Ein Mädchen verschwindet

Tatort Flugzeug: Der deutsche Jungregisseur Robert Schwentke legt mit dem wendungsreichen und spannungsgeladenen Thriller «Flightplan» ein nicht uncleveres Hollywood-Debüt vor.

 

von Sandro Danilo Spadini

Okay. Das ist ja vielleicht schon ein Flieger von monströser Grösse, aber was die fesche Flight-Attendant da ins Mikrofon flötet, verblüfft dann doch ein wenig: «Meine Damen und Herren, es scheint, unser Flugzeug ist gross genug, dass darin ein kleines Mädchen verloren gehen konnte.» Donnerwetter aber auch! Und dann ist besagtes Mädchen erst noch die Tochter jener Frau, die diesen Riesenvogel konstruiert hat. Kann natürlich kein Zufall sein, denkt sich der geneigte Betrachter, fragt sich mit der Zeit aber, ob das womöglich nur eine wohlfeile Drehbuch-Ausrede dafür ist, dass Frau Mutter auf der Suche nach ihrem verlorenen Schatz jede Eventualität einzukalkulieren versteht. Zupass kommen diese Insiderkenntnisse der von Jodie Foster mit vertrauter Leidensmiene verkörperten Ingenieurin Kyle Pratt (komischer Name für eine Frau, doch wurde der Part halt einst für Sean Penn geschrieben) umso mehr, als sich die Crew um Captain Rich (Sean Bean) nicht übermässig kooperativ zeigt. Dies indes aus gutem Grund, zumal alles darauf hinzudeuten beginnt, dass sich das Töchterchen gar nie an Bord befunden hat. Und den rüstigsten psychischen Eindruck macht Kyle ohnehin nicht, ist sie doch gerade dabei, den Leichnam ihres Gatten von Berlin nach New York überzuführen. Für den undurchsichtigen Flugmarschall (Peter Sarsgaard) ist es denn auch ganz unstrittig, dass die mit hysterischen Aktionen und haltlosen Verdächtigungen die über 400 Fluggäste allmählich in Aufruhr versetzende Jungwitwe ob dieses Schicksalsschlags traumatisiert ist und von nie geschehenen Dingen halluziniert.

Souverän und routinemässig

Kurz nach Wes Cravens kompaktem Fiesling «Red Eye» hebt nun also mit «Flightplan» bereits der nächste Flugzeugthriller ab, dem es weniger um die actiongeladene Material- als vielmehr um die psychologische Nervenschlacht auf engstem Raum geht. Es ist dies der erste amerikanische Film des 37-jährigen deutschen Regisseurs Robert Schwentke, der mit dem virtuos inszenierten Schocker «Tattoo» sein Ticket nach Hollywood gelöst hat. Im Gepäck hat der Neuankömmling einige wenige reizvolle Einfälle und ziemlich viele nicht ganz so revolutionäre Ideen, die eigentlich bereits beim Check-in von der internationalen Plagiats- und Originalitätsstelle hätten beschlagnahmt werden können. Zu grämen braucht man sich darob freilich nicht gar so sehr, hält Schwentke seinen nicht nur wegen der Hauptdarstellerin und deren (Mutter-)Rolle an David Finchers «Panic Room» erinnernden Film manchem Luft-, Logik- und Spannungsloch zum Trotz grosso modo sicher auf Kurs: Dem bisweilen drohenden Klischee-Crash vermag er mit Last-Minute-Manövern auszuweichen, vermeintlicher Vorhersehbarkeit trotzt er mit überraschenden Wendungen, und am Ende holt er seinen mit Bildgewalt und formalen Kunststücken protzenden US-Box-Office-Überflieger wohlbehalten auf den Boden zurück. Einen Tropfen Wermut in den schmackhaften und gut bekömmlichen Erfrischungsdrink jubelt einem einzig der ansonsten zuverlässige Peter Sarsgaard unter, der so verschlafen daherkommt, als leide er unter einem massiven Jetlag.

Solides Handwerk

Ansonsten aber darf sich Schwentke auf eine stilsichere Crew verlassen, die mit solidem Handwerk aufwartet. So etwa auf Kameramann Florian Ballhaus, der sich von seinem berühmten Vater Michael ein paar für das freudige Auskundschaften des fliegenden Sets überaus nützliche Kniffe abgeguckt hat. So aber auch das Drehbuchautoren-Team mit Debütant Peter A. Dowling und Billy Ray, der unlängst mit dem von ihm selbst inszenierten Journalistenthriller «Shattered Glass» aufhorchen liess; ihrem nicht unclever die Ausgangslage des Hitchcock-Klassikers «The Lady Vanishes» variierenden Drehbuch ist wohl die Realitätsnähe, gewiss aber nicht der Sinn für stimmig komponierte, notabene ohne Überschallgeschwindigkeit auskommende Popcorn-Unterhaltung abzusprechen. Entsprechend wird auch die bange Frage, ob Schwentke und Co. nach dem ersten grossen Wendepunkt in der Mitte des Films noch was in der Hinterhand haben, mit einem herzhaften Ja beantwortet. Und deshalb hat sich Käptn Schwentke den abschliessenden Applaus für den letztlich souverän gemeisterten Jungfernflug durchaus verdient.