Nur das Lagerfeuer knistert

Das Survival-Drama «The Mountain Between Us» ist eine ziemliche Bruchlandung – weil sein Skript selten Sinn ergibt und die vermeintliche Traumbesetzung nicht funktioniert.

 

von Sandro Danilo Spadini

Keine Frage: Kate Winslet ist eine wundervolle Schauspielerin, eine der wundervollsten überhaupt und zu Recht allseits geliebt und vielfach geehrt. Und Idris Elba ist ebenfalls ein überaus grossartiger Mime, so grossartig, dass er mit Fug als erster schwarzer Bond gehandelt wird. Winslet und Elba also zusammen in einer dramatischen Romanze – das müsste doch ein Fest der sprühenden Funken werden. Es sei denn freilich, die Herren Hany Abu-Assad und J. Mills Goodloe haben da etwas zu sagen. Das sind die beiden Männer, die als Regisseur und Drehbuchautor das Überlebenskampf-Drama «The Mountain Between Us» verantworten und Winslet und Elba dort auf einen Irrweg ohne Sinn und Charme schicken.

«Hallo, hört mich jemand?»

Winslet spielt in dieser Bruchlandung von einer Romanadaption die amerikanische Fotojournalistin Alex, Elba den britischen Neurochirurgen Ben. Man trifft sich am Flughafen in Boise, Idaho. Ein Sturm wütet, alle Flüge sind gestrichen, alle Mietwagen schon weg. Das ist ungünstig, denn Alex sollte am nächsten Morgen in Denver heiraten, Ben in Baltimore einen Zehnjährigen operieren. Ergo spricht sie ihn an – aus Gründen, die alles andere als logisch zwingend erscheinen (was aber wenigstens wegweisend ist für das Weitere). «Ich habe eine Idee», platzt es aus ihr, der Patenten, heraus. Und das ist: eine Zweitmotorige mieten für 800 Dollar. Klar, kann man natürlich machen, zumal deren Pilot (Beau Bridges) null beeindruckt ist vom Sturm: Er sei – was sonst? – schliesslich in Vietnam geflogen. Nützt ihm nun aber auch nichts, als er über der Wildnis von Utah eine Herzattacke kriegt. Die Maschine kracht auf einen Berggipfel, der Pilot tot, Alex k.o. und am Bein verletzt, Ben leicht versehrt und der mitgereiste Hund recht fidel. (Ja, es ist da auch ein Hund dabei, aber lassen wir das.) Nach 36 Stunden Tiefschlaf gehts Alex wieder gut oder so gut es einem eben geht, wenn man mit einem Arzt einen Flugzeugabsturz meistern darf. Sie tritt aus dem Wrack, sieht Berge und Schnee, so weit das Auge reicht, und ruft gen Himmel: «Hilfe! Hört mich jemand?» «Äh nein, eher nicht», möchte man zurückrufen, ist dann aber doch zu beschäftigt damit, sich auszumalen, wie zur Hölle in dieser Situation eine Liebesgeschichte aufgezogen werden soll; zumal die beiden ja nicht nur verletzt und verloren, sondern auch verlobt und verheiratet sind. Die Antwort: mehr schlecht als recht. Und nein: Der Hund hilft auch nicht.

Einmal Puma, bitte!

In Konstellationen wie diesen lebt ein Film von zwei Dingen: der Chemie zwischen den Stars und den Naturaufnahmen. Alles andere, der ganze Überlebenskampf – ob zu Berg oder auf See –, ist derart oft gezeigt worden, da gibt es kaum mehr Neues herauszuholen, abgesehen vielleicht vom Tier, das kurz vor dem Hungertod verzweifelt verspeist wird (hier ists ein Puma). Nun, die Naturaufnahmen von Mandy Walker sind nicht ohne, wiewohl bisweilen, wenn ihre Kamera selig über das Panorama segelt, etwas sehr pittoresk. Atmosphäre kriegt der Film trotzdem kaum rein, was unter solch hermetischen Bedingungen eigentlich nicht so schwer wäre; da fehlt es Regisseur Hany Abu-Assad, der einst mit dem Palästinenserdrama «Paradise Now» begeisterte, einfach an Gespür für Timing und Setting. Immerhin bringt er es dank dosiertem Nervenkitzel aber fertig, dass man sich ein bisschen dafür interessiert, ob es die beiden am Ende schaffen werden. Dies, obwohl es zwischen Winslet und Elba atmosphärisch (oder eben chemisch) noch weniger stimmt. Da knirscht zwar stets der Schnee unter ihren Füssen; aber das Einzige, was knistert, ist dann das Lagerfeuer. Den beiden ist das aber nur unter Vorbehalt zu verargen, legt ihnen doch das Drehbuch, bei dem Chris Weitz («About a Boy») nachbessern musste, nichts auf ausser schalem Palaver und lahmen Scherzen. Und die Figurenzeichnung hat so wenig Sinn wie der Plot. Weshalb etwa sollte ein edles Gemüt wie Alex ohne jede Not ihren Leidensgenossen ausspionieren und sein intimstes Geheimnis hervorgrübeln? Und muss man erwähnen, dass man die Auflösung dieses Geheimnisses trotz Schneegestöber schon hat kommen sehen, als die beiden noch den Puma würzten? Kaum. Aber vielleicht noch dies: Einen Hund auf den Namen «Hund» zu taufen, ist nicht der taufrischeste aller Gags. Und einen derart langen, dermassen unnützen Epilog an ein Survival-Drama dranzuhängen, ist dramaturgisch extrem unpraktikabel. Aber es mussten hier noch ein paar letzte Lebensweisheiten verstaut werden. So stellen sich einem halt noch einmal die Nackenhaare kurz auf, und dann haben auch wir es überlebt.