Sag mir, wo die Revoluzzer sind

Der bald 77-jährige Robert Redford legt mit dem starbestückten Polit-Thriller «The Company You Keep» eine unverschämt gut ausschauende grosse amerikanische Geschichte vor.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wir haben Fehler gemacht. Aber wir hatten recht», sagt die offenkundig nicht so brave Vorortshausfrau Sharon (Susan Sarandon) zum Reporter Ben (Shia LaBeouf). Sie sagt das über ihre Zeit als militante Politaktivistin in den Siebzigern, und sie tut es in einem Verhörraum des FBI – rund 30 Jahre nach jenem fatalen Banküberfall, bei dem sie und ihre Freunde vom revolutionären Weather Underground einen Wachmann töteten. Diese ganzen 30 Jahre stand ihr Name auf der «Most Wanted»-Liste der Bundespolizei, derweil sie ein bürgerliches Leben in Vermont führte. Jetzt aber ist sie von der Vergangenheit eingeholt und an einer Tankstelle verhaftet worden. Rechtfertigen gegenüber dem Volk will sie sich zwar selbst; verteidigen gegen den ehedem so verhassten Staat soll sie aber der drüben in Albany wirkende Bürgerrechtsanwalt Jim (Robert Redford). Doch der will das nicht, darf das nicht, kann das nicht. Denn Jim heisst eigentlich Nick und ist ein einstiger Mitstreiter von Sharon. Und das weiss jetzt auch der aufsässige Ben, der trotz Zeitungskrise wie ein kleiner Bob Woodward recherchiert hat. Zum Glück für Jim/Nick hat das von Terrence Howard und Anna Kendrick angeführte FBI da noch einen gewissen Wissensrückstand. Das gibt ihm nun einen kleinen Vorsprung.

Der Generationenkonflikt

Es ist eine Paraderolle, in der sich Robert Redford in «The Company You Keep» nach sechsjähriger Leinwandabstinenz inszeniert: jene des integeren Liberalen, der womöglich gar nicht so schwere Schuld auf sich lud. Freilich böte sich hier für ihn noch ein zweiter Part an. Doch für die Rolle des investigativen Journalisten in Jeanshemd und Sportsakko ist der bald 77-Jährige nun wohl doch zu alt – auch wenn er es sich nicht nehmen lässt, hier den virilen Witwer und modernen Alleinerzieher zu geben, der sein Töchterchen vor der Flucht quer durch die USA noch rechtzeitig beim Bruder (Chris Cooper) in New York unterbringt. Ohnehin taugt Ben nur vordergründig als Reminiszenz an klassische Redford-Rollen. Schliesslich wird er von Shia LaBeouf treffsicher als Vertreter einer Generation präsentiert, der mehr an Professionalismus als Idealismus gelegen ist. Folglich entbrennt gerade an ihm der Appell gegen das Apolitische, Apathische, bisweilen Arrogant-Ignorante und die Enttäuschung von Redfords Generation über das Ausbleiben einer zweiten amerikanischen Revolution. Für Gegenargumente hat es hier indes stets ebenso Platz. So wird quasi zu Bens Verteidigung denn auch schonungslos das terroristische Tun thematisiert, dem sich der real existierende Weather Underground nach dem Ende des Vietnamkriegs zuwandte. Und gewissenhaft wägt Redford den Konflikt ab zwischen politischer und privater Verantwortung und die alte Frage, ob das Über-Bord-Werfen seiner Ideale Teil des Erwachsenwerdens ist.

Eine reiche Reise

Wenn er darüber sinniert, hat sich die anfangs so zügige Geschichte längst verlagert. Die Reise geht nun zu Ende. Der Schleier von Melancholie, Geheimnis und Gefahr lüftet sich allmählich. Das FBI ist zwischenzeitlich von der Bildfläche verschwunden. Alte Wegbegleiter wie Nick Nolte, Richard Jenkins und Brendan Gleeson sind gekommen und gegangen. Jungstar Brit Marling wird spät zur Schlüsselfigur. Und Redford ist nun draussen in der Natur. Wie so oft in den letzten Jahren: wie in «An Unfinished Life», in «The Clearing», in «The Horse Whisperer». Und wie bald wieder im Ein-Mann-Stück «All Is Lost» und seiner nächsten Regiearbeit «A Walk in the Woods». Und da sitzt er nun in einer Hütte im Wald am Kaminfeuer und diskutiert mit Julie Christie – welch Cineasten-Romantik! – über das Leben. Was jetzt zählt, ist nicht länger das Heute, sondern das Gestern. Was jetzt zählt, sind nicht die Taten, sondern die Menschen. Ein Thriller ist das nun kaum mehr. Viel Nervenkitzel gibt es nicht mehr. Aber eine grosse amerikanische Geschichte und ein unverschämt gut ausschauender Film ist das immer noch. Denn er hat Klasse. Stil. Eleganz. Würde. Charakter. All das, was seit je auch seinen Regisseur und Hauptdarsteller auszeichnet. Und deshalb ist «The Company You Keep» nicht zuletzt eine Erinnerung daran, was wir noch immer an dem Kino-Titanen Robert Redford haben.