Decodierte Gralsjagd

Ron Howards sich strikt an die Vorlage haltende «Da Vinci Code»-Verfilmung erfüllt auf unspektakuläre Weise sämtliche Erwartungen – meist im positiven, vereinzelt aber auch im negativen Sinne.

 

von Sandro Danilo Spadini

Die Geheimnistuerei um die Verfilmung des Megabestsellers «The Da Vinci Code» nahm am Ende ja geradezu groteske, nervige und lächerliche Züge an. Die Filmrollen wurden gehütet wie der Heilige Gral, mittels kleinster Schnipsel wurden Spuren und falsche Fährten gelegt, und jede noch so belanglose Bekanntmachung nahm Züge eines Staatsakts an. Wie leutselige Plaudertaschen nahmen sich im Vergleich zu den Filmverantwortlichen da die Mitglieder der Prieuré de Sion aus. Nun, endlich, ist der ganze Zirkus vorbei. Jetzt zählen keine vollmundigen Vorankündigungen, keine pompösen PR-Vorschauen und keine lustfördernden Vorabhäppchen mehr. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen: Ab heute darf das von Regisseur Ron Howard gefertigte Ergebnis in den Lichtspielhäusern begutachtet werden. Und auf eines kann sich Howard gefasst machen: Es wird ganz genau hingeschaut werden. Schliesslich geht es hier nicht um die Adaption eines Stoffes, mit dem bloss ein kleiner Haufen verschrobener Literaturinteressierter vertraut ist. Es ist dies vielmehr die mit Samthandschuhen und Fingerspitzengefühl anzugehende Transponierung eines in den Köpfen von 300 Millionen Menschen herumspukenden Phänomens von einem Medium in das andere.

Hohe Originaltreue

Auch wenn Dan Browns Vorlage bei allen kompliziert-wortreichen und daher wenig kinotauglichen Verschwörungsschwadronierens oft gleichsam filmische Mittel verwendet und so manchen Steilpass für eine spätere Kinoversion geliefert hat, bleibt ein solches Unterfangen ein kritisches. Da geht man schon lieber mal auf Nummer sicher: Man engagiert den mehrheitsfähigen Allerwelts-Superstar Tom Hanks für die Rolle des Symbologen Robert Langdon, die allseits geliebte Audrey Tautou als Polizeikryptologin Sophie Neveu, den viel beschäftigten Charaktermimen Ian McKellen als kauzigen Gralsjäger Sir Leigh Teabing und natürlich den quasi für Polizistenparts lebenden Jean Reno als Inspektor Bezu Fache. Und man holt sich mit Ron Howard einen Regisseur ins Boot, der sattsam bewiesen hat, dass seine Filme unter Achtung eines gewissen Niveaus so richtig Kasse machen können. Howard ist der Mann, den man ruft, wenn man einen qualitativ hochwertigen Streifen haben will – nichts Spektakuläres, nichts Ausgefallenes, nichts Monumental-Meisterhaftes. Denn Howard ist ein Mann, auf den man sich verlassen kann, der unkompliziert Ergebnisse liefert, sich an Vorgaben hält und kein Problem damit hat, sein Ego zugunsten des Ganzen zurückzustellen. So auch beim Entschlüsseln des Da-Vinci-Codes. Sachlich routiniert, meist zum richtigen Zeitpunkt auch mal auf die Bombast-Tube drückend, spult Howard das Pflichtprogramm ab, rattert unter Vermeidung jeglicher Spannungslöcher den mörderischen Dan-Brown-Highway runter und umkurvt auch die dialogintensiven und ausführungsbedürftigen Passagen des Verschwörungsthrillers mittels exzessiver Rückblendenuntermalung recht souverän. Auf der Strecke bleibt dabei freilich die inszenatorische Kür. Etwas zum Zungeschnalzen hat Howard nämlich nicht in den Volvo-Kofferraum gepackt; die gewagtesten visuellen Spielereien, mit denen er aufwartet, haben bereits in seinem Oscar-gekrönten Hit «A Beautiful Mind» ihren Dienst erfüllt. Auch auf Handlungsebene wollte Howard – verständlicherweise – nichts Verrücktes wagen. Sich künstlerische Freiheiten nehmen und fröhlich umgestalten und umakzentuieren ist seine Sache nicht und bliebe aufgrund des Bekanntheitsgrads der Vorlage ohnehin tabu. Originaltreue heisst zur Freude der millionenköpfigen Roman-Fangemeinde das Schlüsselwort. Die bei Literaturadaptionen immer notwendigen Kürzungen und Abkürzungen fallen derweil kaum ins Gewicht – und das ist angesichts der doch recht hohen Komplexität der Vorlage durchaus ein kleines Kunststück, auf das Howard und Drehbuchautor Akiva Goldman (ebenfalls «A Beautiful Mind») stolz sein dürfen.

Keine Verschnaufpause

Weniger kunstvoll ist demgegenüber das, was die Darsteller abliefern. Gerade zwischen Hanks und Tautou stimmen Chemie, Dosierung und Abstimmung nicht. Die Dialoge wirken teils holprig («Grosser Gott, das wird doch nicht...), das Zusammenspiel bleibt mitunter hölzern, die Augen werden gerne mal ganz gross, und der Mund bleibt bisweilen gar lange offen. Allzu zerstörerisch wirkt sich dies – auch dank schauspielerischer Highlights von Sir Ian McKellen und Paul Bettany (als Albinomönch Silas) –  indes nicht aus, bleibt doch auch in der zwar vergleichsweise trockenen, nichtsdestotrotz aber packenden Filmfassung kaum Zeit zum Verschnaufen und Nachdenken. Die Aufmerksamkeit gilt voll und ganz der nun auf ein Neues zu hitzigen Diskussionen Anlass gebenden Geschichte. So wie das der buchstäblich im Hintergrund wirkende Ron Howard wohl gewollt hat.