von Sandro Danilo Spadini
Was für eine wahrhaft wohltätige Erfindung das doch wäre: eine Maschine, die mittels partieller Gehirnwäsche unliebsame und schmerzhafte Erinnerungen an traumatische Ereignisse, an demütigende
Niederlagen und vor allem an verflossenes Liebesglück zu löschen im Stande ist! Derweil wir Menschen in der realen Welt uns noch immer dem quälend langwierigen Prozess der
Vergangenheitsbewältigung stellen und das Vergessen mit Hilfe konservativer Mittel wie exzessivem Drogen- und Alkoholkonsum suchen müssen, haben es die unfrohen Gestalten im durch und durch selt-
und wundersamen Universum des Charlie Kaufman besser. In dieser Welt gibt es nämlich einen gewissen Dr. Mierzwiak (Tom Wilkinson), der der Menschheit und seinem Bankkonto Gutes tun wollte und
eine ebensolche Maschine erfunden hat. Überraschen kann solches freilich nicht. In der Welt des Charlie K. gibt es schliesslich auch die Möglichkeit, in den Kopf eines Schauspielers einzudringen
(«Being John Malkovich»), landesweit bekannte Fernsehmoderatoren, die nebenbei für die CIA killen («Confessions of a Dangerous Mind»), oder mordende Orchideendiebe («Adaptation»).
Ausradiert, gestrichen, gelöscht
Charlie Kaufman ist von Beruf Drehbuchschreiber und in dieser Funktion verantwortlich für drei der aussergewöhnlichsten Filme der letzten Jahre. Mit «Eternal Sunshine of the Spotless Mind» legt er nun sein
bisher ernstestes und alles in allem bestes Skript vor. Unter der Leitung des französischen Videoclip-Regisseurs Michel Gondry, mit dem Kaufman bereits bei seinem bis dato einzigen Flop «Human
Nature» kooperiert hat, ist eine trotz allem im Grunde banale und gerade deshalb zu Herzen gehende Liebesgeschichte von trauriger Schönheit, Wahrhaftigkeit und Klugheit entstanden. Jim Carrey
spielt darin den introvertierten Durchschnittstypen Joel, der mit der impulsiven Buchhändlerin Clementine (Kate Winslet) liiert ist. Als das in Fällen von sich meist eben nur temporär anziehenden
Gegensätzen fast Unvermeidliche eintritt und die wankelmütige und mittlerweile gelangweilte Clementine ihrem vormals Liebsten den Laufpass gibt, liegt Joels kleine Welt in Trümmern. Umso
peinigender ist der Schmerz, da Clementine ihn nicht einmal mehr zu erkennen, ihn bereits aus ihrem Gedächtnis gelöscht zu haben scheint. Scheint? Nichts da. Buchstäblich ausradiert hat sie ihn,
gestrichen aus ihren Erinnerungen, gelöscht mit Hilfe von Dr. Mierzwiak und dessen Team (Mark Ruffalo, Elijah Wood, Kirsten Dunst). Ob dieser Ungeheuerlichkeit noch tiefer verletzt, beschliesst
Joel, es Clementine gleichzutun und sein Gehirn ebenfalls teilweise waschen zu lassen. Mitten in der Prozedur erkennt er jedoch, dass er den Verlust sämtlicher Erinnerungen an seinen gefallenen
Engel noch viel weniger verkraften kann, was in seiner Gedankenwelt ein heilloses Chaos auslöst, das ein ums andere Mal in einer halsbrecherischen wie aussichtslosen Flucht vor dem virtuellen
Radiergummi mündet.
Alles perfekt
«Selig sind die Vergesslichen, denn sie werden auch mit ihren Dummheiten fertig»: Dieses Nietzsche-Zitat dient «Eternal Sunshine...» gleichsam als Leitmotiv. Gleichwohl bleiben derart explizit
philosophische Exkurse letztlich die Ausnahme; vielmehr gestaltet sich der Umgang mit dem Thema meist mehr spielerisch, wobei sich die Spiellust der beiden offenbar «verbesserlichen» Kindsköpfe
Kaufman und Gondry dieses Mal in adäquaten Grenzen hält. Immer wieder mit komischen Elementen gebrochen, den nötigen Ernst aber niemals vermissen lassend, trifft diese skurrile wie tragische
Liebesgeschichte jederzeit den richtigen Ton. Und auch der Rest passt: Gondrys teils naturalistische, teils dem Fantastischen verhaftete Bildsprache, die (nichtchronologische) Erzählstruktur, Jim
Carreys lakonisches und Kate Winslet leidenschaftliches Spiel – alles perfekt. Kurzum: «Eternal Sunshine...» ist mit der beste Film, der je über die Qual des Liebesverlusts gedreht wurde –
pointiert, intelligent, federleicht und bleischwer zugleich, leicht konsumierbar und dennoch eine bleibende Erinnerung hinterlassend und, jawohl, realistisch. In einer gerechten Welt müsste
dieses Meisterwerk mit Preisen überhäuft werden. Doch gerecht ist nicht einmal die Welt des Charlie Kaufman, wie der nur leidlich versöhnliche Schluss des Films zeigt.