10 to Yuma» unterstreicht James Mangold seinen Ruf als einer der aufregendsten und vielseitigsten Regisseure Hollywoods.

 

von Sandro Danilo Spadini

Ein Liebesdrama («Heavy»), ein Polizeifilm («Cop Land»), eine Krankheitsgeschichte («Girl, Interrupted»), eine romantische Komödie («Kate & Leopold»), ein Thriller («Identity»), eine Musikerbiografie («Walk the Line») und nun der Western «3:10 to Yuma»: Das noch junge Œuvre von Regisseur James Mangold besticht nicht nur durch eine verblüffende Vielfältigkeit, sondern auch qualitativ. Sich leicht abseits des Mainstreams bewegend, ist der 44-jährige New Yorker fast unbemerkt zu einem der aufregendsten Filmemacher Hollywoods geworden und in den Rang eines scharf zu beobachtenden «Hotshots» aufgestiegen. Mit einem durchmischten Darstellerteam um den mit ebenso staunenden Argusaugen zu verfolgenden Christian Bale, Oscar-Preisträger Russell Crowe, Routinier Peter Fonda und Riesentalent Ben Foster vor der Linse hat sich Mangold nun also dem amerikanischsten aller Genres angenommen und verhilft diesem wieder mal zu einem Lebens- und Ausrufezeichen.

Road-Movie zu Pferde

Anders als der ebenfalls jüngst zu begutachtende Genre-Reanimator mit dem sehr langen Titel und Brad Pitt in der Rolle des Jesse James setzt Mangolds «3:10 to Yuma» stark auf traditionelle Werte und mythologiebewusste Sujets. Dies erstaunt insofern nicht, als es sich hierbei um ein Remake eines Glenn-Ford-Films von 1957 handelt. Freilich ist es Mangold gelungen, das zutiefst Altmodische zuvörderst auf der inhaltlichen Ebene dezent mit einigen zeitgemässen Elementen anzureichern, die als Knoten in dem zunächst gar dünn scheinenden einzigen Erzählstrang wirken oder sich zu willkommenen Hürden auftürmen, die verhindern, dass der Nostalgieritt allzu geradlinig verliefe. Das die Handlung nach vorne treibende Motiv ist der – keineswegs westernspezifische – Klassiker des Gefangentransports, während welchem die anfangs straff gezogene Linie zwischen Gut und Böse des Öfteren zu verwischen droht und sich die gegensätzlichen Kräfte als temporäre Schicksalsgemeinschaft immer wieder gegen Dritte verbünden müssen. Ohne dass es über Gebühr menschelte oder es zynisch-kernige Sprüche aus der Schrotflinte hagelte, werden die starren Positionen in diesem Road-Movie zu Pferde indes weniger in den relativ raren Action-Sequenzen als vielmehr in den dialogintensiven Passagen dazwischen allmählich aufgelockert, letztlich aber eben doch nicht entscheidend verrückt. Wenn also der legendäre «Outlaw» Ben Wade (von Russell Crowe genregerecht stoisch verkörpert) im Sattel oder am Lagerfeuer gegenüber seinen Bewachern mit Hintergrundinformationen zu seiner Vita herausrückt, gewinnt seine Figur zwar ein wenig an Sympathie und stetig an Profil; doch steht ihm mit dem von Christian Bale nicht minder herausragend gespielten Rancher Dan Evans dann immer noch ein Protagonist gegenüber, der gerade wegen seiner Verletzlichkeit und Gebrochenheit einen ungeheuer starken Helden abgibt.

Dynamik durch Figuren

Dan Evans ist ein Mann, der den Respekt seiner Familie verloren hat und auch die Achtung vor sich selbst einzubüssen droht. Er ist ein einfacher Mann, wegen der Obrigkeit in Existenznöte geraten und zu allem entschlossen. Zu allem, was richtig ist. Denn Dan Evans ist ein aufrichtiger, ist ein anständiger Mann von höchster Integrität. Zusammen mit dem schwerer fassbaren Outlaw Wade gibt er ein Kontrahentenduo ab, wie man es insbesondere aus Filmen von Michael Mann kennt. Gleich wie dort kommt auch beim neuen «3:10 to Yuma» die Dynamik vor allem von den Figuren und deren Motivation. Wiewohl Mangold dem von Elmore Leonard («Jackie Brown») ersonnenen Plot mehr Bodenhaftung verleiht und es durch viel «Handarbeit» auch formal vermeidet, die Ecken und Kanten wegzuschleifen, ist sein von Phedon Papamichael bestechend fotografierter Film weder unnötig rau noch roh. Der von Beginn weg auf Konfrontation ausgerichtete und so durchgehend bis zum erstaunlichen Showdown von einer steten Spannung geprägte Streifen überrascht stattdessen mit einer facettenreichen Geschichte, die bei allem Traditionsbewusstsein und aller Mythenpflege sogar Fragen der Gegenwart streift und nicht bloss Genrefreunde erfreuen wird.