Ein Satansbraten und ein paar arme Teufel

Mit dem Okkultismusthriller «Regression» glückt «The Others»-Regisseur Alejandro Amenábar ein stimmungsvolles Comeback im Thrillergenre – auch wenn man dessen Schlusstwist lange kommen sieht.

 

von Sandro Danilo Spadini

In «Rosemary’s Baby» mag Roman Polanski zwar an der Upper West Side den Teufel heraufbeschwört haben; und auch Robert De Niros Beelzebub in «Angel Heart» und jener Al Pacinos in «The Devil’s Advocate» geisterten Manhattan herum. Doch wohl ists Luzifer und seinen düsteren Gesellen laut Hollywood seit je auch in der Abgeschiedenheit – alte Landhäuser etwa ziehen sie förmlich an. Kleinstädte wie Hoyer, Minnesota, indes zogen die Dämonen bislang weniger an. Wiewohl gerade solche Orte oft Horte fanatischer Frömmigkeit und mithin umso anfälliger sind für okkulten Wahn. Das hat sich auch der chilenisch-spanische Regisseur Alejandro Amenábar so gedacht und sein Thriller-Comeback in ebendiesem fiktionalen Kaff im amerikanischen Nordosten angesiedelt. Es ist das Jahr 1990, es regnet ständig, und das steigert nicht eben den Reiz des reichlich abgesandelten Schauplatzes von «Regression». Noch weit weniger tun das freilich die grauslichen Gerüchte, die befeuert durch Medienberichte über ähnliche Fälle gerade kursieren und wie andernorts in den USA Panik auslösen. Es ist die Rede vom Kindsmissbrauch während satanistischer Rituale, mutmasslich verübt vom bibelfesten Ex-Alkoholiker John Gray (David Dencik) an seiner Tochter Angela (Emma Watson). Es sei einfach unmöglich, sagt dieser, als er von Detective Bruce Kenner (Ethan Hawke) zu Angelas schriftlicher Aussage befragt wird. Gleichzeitig meint er, seine Tochter würde niemals lügen und daher müsse er es getan haben. Aber er könne sich, «oh Gott, hilf mir», nicht erinnern, und er kann sich auch nach allem Nachbohren noch nicht erinnern. So sucht die Polizei dann ganz im Geist der Zeit eben Zuflucht bei der Psychologie und namentlich bei Professor Kenneth Raines (David Thewlis). Mit einer «regressiven Hypnose» will dieser das Rätsel knacken – und bereits jetzt müssten neben jenen belesenen Zeitgenossen, die mit den «Regression» zugrunde liegenden wahren Begebenheiten vertraut sind, auch Leute vom psychologischen Fach den Braten riechen.

Dicht, düster, depressiv

Bis das dann auch der Rest von uns tut, dauert es zwar noch etwas länger – aber nicht so lange, wie sich Amenábar das beim Schreiben des Skripts wohl vorgestellt hat. Die vorhersehbare Volte kompensiert er aber mit einer in Herbstfarben gekleideten Untergangsstimmung, die in ihrer düsteren Dichte an David Finchers «Seven» gemahnt. Wie dort mit Brad Pitts Figur reibt sich auch hier ein Cop mit reizbarem Gemüt auf: einer indes, der mit seiner agnostischen Abgelöschtheit auch Morgan Freemans damaligen Part aufgreift. Als solch nüchterner Realist macht sich Bruce natürlich wenig Freunde in einer Kleinstadt voll dubioser und komischer Gestalten, wo man sich stracks ins Gebet zu flüchten pflegt, sobald es brenzlig wird. Und da es in «Regression» öfter mal brenzlig wird, kriegt der liebe Gott von diesen potenziellen Psychopathen und depressiven Geheimniskrämern so einiges zu hören: Es wird um Verzeihung gebetet für Taten, die unter Hypnose in schroffer Grausamkeit erinnert werden. Es wird um Hilfe gefleht, wenn der Leibhaftige in Träumen und Visionen die Grenzen der Realität zertrümmert. Es wird auf Schutz gehofft vor dem, was da noch kommen möge. Und das wird einiges sein, sofern Bruce‘ Intuition nicht trügt: Er habe so ein seltsames Gefühl bei diesem Fall. Als ob er Teil von etwas Grösserem sei. «Etwas viel Grösserem.»

Klassische Vorbilder

Dass er weiss, wie man Spannung erzeugt, das hat Amenábar am Karriereanfang nachgewiesen: mit «Tesis», «Abre los ojos» in den späten Neunzigern und dann mit dem 210-Millionen-Dollar-Hit «The Others». Dass er nach einer ernsteren Phase («Mar adentro») das nicht verlernt hat, das demonstriert er nun nach sechs Jahren Schaffenspause. Was er hier angepeilt hat, ist von der Kameraführung über Set und Requisiten bis zur Musik eine klassische Horror- und Thrillersprache. Gelernt habe er die von Siebzigerjahre-Grössen wie Sidney Lumet und Alan J. Pakula – zwei Leuten also, deren Namen für schlaues Genreschaffen standen. Genau dafür steht unverändert auch Amenábar ein. Denn wiewohl man den finalen Twist lange kommen sieht: Es verbirgt sich dahinter nicht nur ein cleverer Clou. Sondern auch eine kluge Sicht zur Wahrheit und ihrer Wahrnehmung.