Frau Fosters fragwürdiger Einsatz in Manhattan

In Neil Jordans Selbstjustiz-Thriller «The Brave One» brennen nicht nur bei der traumatisierten Jodie Foster die Sicherungen durch, sondern am Schluss auch bei den Filmemachern.

 

von Sandro Danilo Spadini

Es gibt Filme, die sich etwa dank eines denkwürdigen Abschlusskommentars auf den allerletzten Zelluloid-Metern dermassen steigern, dass sie trotz durchwachsenen Laufs am Ende doch noch als strahlende Sieger über die Ziellinie gewinkt werden können. Der Selbstjustiz-Thriller «The Brave One» des irischen Meisterregisseurs Neil Jordan ist kein solcher Film – er ist vielmehr das Gegenteil davon. Denn was auf eine differenzierte oder gar halbwegs philosophische Debatte zum Thema höhere Gerechtigkeit hoffen lässt, landet aufgrund eines ideologisch befremdlichen und als Konzession an den wenig reflektierten Teil des Mainstream-Publikums zu wertenden Finales letztlich auf dem Niveau einer übel üblichen Charles-Bronson-Rachefantasie – mit dem kleinen Unterschied, dass es hier eine Frau ist, die rot sieht.

Blick auf New York

Dieser oberlippenbartlose Mensch heisst Erica Bain und wird verkörpert von einer im Kampflesben-Look durch Manhattan stapfenden Jodie Foster. Erica ist Host einer Radio-Talkshow, in welcher sie einen nostalgischen Blick auf ihr «im Verschwinden befindliches» New York wirft, «die sicherste Grossstadt der Welt». Just an einem der schönsten Flecken New Yorks ist Erica jüngst jedoch Schreckliches widerfahren: Auf einem Abendspaziergang durch den Central Park werden sie und ihr Verlobter (Naveen Andrews aus «Lost») Opfer eines so sinnlosen wie brutalen Überfalls, der ihren Zukünftigen das Leben und sie selbst den Verstand kostet. Unzufrieden mit den folgenden Polizeiermittlungen, beschliesst Erica, die Sache in die eigene Hand zu nehmen, und taumelt mit illegal erworbener Faustfeuerwaffe traumatisiert durch die ihr nun so bedrohlich erscheinende Stadt, wo sie alles Niederträchtige ausmerzt, was Giuliani und Bloomberg durch die Lappen gegangen ist. Die Presse ist im Nu in heller Aufruhr, was wiederum die Polizei, namentlich den zuständigen Detective Mercer (Terrence Howard), gehörig unter Druck setzt. Ohne es zu wissen, wäre Mercer freilich der Lösung des Falls schon längst nahe. Mit Erica macht er nämlich bereits am zweiten Tatort Bekanntschaft, gibt ihr ein Interview für ihre Radiosendung und freundet sich schliesslich sogar mit ihr an.

Unerfüllte Hoffnung

Es sind diese Szenen mit Foster und Howard, die einen Grossteil des Reizes von «The Brave One» ausmachen. Foster zuzuschauen, tut indes fast schon weh; abgemagert und immer leicht zitternd, geht die zweifache Oscar-Preisträgerin in einer ihr abermals auf den Leib geschriebenen Rolle wieder mal an die Grenze des schauspielerisch Möglichen und erreicht ein Mass an Glaubwürdigkeit, für das andere real morden würden. In kaum etwas nach steht ihr der aus dem grossartigen Hip-Hop-Film «Hustle & Flow» bekannte Terrence Howard, der mit grosser Leichtigkeit ebenso grosse Gravitas erreicht und den richtigen Draht zu Foster findet. Erleichtert wird das Zueinanderfinden der beiden Stars von der in ruhigem Tempo gehaltenen Inszenierung Neil Jordans. Unter spärlicher, der Steigerung der ohnehin dichten Atmosphäre dienlicher Ausleuchtung lässt er die Kamera durch ein gleichsam anachronistisch rau erscheinendes New York schleichen und immer wieder verweilen. Wiewohl die Post-9/11-Paranoia nicht ganz greifbar gemacht wird, vermittelt diese wachsame Langsamkeit einen lebendigen Eindruck der Stadt, führt jedoch spätestens dann zu einigen Längen, wenn Erica daheim bei der mehr traditionellen Trauerarbeit beobachtet wird; in diesen Szenen fällt weder Drehbuch noch Regie wirklich Zeigenswertes ein. Zu einfach hat man es sich auch bei der Zeichnung der Opfer von Ericas Amoklauf gemacht. Sie werden eindimensional als elende Widerlinge gezeigt, als menschlicher Abschaum, der es vermeintlich verdient, ohne auch nur einen kurzen Prozess abgeknallt zu werden. So soll wohl das Publikum ermutigt werden, Ericas Akt des Wahnsinns, an dem die Regie sich wenigstens nicht über Gebühr weidet, als Stadtqualität fördernde Säuberungsaktion zu billigen. Genährt durch einzelne kritische Einsprengsel und eingedenk der andernorts hinreichend bewiesenen Intelligenz des Regisseurs hegt man gleichwohl bis zum Finale die Hoffnung, es möge hier noch Vernunft einkehren. Denn die Hoffnung stirbt ja zuletzt. Aber eben: Sie stirbt. In diesem Fall wird sie erschossen von Jodie Foster.