Als es im Kino noch spannungsvoll knisterte

Die Neunzigerjahre waren ein grandioses Filmjahrzehnt. Tarantino, Mann, Scorsese, Lynch, Altman, Stone, Fincher, Boyle und die Coens schufen Meisterwerke en masse. Und nebenher erlebte das Thrillergenre im Gefolge von «The Silence of the Lambs» und «Basic Instinct» einen gepfefferten Aufschwung. Nicht alles, was bevorzugt unter Beifügung einer Prise Erotik in Bann schlagen wollte, traf ins Schwarze; bisweilen standen statt der Nacken- auch die Kopfhaare zu Berge. Doch eines kann man den folgenden Abkömmlingen dieses mittlerweile praktisch ausgestorbenen Kinogenres nicht vorwerfen: dass sie gelangweilt hätten.

 

 

«Blink» (1993)

Eine ehedem blinde junge Musikerin (Madeleine Stowe) glaubt, dass ihr Nachbar ermordet worden ist. Weil ihr Sehvermögen noch nicht ganz wiederhergestellt ist, kann sie sich dessen freilich nicht absolut sicher sein. Regisseur Michael Apted macht aus dieser cleveren Prämisse zwar nicht gerade einen Anwärter auf den Alfred-Hitchcock-Gedenk-Award, trotz recht dürftiger Auflösung und dem eher faden männlichen Hauptdarsteller Aidan Quinn aber einen grundsoliden Thriller.


«Malice» (1993)

Alec Baldwin, Nicole Kidman, Bill Pullman, Anne Bancroft, George C. Scott und eine noch weitgehend unbekannte Gwyneth Paltrow sind in diesem Neo-Noir mit von der Partie; als Co-Drehbuchautor hat hier das nachmalige Wunderkind Aaron Sorkin seine Finger im Spiel; und Regie führt Altmeister Harold Becker («Sea of Love»). Die Qualität ist in dieser Geschichte um ein glücklich verheiratetes, aber noch kinderloses Ehepaar und einen dubiosen Arzt also gewährleistet; und der traumhafte Schauplatz im westlichen Massachusetts sorgt auch noch für ein gewisses Flair. 


«Final Analysis» (1992)

Das Konzept zu diesem Neo-Noir von Phil Joanou stammt von einem forensischen Psychiater – was Richard Geres Figur eines Seelenklempners mit leidlich kontrollierter Libido mithin ein Mindestmass an Glaubwürdigkeit sichern müsste. Doch wer will sich schon mit solch profanen Dingen aufhalten, wenn zwischen Gere und Kim Basinger auf der Leinwand die Funken sprühen und sie sich in den Bettlaken wälzen? Wenn ein entfesselter Eric Roberts als griechischer Gangsterboss ihnen dafür die Hölle heiss macht und Uma Thurman den Verstand verliert? Und wenn schliesslich auch noch ein verlassener Leuchtturm in der Nähe der Golden Gate Bridge einen prominenten Auftritt hat und Reminiszenzen an Alfred Hitchcocks «Vertigo» aussendet?


«The Last Seduction» (1994)

Dieses Juwel bildete quasi den Abschluss einer Neo-Noir-Trilogie von Regisseur John Dahl. Schon bei «Kill Me Again» und «Red Rock West» liess dieser mittlerweile seit über einem Jahrzehnt im Fernsehen tätige Krimispezialist sein Können aufblitzen. Doch so gut wie hier in dieser erotisch aufgeladenen Geschichte um ein manipulatives Luder war weder er noch Hauptdarstellerin Linda Fiorentino je wieder drauf. Letztere war sogar eine ernsthafte Oscar-Kandidatin, bis entdeckt wurde, dass sie dafür disqualifiziert war, weil der Film bereits im Fernsehen ausgestrahlt worden war. Die Produktionsfirma wollte sie dann ins Oscar-Rennen einklagen, scheiterte aber damit. Trösten konnten sich sämtliche Beteiligten immerhin damit, dass Kritikerpapst Roger Ebert sich fast nicht mehr einkriegte in seiner Freude über eine Frauenfigur, die von Anfang bis Ende böse sei und sich gängiger Hollywood-Konventionen gänzlich entziehe.


«Unlawful Entry» (1992)

In dem Thriller von Genrespezialist Jonathan Kaplan («The Accused») geschieht an der Oberfläche nichts, was allzu gross abweichen würde von jenem Korsett, das Filme wie «Fatal Attraction» in diesem Genre damals so populär gemacht haben. Unterschwellig jedoch gibt es gewisse soziale und klassenstrukturelle Implikationen in dieser Geschichte um einen crazy Cop (Ray Liotta), der ein unnatürliches, nachgerade stalkerhaftes Interesse an einem Ehepaar (Kurt Russell und Madeleine Stowe) zeigt, das Opfer eines Überfalls geworden ist. Und die Leistung der drei Hauptdarsteller ist ebenfalls weit über dem Durchschnitt.


«China Moon» (1994)

Ed Harris war damals zwar noch ein ziemlicher Langweiler, aber in der Rolle eines allzu liebestrunkenen Cops sicher nicht schlecht besetzt. Als sein sehr neugieriger Partner gibt Benicio del Toro eine frühe Kostprobe seines Könnens ab in diesem Thriller des langjährigen Kameramanns John Bailey. Und einmal mehr Madeleine Stowe obliegt es, als gepeinigte Hausfrau, die es auf ihren gewalttätigen Ehemann (Charles Dance) abgesehen hat, eine rassige Figur zu machen. Kein Highlight des Genres vielleicht, aber ein sicherer Wert und mit schönen Schauwerten unter dem Mond von Florida.


«Dream Lover» (1993)

Dieser Erotik-Ehethriller von Nicholas Kazan, dem Sohn von Regielegende Elia Kazan und Vater von Schauspielerin Zoë Kazan, lief ein wenig unter dem Radar. Ein Yuppie-Architekt (James Spader) versucht darin herauszufinden, was genau falsch läuft mit seiner Ehefrau («Twin Peaks»-Star Mädchen Amick). Wiewohl das Femme-fatale-Motiv, damals gerade wieder schwer en vogue, bisweilen ein wenig überstrapaziert wird, ist  das eine ziemlich clevere, doppelbödige Angelegenheit. Und einen haarsträubenden finalen Twist hat der stylish fotografierte Film auch noch in petto.


«Striking Distance» (1993)

Den von Bruce Willis gewohnt kernig gespielten Cop Thomas Hardy trifft es hier schon in den ersten Minuten gewaltig und multipel. Zuerst muss er seinen Cousin und Partner bei der Dienstaufsicht anschwärzen, worauf dieser von einer Brücke jumpt. Dann wird sein Vater, ebenfalls Bulle, bei der Jagd auf einen notorischen Serienkiller getötet. Und schliesslich wird Hardy auch noch aus der Harte-Jungs-Truppe geschmissen und zum Dienst bei der drögen Wasserschutzpolizei degradiert. Kein Wunder, fängt er da an zu saufen. Doch mit dem Vergessen wirds hier nichts. Denn der Serienkiller von damals ist offenbar noch immer auf freiem Fuss und fängt nun perfiderweise an, Hardy zu schikanieren. Eine Ausgangslage, die spannend genug ist für einen zwar formelhaften, aber durchaus ansprechenden Thriller, der auch mit der ungewohnten Location Pittsburgh punktet. Und Sarah Jessica Parker taucht dann auch noch auf und sorgt für erotische und sonstige Verwirrung. 


«Jennifer Eight» (1992)

Ein Serienkiller, der es auf blinde junge Frauen abgesehen hat – das ist die etwas spezielle Prämisse dieses recht stimmungsvollen Thrillers von Bruce Robinson. Andy Garcia spielt darin einen frisch von Los Angeles in die Kleinstadt Eureka gezogenen Cop, der nicht nur besessen ist von dem Fall, sondern sich auch noch in das potenziell nächste Opfer (Uma Thurman) verguckt und obendrein bei dem durch John Malkovich vertretenen FBI unter Verdacht gerät, selbst der Killer zu sein. Die Auflösung ist dann nicht übermässig spektakulär. Aber bis dahin hat das Thrillerdebüt des Regisseurs der britischen Kultkomödie «Withnail and I» recht grossen Spass gemacht.


«Bound» (1996)

Die Wachowski-Schwestern waren damals noch die Wachowski-Brüder: Larry und Andy. Und bis zum grossen Wurf mit «The Matrix» war es noch drei Jahre hin. Aber schon dieser clevere und vielschichtige Neo-Noir-Thriller verriet nicht nur das inszenatorische Potenzial der Geschwister, sondern gleichsam auch deren feminine Seite. Während die wohlwollende Kritik Tarantino, Hitchcock und vor allem die Coens als Brüder im Geiste auflistete, führten die Wachowskis Billy Wilder als hauptsächliche Inspirationsquelle für ihren klaustrophobischen Thriller um ein lesbisches Liebespaar (Jennifer Tilly und Gina Gershon) an, das sich mit der Mafia anlegt. Die recht heftigen Sexszenen wurden übrigens von einer Feministin und Sexerzieherin choreografiert.


«The Rich Man’s Wife» (1996)

Dieser Thriller um eine unglückliche Trophy-Wife (Halle Berry) schafft es, mit einer übermütig hanebüchenen Schlusspointe den zuvor durchaus stattlich angereicherten Goodwill zu verspielen. Das heisst, wenn man sich den Spass denn tatsächlich verderben lassen will: sprich die «Strangers on a Train»-Reminiszenzen, das passable Hantieren auf der Genreklaviatur und die vom zweifach Oscar-prämierten legendären Kameramann Haskell Wexler hübsch fotografierte Intrigenparade. Auch mit von der Partie ist Clive Owen, der im Gegensatz zu der schwer kritisierten Halle Berry ganz ordentliche Arbeit abliefert.  


«Color of Night» (1994)

Das ist der Film, in dem Bruce Willis im Swimmingpool sein bestes Stück raushängen liess. Es ist auch der Film, der sich für die Karrieren der übrigen Hauptbeteiligten als nicht eben förderlich erwies. Regisseur Richard Rush machte danach nie wieder einen Spielfilm, und die hübsche Jane March, die zuvor lediglich in Jean-Jacques Annauds «L’amant» mitgespielt hatte, wurde auch nie wieder in einer Grossproduktion gesichtet. Der Mann jedoch, der sich diese abstruse Geschichte um einen bumsfidelen Psychiater mit mörderischem Patientenkreis ausgedacht hatte und mithin als hauptschuldig für diesen monumentalen Kassenflop zu gelten hat, erfreut sich in Hollywood noch heute grösster Beliebtheit: Billy Ray hat nicht nur regelmässig mit Drehbüchern zu Top-Produktionen reüssiert, sondern auch noch drei mehr als passable Thriller als Regisseur verantwortet. Und im weiteren Sinne kann ja auch dieser klassische Neunzigerjahre-Erotikthriller als Erfolg durchgehen: Neben der Goldenen Himbeere für den schlechtesten Film des Jahres hat er es später auch zu einem gewissen Ruhm gebracht, als er vom Magazin «Maxim» für die beste Sexszene der Filmgeschichte ausgezeichnet wurde und zu einem der 20 meistgemieteten Filme im amerikanischen Heimvideo-Markt avancierte. Ein wenig verstehen kann man das ja schon: Dem trashigen Charme dieses Debakels kann man sich wirklich nur schwer entziehen.


«Twilight» (1998)

Paul Newman, Susan Sarandon, Gene Hackman und eine nackige Reese Witherspoon, dazu eine Armada von Charakterköpfen in den Nebenrollen und ein Soundtrack von Elmer Bernstein: «Kramer vs. Kramer»-Regisseur Robert Benton fuhr hier wirklich schweres Geschütz auf. Umso enttäuschender, dass sein Thriller nicht einmal die Produktionskosten von 20 Millionen Dollar einspielte. Natürlich war die Handlung hier etwas gar vorhersehbar, und das Tempo während der nur knapp anderthalbstündigen Spielzeit lässt sich nicht eben als stürmisch bezeichnen. Aber wirklich schlecht ist dieses Krimidrama um einen alternden Privatdetektiv, der sich bei einem Routineauftrag mächtig reinreitet, auch wieder nicht. Und er hat erst noch eine hübsche Anekdote zu bieten: Nachdem er entdeckt hatte, dass Susan Sarandon weniger Geld erhalten hatte als er und Gene Hackman, überliess Paul Newman ihr einen Teil seiner Gage. Nicht nur deshalb freilich ist Newman der Hauptgrund, diesen Film zu sehen.


«The Bone Collector» (1999)

Dass einer, der ans Bett gefesselt ist, trotzdem scharfsinnig ermitteln kann, hat ja Jimmy Stewart damals in «Rear Window» schon nachhaltig bewiesen. Denzel Washington versucht in dieser Jeffrey-Deaver-Verfilmung als gelähmter Ex-Cop mithilfe von Angelina Jolie und Ed «Al Bundy» O’Neill einen Serienkiller zur Strecke zu bringen. Bis zur eher abrupten Enthüllung des Mörders ist das unter der Regie von Phillip Noyce eine durchaus stimmungsvoll-düstere, wenngleich bisweilen ziemlich bizarre Angelegenheit, auch dank des Soundtracks von Craig Armstrong. Und schauspielerisch top ist es sowieso.


«Storyville» (1992)

Dass es «Twin Peaks»-Co-Schöpfer Mark Frost bei diesem einen Regieversuch beliess und sich fortan wieder dem Drehbuchverfassen widmete, ist durchaus schade. Wie Frost hier ein meist nächtliches New Orleans in Szene setzt – das kann in den besten Momenten sogar fast mit den Zaubereien seines Compagnons David Lynch mithalten. Dass die Geschichte um einen jungen Politiker (James Spader), der sich gegen eine Erpressung wehrt und dabei düstere Familiengeheimnisse entdeckt, ein paar Logiklücken hat, sei ihm angesichts des hohen Stimmungsquotienten derweil verziehen.


«Knight Moves» (1992)

Ein Serienkiller-Film im Schachmilieu, angesiedelt im traumhaften pazifischen Nordwesten der USA und mit der wunderbaren Diane Lane in der weiblichen Hauptrolle: Da kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Und tatsächlich hat der früh verstorbene Berner Regisseur Carl Schenkel («Abwärts») hier einen knackigen Thriller geschaffen, der einen trotz der Fehlbesetzung von Christopher Lambert in der Rolle eines Schachgenies atemlos miträtseln lässt. Wie so viele Genregenossen kränkelt freilich auch er am Ende an zweierlei: einem – durchaus verzeihlichen – Mangel an Subtilität und einer schwachen, aufgepappt wirkenden Auflösung.


«Resurrection» (1999)

Nach David Finchers «Se7en» (1995) schossen die extrem düsteren und super brutalen Serienkiller-Filme wie Pilze aus dem regendurchnässten Boden. Die meisten waren natürlich nicht zu gebrauchen, der hier aber hat durchaus was für sich. Christopher Lambert sucht darin als Detective des Chicago Police Department nach einem Irren, der den Leib Christi nachstellen möchte – mittels der Gliedmassen scheinbar zufällig ausgewählter Mordopfer. Ausgedacht hat sich diese Story Hauptdarsteller Lambert selbst; verfilmt hat sie sein «Highlander»-Regisseur Russell Mulcahy. Und wider Erwarten ist das etwas, was einen öfter durchschüttelt, als mit dem Kopf schütteln lässt.


«Single White Female» (1992)

Das Kino der Neunziger – es war reich bevölkert von Psychotanten, die ihre gewalttätige Ader ausleben durften. In diesem Erotikthriller des iranisch-schweizerischen Regisseurs Barbet Schroeder richtet sich der Zorn der Furie freilich für einmal nicht gegen einen Kerl, sondern gegen die brave neue Mitbewohnerin, die soeben ihren untreuen Verlobten rausgekegelt hat. Bridget Fonda und Jennifer Jason Leigh liefern sich hier ein packendes und blutiges Slasher-Duell. Und als Lohn dafür gab es ordentliche Kritiken, satte Einnahmen an den Kinokassen – und 13 Jahre später eine dieser billigen Videopremieren-Fortsetzungen unter vollständiger Abwesenheit sämtlicher am Original Beteiligter.


«The Hand That Rocks the Cradle» (1992)

Auch ein beliebtes Sujet der Neunziger: die durchgeknallte Nanny. Rebecca De Mornay obliegt es in diesem Thriller von «L.A. Confidential»-Regisseur Curtis Hanson, eine junge Familie (Annabella Sciorra, Matt McCoy und Madeleine Zima) in ihrem properen Vorortshaus in Tacoma, Washington, bis aufs Blut zu terrorisieren. Sehenswert ist das aus gleich mehreren Gründen: weil Hanson ein Meister seines Fachs war, das Drehbuch der Verrückten eine interessante Hintergrundgeschichte gibt und weil Julianne Moore hier einen ihren ersten grösseren Kinoauftritte hat.


«Sleeping with the Enemy» (1991)

Dass auch Männer im Hollywood der Neunziger ganz schön einen an der Waffel haben konnten, beweist dieser Ehethriller von Joseph Ruben: Der mittlerweile längst aus dem grossen Rampenlicht verschwundene Patrick Bergin gibt hier den rasend eifersüchtigen Gatten mit biederem Oberlippenbart, der das Leben von Julia Roberts zur Hölle macht. Nicht einmal das Vortäuschen ihres Todes kann diesen Wahnsinnigen aufhalten in einem Stalker/Slasher-Film, der weniger auf Psychologie als auf zünftige Schockeffekte vertraut. 


«Copycat» (1995)

Sachen gibts, die gab es nur in den Neunzigern: Eine agoraphobische Psychologin (Sigourney Weaver) und eine Inspektorin (Holly Hunter) jagen einen Serienkiller, der San Francisco in Atem hält, indem er die Gräueltaten von Psychopathen wie Ted Bundy und Jeffrey Dahmer nachstellt. Was Regisseur Jon Amiel aus dieser recht gewagten Konstellation macht, ist ein stimmungsvoller Thriller mit dreidimensionalen Figuren und unter dem Strich eines der Genre-Highlights dieses Jahrzehnts.


«Kiss the Girls» (1997)

Die Neunziger waren schliesslich auch das Jahrzehnt, als noch massenhaft Krimiliteratur verfilmt wurde. Hier musste ein Buch des Massenproduzenten James Patterson dran glauben. Morgan Freeman verkörpert den ewigen Patterson-Helden Dr. Alex Cross, einen Polizeipsychologen aus Washington D.C., der sich nach North Carolina aufmacht, um das Verschwinden seiner Nichte zu untersuchen. Für einmal ist hier freilich kein Serienkiller, sondern ein Serienkidnapper am Werk, der es auch auf Ashley Judd abgesehen hat. Und ausnahmsweise ist das kein charismatischer Psychopath, sondern ein wenig eine Schnarchtablette. Nichtsdestotrotz entsteht unter der Regie von Genrespezialist Gary Fleder solide Unterhaltung und die halbwegs gerechtfertigte Grundlage für einen weiteren Alex-Cross-Kinofall mit Freeman. Während auch «Along Came a Spider» durchaus zu gefallen wusste, waren der nächsten Neuauflage mit Tyler Perry aus dem Jahr 2012 nur mehr magere, ja mitunter desaströse Kritiken beschieden.


«Double Jeopardy» (1999)

Einen unerwarteten späten Erfolg fuhr Altmeister Bruce Bereford («Driving Miss Daisy») mit diesem juristisch fragwürdig unterfütterten Thriller ein. Ashley Judd (und mit ihr das Drehbuch) glaubt, dass sie einen Freifahrtschein hat, ihren untergetauchten betrügerischen Gemahl (Bruce Greenwood) um die Ecke zu bringen, nachdem sie für den vermeintlichen Mord an ihm sechs Jahre im Gefängnis gesessen hat – dies aufgrund des juristischen Grundsatzes, dass eine Person nicht zweimal für dasselbe Verbrechen verurteilt werden kann. Harvard-Professor, O.-J.- und Trump-Anwalt Alan Dershowitz sah das dezidiert anders, und viele Kritiker drehten dem Film einen Strick daraus. Wie dem auch sei: Tommy Lee Jones befindet sich hier jedenfalls als Bewährungshelfer einmal mehr auf der Jagd, die ihn vom malerischen Island County im Staat Washington bis hinunter nach New Orleans führt. Das zumindest ist sehenswert. Und für Judd war das scheinbar der nächste Schritt zum Superstar-Status, der ihr am Ende dann aber doch verwehrt bleiben sollte. Zu verdanken hatte sie diesen Auftritt übrigens einer etwas gar forschen Jodie Foster, die ursprünglich für die Rolle vorgesehen war, es sich aber mit Regisseur Bereford verscherzte, als sie wiederholt ernsthaft darauf hinwies, dass sie so viel intelligenter sei als er und jede Diskussion mit ihr sinnlos sei, weil sie nun mal immer recht habe.


«Guilty as Sin» (1993)

Keine Frage: Die Karriere des grossen Sidney Lumet war damals nicht mehr das, was sie einst gewesen war. Und recht eigentlich lässt sich dieser psychologische Juristenthriller als Tiefpunkt seines Schaffens einordnen. Andererseits macht es aber eben auch irre Spass, hier einem maximal schmierigen Don Johnson als skrupellosem Schwerenöter dabei zuzusehen, wie er seine selbstbewusste Staranwältin (Rebecca De Mornay) zunächst um den Finger wickelt und endlich um die Ecke bringen will. Ein «Guilty Pleasure» sozusagen.


«Just Cause» (1995)

Ein liberaler Harvard-Professor (Sean Connery) gibt nach 25 Jahren sein Comeback im Gerichtssaal, um in Florida einen jungen Schwarzen (Blair Underwood) zu verteidigen, der beschuldigt wird, ein Kind brutal ermordet zu haben. Während die Verfilmung eines Krimis von John Katzenbach unter einer untauglichen, weil allzu polierten Inszenierung von Gelegenheitsregisseur Arne Glimcher leidet, sammelt er Pluspunkte mit einer tollen Besetzung, zu der auch Laurence Fishburne, Ed Harris und die zehnjährige Scarlett Johansson gehören.


«Body of Evidence» (1992)

Dass zu Beginn des Jahrzehnts eine eiskalte blonde Sexteufelin der Hype war und diese nicht Madonna hiess, muss die damals von fleischlichen Gelüsten geradezu besessene Popgöttin extrem geschmerzt haben. Das logische Rezept dagegen: sich im Anschluss an die Veröffentlichung des Softcore-Coffeetable-Books «Sex» à la Sharon Stone selbst durch einen Erotikthriller zu schnackseln. Gedacht, gemacht. Das Ergebnis indes, fabriziert von «Christiane F.»-Regisseur Uli Edel, sollte dann trotz Co-Stars wie Willem Dafoe und Julianne Moore als einer der übelsten Kinodebakel der Neunziger Geschichte machen, inklusive sechs Nominierungen für die Goldene Himbeere und eines Eintrags in die Liste der meistgehassten Filme von Kritikerpapst Roger Ebert. Immerhin aber gehört dieser Rohrkrepierer in die Kategorie der guten schlechten Filme – sprich: Mit der richtigen Geisteshaltung kann man durchaus seinen Spass damit haben.


«Boxing Helena» (1993)

Ein Chirurg (Julian Sands) ist dermassen vernarrt in eine ehemalige Affäre («Twin Peaks»-Star Sherilyn Fenn), dass er sie in seiner Villa gefangen hält und ihr dort Arme und Beine amputiert: Was sich die damals bei Drehstart gerade mal 23-jährige Jennifer Lynch für ihr Regiedebüt ausgedacht hatte, war gelinde gesagt bizarr. Und was die Tochter von David Lynch, des Zaren des Bizarren, daraus machte, war obendrein von mancher Kalamität begleitet: Die Produktion war das reinste Chaos, nachdem zunächst Madonna sehr kurzfristig und sodann auch Kim Basinger aus dem Projekt ausgestiegen war und die Suche nach einer neuen Hauptdarstellerin abermals von Neuem hatte losgehen müssen. Die dadurch ausgelösten Verspätungen führten dazu, dass sich auch noch Ed Harris vom Acker machte, und die folgenden juristischen Klagen zum Privatkonkurs von Basinger. Weitere Streitigkeiten gab es um die Jugendfreigabe – das Killer-Rating NC-17 blieb dem Film erst nach einer Einsprache erspart. Immerhin gab es dann ordentlich Lob und eine Nominierung für den Grand Jury Prize am Sundance-Filmfestival. Zum Happy End kam es indes trotzdem nicht: Als der Film schliesslich in die Kinos kam, wurde er von der Kritik in bisweilen extrem harschen Worten verrissen – und Jennifer Lynch wurde mit der Goldenen Himbeere als schlechteste Regisseurin ausgezeichnet. Freilich: Ein gewisser Kultfaktor ist diesem Kuriosum, diesem Unikat nicht abzusprechen.


«Presumed Innocent» (1990)

In diesem Juristenthriller führte mit Alan J. Pakula («All the President’s Men») einer der Grossen des Siebzigerjahre-Paranoia-Kinos Regie. Und entsprechend hebt er sich von den meisten Genregenossen seiner Zeit ab, sicherlich auch dank der schlüssigen Vorlage des Anwalts und Autors Scott Turow und des kompetent daraus abgeleiteten Drehbuchs von Pakula. Harrison Ford spielt hier – nachdem es mit Kevin Costner und Robert Redford nichts geworden war – einen stellvertretenden Staatsanwalt, der unter Verdacht gerät, seine Geliebte (Greta Scacchi) vergewaltigt und ermordet zu haben. Was folgt, läuft wie geschmiert und erwartungsgemäss wendungsreich ab und offenbart als gesellschaftskritischen Bonus einen Sumpf aus politischer Korruption und moralischer Degenration. Ein Thriller, der sich nahe an der Perfektion bewegt.


«Bad Influence» (1990)

Curtis Hanson führte in diesem noirigen Psychothriller Regie, David Koepp schrieb das Drehbuch – zwei Meister ihres Fachs also, die dann auch tatsächlich nicht enttäuschen mit dieser Geschichte um einen scheuen und etwas linkischen Yuppie (abermals James Spader), der sich mit einem mysteriösen Spinner (Rob Lowe) anfreundet und von diesem zum Ausloten seiner dunkleren Seiten animiert wird. Pate stand auch hier der Hitchcock-Klassiker «Strangers on a Train». Der Film wurde freilich überschattet von der damals in den Boulevardmedien zelebrierten Affäre um Rob Lowe und ein Videotape, das ihn beim Sex mit zwei (zu) jungen weiblichen Fans zeigt. Dass der vorher eher für Saubermann-Rollen bekannte Lowe hier einen solchen Hallodri spielte, wollten zynischere Zeitgenossen nicht als Zufall durchgehen lassen; sie vermuteten, die Filmemacher wollten den Skandal kapitalisieren. Lowe selbst fand Jahre später, dass der Film nicht jene Aufmerksamkeit bekommen habe, die er verdient hätte. Er sei seiner Zeit voraus gewesen, sei sexy, schräg und düster und zeige einen grossartigen Ausschnitt aus dem Untergrund von L.A. zu Beginn der Neunzigerjahre. Wo er recht hat, hat er recht.


«Nick of Time» (1995)

Das ist jetzt mal so richtig fies, was «Saturday Night Fever»-Regisseur John Badham in diesem bündigen 90-minütigen Thriller mit einem von Johnny Depp eher atypisch verkörperten Biedermann anstellt: Er lässt ihn und seine Tochter an der Union Station in L.A. von Christopher Walken und Roma Maffia kidnappen und sodann vor eine unmögliche Wahl stellen – entweder er bringt eine Politikerin um, oder sein Kind muss dran glauben. Was diesen absolut solide unterhaltenden Film, der sowohl an der Kasse als auch bei der Kritik floppte, besonders macht: Er läuft in Echtzeit ab – und das mehr als ein halbes Jahrzehnt vor «24».


«Primal Fear» (1996)

Es war ein spätes Kinodebüt, das der fernsehgestählte Regisseur Gregory Hoblit hier gab. Dafür war es dann auch gleich das Beste, was der damals 52-Jährige je zustande bringen sollte. Die Premiere, von der im Zusammenhang mit diesem Juristenthriller dann alle sprechen würden, war freilich ein anderes: jenes von Edward Norton, der sogar eine Oscar-Nominierung erhielt für die Rolle des 19-jährigen stotternden Altarjungen aus Kentucky, der beschuldigt wird, den beliebten Erzbischof von Chicago brutal ermordet zu haben. Richard Gere spielt seinen Anwalt gewohnt und unerreicht smart und geschmeidig; Laura Linney und Frances McDormand sind auch am Start; und am Schluss gibt es eine faustdicke Überraschung à la «Witness for the Prosecution», dank der man diesen Thriller nicht so schnell vergessen wird.


«Breakdown» (1997)

Wenn das Auto auf dem Weg von Boston nach San Diego mitten in der Wüste den Geist aufgibt und man in die Hände einer Horde grobschlächtiger Hillbillies gerät, ist der kernige Kurt Russell sicher der Kerl, von dem man sich wünscht, dass er einen retten kommt. Hier freilich spielt Russell eher gegen den Typ, was das Martyrium von Kathleen Quinlan und die sadistischen Freuden von J.T. Walsh ein wenig in die Länge zu ziehen vermag. 93 Minuten nur dauert dieser an Steven Spielbergs «Duel» gemahnende Thriller von Jonathan Mostow, und bei Gott: Jede einzelne davon ist höllisch spannend.


«Wild Things» (1998)

Mit nicht nur einem, sondern gleich zwei Satansweibern trumpft dieser erotisch aufgeladene Neo-Noir aus dem schwitzig-schwülen Miami auf. Und was Neve Campbell und Denise Richards hier gerade auch miteinander und dann noch zu dritt mit Matt Dillon veranstalten, das war schon dicke Post. Die flotten Sexszenen jedenfalls garantierten dem topbesetzten Film mindestens so viele Schlagzeilen wie dessen nachgerade überdreht wendungsreicher Plot um einen feschen Vertrauenslehrer, der von zwei ausgemachten Ludern – einem Rich Kid und einem Trailer-Trash-Girl – der Vergewaltigung bezichtigt wird. Wider Erwarten bescherte diese teuflisch spassige Erotikbombe Regisseur John McNaughton («Henry: Portrait of a Serial Killer») indes nicht das anvisierte und allseits sicher geglaubte Comeback – dafür dem geneigten Videopremieren-Fetischisten nicht weniger als drei mit aparten Namenlosen besetzte Sequels in den Nullerjahren.


«Sliver» (1993)

Für diesen Erotikthriller um mörderische Ereignisse in einem exklusiven New Yorker Apartmenthaus spannten «Basic Instinct»-Autor Joe Eszterhas und Sharon Stone auf ein Neues zusammen. Wiewohl der Film unter der Regie von Phillip Noyce an den Kinokassen ganz passabel abschnitt, geht er kaum als Erfolg durch: sicher nicht künstlerisch, wovon gleich sieben Nominierungen für die Goldene Himbeere zeugen; und schon gar nicht produktionstechnisch. Wegen grober Streitigkeiten um die Altersfreigabe musste ein solch grosser Teil nachgefilmt werden, dass sich sogar die Identität des Killers änderte. Kein Wunder, wirkt vor allem das Ende überstürzt und wenig überzeugend. Und trotzdem: Gar so übel ist dieses ziemlich erotische Psychospiel auch wieder nicht.


«The Temp» (1993)

Kris («Twin Peaks»-Star Lara Flynn Boyle) ist die perfekte neue Assistentin: clever und effizient, fleissig und loyal, weit skrupelloser als die mit schmutzigen Tricks operierende Konkurrenz – und dann erst diese Beine! Aber natürlich ist das alles zu schön, um wahr zu sein, für den jungen Manager Peter (Timothy Hutton). Denn diese Frauen, die einem wie ein Geschenk vom Himmel in den Schoss fallen, haben es im Kino der Neunziger meist faustdick hinter den Ohren und nicht selten ein wenig unaufgeräumt im Oberstübchen. Bis auch Peter das schnallt, haben indes schon ein paar seiner Rivalen das Zeitliche gesegnet – aber zu seiner Verteidigung besteht da immerhin noch die vage Möglichkeit, dass seine Chefin (Faye Dunaway) hier der wahre Bösewicht ist. Eine Variante, die bei den umfangreichen Nachdrehs notabene offenbar durchaus in Betracht gezogen worden ist. Nötig geworden waren diese, weil das ursprünglich gefilmte Finale als viel zu brutal gewertet worden war. Obsiegt hat dann freilich jene Version, die von Drehbuchautor Kevin Falls als Kompromiss zwischen den Filmemachern, dem Testpublikum und dem Studio taxiert wurde. Es ist entsprechend exakt das Ende, das man erwartet hat.


«Consenting Adults» (1992)

Das kann ja nicht gut kommen: Ein biederes Vororts-Ehepaar (Kevin Kline und Mary Elizabeth Mastrantonio) lässt sich von den windigen neuen Nachbarn (Kevin Spacey und Rebecca Miller) einen Partnertausch aufschwatzen. Was als Scherz beginnt, endet mit einer übel zugerichteten Leiche im Ehebett und einer Mordanklage. Dass Starregisseur Alan J. Pakula aus dieser perfiden Ausgangslage nicht noch ein bisschen mehr als einen soliden Thriller herausholt, ist zwar eine leise Enttäuschung. Aber dafür wurde der Stoff dann ein gutes Jahrzehnt später nochmals neu verfilmt – auf Hindi und mit weit jüngeren und ungleich gluschtigeren indischen Mimen. 


«Disclosure» (1994)

Mit diesem Film sorgten Starregisseur Barry Levinson («Rain Man») und Starautor Michael Crichton («Jurassic Park») für ein gewisses mediales Tamtam: Das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wird hier zwar nicht eben tiefschürfend und auf der Höhe der politischen Gender-Korrektheit erörtert, dafür sind die Rollen für einmal vertauscht – und zwar gleich in doppeltem Sinn. Nicht nur ist es in diesem 128-Minüter die erfolgreiche Frau, die dem ihr unterstellten Mann an die Wäsche geht; es ist obendrein auch noch die Sympathieträgerin Demi Moore, die gegen ihren Typ das berechnende Luder gibt und dem für einmal seine Libido im Griff habenden Michael Douglas nachstellt und endlich das Leben zum höllischen Spiessrutenlauf macht. 


«Palmetto» (1998)

Nicht einmal der schöngeistige notorische Litertaurverfilmer Volker Schlöndorff konnte sich damals dem Reiz dieses Genres entziehen. In diesem Thriller überredet Elizabeth Shue als Femme fatale den just aus dem Knast entlassenen Woody Harrelson, die vorgetäuschte Entführung ihrer Tochter Chloe Sevigny durchzuziehen. Das geht dann natürlich mächtig schief; und ebenfalls ein bisschen in die Hose geht der hübsch fotografierte Film als Ganzes. Lob gab es dagegen für die Sexszenen. Auch gut.


«Fear» (1996)

Diese «Fatal Attraction»-Variante für Teenager, in der Mark Wahlberg und Reese Witherspoon quasi in die Rollen von Glen Close und Michael Douglas schlüpfen, vermochte zwar bei den Kritikern nicht gar so sehr zu reüssieren. Dafür entwickelte sich der «schamlose», «hysterische» und «sensationalistische» Film von Genrespezialist James Foley, der gar nicht mal so schlecht gealtert ist, an den Kassen zu einem Sleeper-Hit. Die Rolle des vermeintlichen Traumboys David, der sich zum veritablen Stalker-Psycho mausert, markiert zudem die erste Hauptrolle für «Marky Mark» Wahlberg.


«Snake Eyes» (1998)

Und endlich hat hier auch Nicolas Cage seinen Auftritt: In diesem von Brian De Palma inszenierten und von David Koepp geschriebenen Thriller muss er als zwielichtiger Cop während eines Boxkampfs in einem Casino in Atlantic City ein politisches Mordkomplott aufklären, in das sein bester Freund (Gary Sinise) involviert ist. In Erinnerung bleibt der Film weniger wegen der Handlung, der mit dem etwas frühen Enthüllen der Schuldfrage bald einmal die Spannung entzogen wird. Sondern wegen der fiebrigen 20-minütigen Auftaktsequenz, die zumindest so wirkt, als sei sie in einer einzigen langen Aufnahme gefilmt worden. Und natürlich wegen des schicken gelben Schmetterlingshemds, das Cage hier spazieren trägt.


«The Trigger Effect» (1996)

David Koepp kann nicht nur Drehbücher; wie er in diesem intelligenten Stromausfall-Thriller eindrücklich beweist, liegt ihm auch das Regieführen ganz gut. Kyle MacLachlan und Elizabeth Shue versuchen sich hier im südlichen Kalifornien einer Kettenreaktion von zusehends gewalttätigeren Ereignissen zu entziehen, die die Abhängigkeit des Menschen von der Technologie offenbaren. Die gesellschaftskritischen Implikationen sind freilich eher ein Bonus; in erster Linie ist das ein sauspannender und effektiver psychologischer Thriller.


«Best Laid Plans» (1999)

Heutzutage verdient sich der Brite Mike Barker sein Geld als Regisseur bei TV-Serien wie «Broadchurch», «Fargo» oder «The Handmaid’s Tale». Vor über 20 Jahren indes legte er diesen perfide-cleveren kleinen Thriller vor. Reese Witherspoon, Alessandro Nivola und Josh Brolin verwickeln sich hier in eine wendungsreiche Intrige um verbotenen Sex und eine fiese Erpressung und geraten in eine Spirale aus Gewalt und nicht vorhersehbaren Ereignissen. Dass dieses Genrejuwel bei der Kritik damals dermassen durchfiel, soll mal einer erklären!


«8MM» (1999)

Aber natürlich kommt Nic Cage hier noch ein zweites Mal vor: Dieser düstere Thriller von Joel Schumacher, in dem Cage einen Privatdetektiv auf nervenzerfetzender und existenzerschütternder Mission spielt, ist ein Paradebeispiel dafür, wie grundlegend sich die Vorlieben der Kritik und des Publikums bisweilen unterscheiden können. Während Erstere diesen Trip in die albtraumhafte Welt der sogenannten Snuff-Filme als gewalt- und selbstjustizverherrlichend abschmetterte und abgrundtief hasste, schnitt er an den Kinokassen mehr als passabel ab. Dass er nicht schon längst der Vergessenheit anheimfiel, liegt sicherlich auch an den Auftritten von Joaquin Phoenix, James Gandolfini und Catherine Keener in den Nebenrollen – und dem markenzeichenhaften erratischen Overacting-Auszucker von Cage im rustikalen Finale.


«The Edge» (1997)

Für den neuseeländischen Regisseur Lee Tamahori war dieser Survival-Thriller der zweite Hollywood-Film; er sollte ihn für die recht blasse James-Bond-Nummer «Die Another Day» und das Actionspektakel «XXX: State of the Union» qualifizieren, ehe er sich selbst ein bisschen aus der Verlosung nahm, nachdem er in Frauenkleidern einem Undercover-Cop des LAPD eine Portion Oralsex offeriert hatte. Item. Hier jedenfalls präsentiert Tamahori sich von seiner kompetenteren Seite und lässt den Bonzen Anthony Hopkins und den Fotografen Alec Baldwin nach einem Flugzeugabsturz von einem Kodiakbären durch die Wildnis von Alaska hetzen. Ebenfalls an Bord, wenn auch in Sicherheit: das australische Supermodel Elle «The Body» Macpherson, das dem (Überlebens-)Kampf der beiden Männer eine zusätzliche würzige Note gibt. 


«The Vanishing» (1993)

Ja, der Schluss des holländischen Originals «Spoorloss» war schockierender, cleverer, schlicht besser. Aber auch das Remake, das Regisseur George Sluizer fünf Jahre später gleich selbst in Szene setzen durfte, ist ein ziemlicher Knüller. Jeff Bridges spielt hier einen übergeschnappten Professor, der aus rein soziologischem Interesse eine junge Frau (Sandra Bullock) entführt. Deren Freund (Kiefer Sutherland) ist freilich nicht willens, die Sache auf sich beruhen zu lassen, und sucht auch Jahre später noch nach seiner Liebsten. Zwei Männer, zwei Obsessionen: In diesem Duell kann es eigentlich nur Verlierer geben. Ausser natürlich, man transferiert diese Geschichte über die Banalität des Bösen nach Hollywood. Ja, ja, wie gesagt: Der Schluss des Originals war wirklich sehr viel besser.


«Jade» (1995)

Dieser Thriller um einen stellvertretenden Staatsanwalt aus San Francisco, der in den schwitzigen Clinch mit einer Edelprostituierten gerät, ist vor allem insofern erstaunlich, als die Kinokarrieren praktisch sämtlicher Hauptbeteiligter mittlerweile längst zum Erliegen gekommen sind. Derweil Regisseur William Friedkin («The Exorcist») schon damals seine beste Zeit hinter sich hatte und später dann immerhin noch zwei moderate Erfolge verbuchen konnte, galt Drehbuchautor Joe Eszterhas noch als Topshot. Freilich hatte er im selben Jahr bereits den Jahrhundertflop «Showgirls» vom Stapel gelassen, und in Kombination mit diesem recht müden Möchtegern-«Basic Instinct»-Aufguss war das anscheinend schon genug, um ins ewige Abseits zu geraten. Kaum besser erging es Hauptdarsteller David Caruso, der sich bald darauf wieder ins Fernsehen verabschiedete, sowie Chazz Palminteri und der Neunziger-Erotikikone Linda Fiorentino. Die beiden freilich schwammen immerhin noch gut fünf Jahre obenauf, weshalb Friedkin und Eszterhas also wenigstens in dieser Beziehung keine Schuld trifft.


«Poison Ivy» (1992)

Ein fast schon quintessenzieller Genrevertreter ist dieser Erotikthriller, der es nach holprigem Kinostart im Heimvideomarkt zu beträchtlichem Erfolg brachte und eine Serie von drei Videopremieren-Sequels auslöste. Ein blutjunges Ding aus armen Verhältnissen (die damals erst 17-jährige Drew Barrymore) verführt den Vater (Tom Skerritt) ihrer reichen Freundin (Sara Gilbert) – ein Schäferstündchen mit tödlichen Konsequenzen, zumal auch diese Femme bzw. Lolita fatale so gar nicht alle Tassen im Schrank hat. Hätte man ja wirklich ahnen können.


«The Net» (1995)

Dieser actiongeladene Thriller von Irwin Winkler, in dem Sandra Bullock eine ihrer Identität beraubte Computerexpertin spielt, ist gelinde gesagt nicht eben gut gealtert. Doch genau das macht seinen Reiz aus: im Rückblick zu sehen, wie man sich damals die Gefahren des Internets vorgestellt hat. Oder das Netz ganz allgemein – etwa wenn auf Bullocks Bildschirm die grandiose Einblendung aufflackert: «Welcome to the Swiss internet».


«The Juror» (1996)

Die Kritik hatte wenig Freude an diesem Thriller, in dem Demi Moore als Jurorin von einem Mafia-Handlanger mit dem pfiffigen Beinamen «Der Lehrer» (Alec Baldwin) gehörig unter Druck gesetzt wird. Dabei hat er doch einiges für sich: eine halbwegs spannende Handlung, eine Sexszene mit Anne Heche und einer grotesken Menge Schweiss auf den nackten Leibern, James Gandolfini als mitfühlenden Mafioso und einen 15-jährigen Joseph Gordon-Levitt.


«The General’s Daughter» (1999)

Die Tochter eines Generals wird auf einem Armeestützpunkt in der Nähe von Savannah vergewaltigt und ermordet; ein Undercover-Ermittler (John Travolta) stösst bei seinen Nachforschungen auf ein Vertuschungskomplott: Daraus hätte sich vielleicht ein besserer Film schustern lassen, als es der Actiongrobian Simon West am Ende hingekriegt hat. Und die Mordszene hätte man auch einen Tick weniger explizit filmen können. Aber spannend ist das auch so. Und bemerkenswert ist der Film gerade auch deshalb, weil er der letzte grosse Kinoauftritt der tollen Madeleine Stowe markiert. Eine Liebesszene mit John Travolta indes schaffte es nicht in die finale Fassung und wurde rausgeschnitten.


«The Pelican Brief» (1993)

Dieser in puncto Regie, Drehbuch und Besetzung extrem hochkarätige Streifen soll hier als Stellvertreter stehen: nicht bloss für die Blütezeit des Justizthrillers, die er mit einläutete, sondern vor allem auch für all die anderen spitzenklassigen John-Grisham-Verfilmungen, die in der Folge unter der Regie von Leuten wie Sydney Pollack, Joel Schumacher oder Francis Ford Coppola entstehen sollten. Den Anfang aber machte hier Alan J. Pakula. Julia Roberts deckt als Jurastudentin per Zufall eine Verschwörung auf, der zwei Bundesrichter zum Opfer gefallen sind; Denzel Washington spielt den investigativen Journalisten an ihrer Seite. Intelligente Hochspannung über fast zweieinhalb Stunden Spielzeit! Nur zu einer Liebesszene zwischen Roberts und Washington kommt es entgegen damaliger Genregepflogenheiten nicht. Dies freilich nicht deshalb, weil es die Filmemacher als potenziell inopportun taxiert hätten, wenn das strahlend weisse Schätzchen der amerikanischen Nation sich mit einem Dunkelhäutigen in den Laken wälzt. Vielmehr war es Washington, der eine solche Techtelmechtel-Szene ablehnte – aus Rücksicht auf seine schwarzen weiblichen Fans.


«Fallen» (1998)

Der zweite von leider nur sechs Kinofilmen von Regisseur Gregory Hoblit («Primal Fear») ist ein stylisher Albtraum und eigentlich kein typischer Neunzigerjahre-Vertreter des Genres. Vielmehr ist die übernatürlich angehauchte Geschichte um einen Detective des Philadelphia Police Department (Denzel Washington), der einem Copycat-Killer auf der Spur ist, ein – notabene vorzüglich unterhaltender – Vorbote für den damals nächsten grossen Trend im Thrillerfach: den Mysterythriller, im Zuge dessen vermehrt Gespenster an die Stelle von Sirenen treten – statt nackter gibt es nun bevorzugt leichenblasse Haut; statt heisser öfters eisige Momente; Bettlaken werden nicht länger durchgeschwitzt, sondern übergestülpt; Venusfallen hat es im Spukschloss keine; und ein ominöses Knirschen verdrängt das spannungsgeladene Knistern. Mit anderen Worten: Prüderie und Fantasterei lösen im Thrillergenre allmählich die gepflegte Erwachsenenunterhaltung ab. Schade, schade.