von Sandro Danilo Spadini
Es ist gerade nicht die Zeit des Konsenses in der amerikanischen Politik. Und auch nicht die der Nuancen. Dass Film und Fernsehen dazu beitrügen, ist zwar eine steile These, die sich nicht
rauszubrüllen und in Grossbuchstaben in die sozialen Medien zu hämmern lohnt. Aber mit den politischen Grautönen haben sie es zurzeit definitiv auch nicht so. Fundamental gut oder fundamental
böse, monumental blöd oder monumental klug – dazwischen machen es speziell die televisionär Regierenden in der Trump-Ära nicht. Aus dem Sumpf zwinkern so etwa ein machiavellistischer Mörder wie
Präsident Underwood in «House of Cards» oder eine vulgäre Dilettantin wie Vizepräsidentin Meyer in «Veep»; von Wolke 7 winken derweil eine heilige Intelligenzbestie wie Aussenministerin McCord in
«Madam Secretary» oder ein weiser Rechtschaffenheitsbolzen wie Präsident Kirkman in «Designated Survivor».
Ein seltsames Paar
Die Kinokomödie
«Long Shot»
bietet nun beides: einen schwerkorrupten, schwachköpfigen Ex-Fernsehstar im Oval Office (Bob Odenkirk aus «Better Call Saul»), der die Präsidentschaft für einen Job «mit mehr Prestige» aufgeben
möchte und also den Durchbruch als Kinostar plant; und vor allem die so fleissige wie fähige Aussenministerin Charlotte Fields (Charlize Theron), die sich für dessen Nachfolge parat macht.
Charlottes Popularitätswerte sind okay und ihre Wahlchancen mithin intakt; was ihr laut Imageberatung indes abgeht: Humor. Da trifft es sich doch grad ganz gut, dass sie an einer Benefizgala dem
mit Baseball-Cap und lila Hipster-Windjacke grotesk underdressten linken Anarcho-Journalisten Fred (Seth Rogen) über den Weg läuft. Um den hat sie sich vor einem Vierteljahrhundert mal als
Babysitterin gekümmert, und das hat bei ihm, selbstredend, bleibenden Eindruck hinterlassen. Jetzt ist Fred gerade arbeitslos, weil das Magazin aus Brooklyn, für das er wütende Reportagen
schrieb, an das Fake-News-affine Medienkonglomerat eines Rupert-Murdoch-Verschnitts (Andy Serkis) verscherbelt wurde. Manchmal sei er halt «too much», hat ihm der Chef noch mitgegeben; und um das
zu belegen, macht Fred auf der Gala sogleich Radau. Das hindert Charlotte dann aber nicht, ihm den Job als Redenschreiber zu offerieren. Ihre Assistentin (köstlich fies: June Diane Raphael)
findet das zwar «waghalsig» und wird Fred fortan das Leben schwer machen, wenn er die edlen Worte der Chefin mit Persönlichem und Popkulturellem «aufpeppt»; Charlotte hingegen geht bald ein noch
viel grösseres, potenziell desaströses (Image-)Wagnis ein: Statt dem Werben des um sie herumscharwenzelnden kanadischen Premierministers (Alexander Skarsgård) nachzugeben, verliebt sie sich
massiv «unter Wert» in den unreifen, unflätigen, ungepflegten Wackelkandidaten Fred.
Ein bisschen ambitioniert
Es ist nicht abzustreiten, dass Regisseur Jonathan Levine («50/50») und das Autorenduo Dan Sterling («The Office») und Liz Hannah («The Post») hier Ambitionen hegen, die über das Zelebrieren von
90er-Jahre-Referenzen und exotischen Sets hinausgehen. Ein politischer Seitenhieb hier, eine soziale Spitze da: Man müht sich achtbar, die brennenden Themen einigermassen adäquat zu adressieren.
Das freilich ist dann auch die Krux dieser überaus üppigen, ja überlangen Klamotte: Wie ihre Heldin geht sie gar oft Kompromisse ein, um mehrheitsfähig zu sein. Was so bleibt, ist von allem ein
bisschen: «Long Shot» ist ein bisschen böse zu Trump, ein bisschen #MeToo-bewusst und quasi «Pretty Woman» unter umgekehrten Vorzeichen, ausser dass Seth Rogen nicht pretty im engeren Sinn ist.
Der Film ist ein bisschen besorgt um den Zustand des Landes und hat ein bisschen Angst um die Umwelt. Und er ist ein bisschen lustig und ein bisschen albern. Für Letzteres ist natürlich
zuvorderst Seth Rogen besorgt, der hier den klassischen, den einzigen Seth Rogen macht: eine semipubertäre und sehr laute Kreuzung aus Trampeltier und Kuschelbär. Ganz anders Charlize Theron: Sie
strahlt mit jeder Faser pure Klasse aus (und ist trotz fast berührender Momente am Ende doch machtlos gegen die magere Figurenzeichnung). Was das komödiantische Talent und die Chemie mit Rogen
angeht, darf man von gehobener Mittelklasse sprechen. So wie sich die Humorquote von «Long Shot» im zartgrünen Bereich bewegt und damit immerhin Zustimmungswerte erzielt, über deren Erreichen
gewisse Politiker nur lügen können. Wenn auch sonst nichts und auch wenn der Film im Mitteldrittel etwas vor sich hindümpelt und im Schlussdrittel allzu fröhlich plumpem Fäkalhumor frönt:
Letztlich ist das trotzdem eine flotte Ablenkung von der grausligen Politrealität da draussen.