Sling Blade

 

Es gibt da diese hübsche Geschichte hinter dem Regiedebüt von Billy Bob Thornton, das ihm 1997 den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch und eine Nominierung als bester Hauptdarsteller eingebracht hat. Kein Geringerer als Billy Wilder soll es gewesen sein, der dem jungen Kellner Thornton an einer Cocktailparty geraten hat, er solle doch ein seine speziellen Qualitäten betonendes Drehbuch für sich selbst schreiben, weil er eh zu hässlich sei, um es als Schauspieler zu packen. Der bissige österreichische Regiegott mochte sich später zwar nicht mehr an das Gespräch erinnern, fand es aber leiwand, dass der junge Herr seinen Ratschlag offenbar befolgt hatte, und lud ihn zu sich heim ein. Was auch immer Wilder und Thornton da wiederum besprochen haben: Allzu viel kann beim Texaner freilich nicht haften geblieben sein – «Sling Blade» sollte jedenfalls nicht nur Thorntons erster grosser Regiewurf gewesen sein, sondern auch sein letzter.

Adaptiert hat Thornton dieses Drama von seinem eigenen Ein-Mann-Theaterstück, das er bereits über ein Jahrzehnt zuvor erstmals aufgeführt hatte und das auch bereits in Form eines Kurzfilms realisiert worden war. In behutsamem Tempo und in langen Einstellungen, quasi auf Zehenspitzen und mit viel Fingerspitzengefühl, erzählt es von Karl Childers, einem geistig zurückgebliebenen Mann mittleren Alters, der als 12-Jähriger seine Mutter und deren Liebhaber mit einer Rasenmäherklinge («sling blade») umgebracht hat und seither in Arkansas in einer Psychiatrischen Anstalt für Straftäter sein Dasein fristet. Als er auf freien Fuss gesetzt wird, kehrt er in die wirtschaftlich gebeutelte und auch sonst eher trostlose Kleinstadt seiner Kindheit zurück: ohne Geld und ohne einen Ort zum Wohnen. Was ihn in seiner Heimat erwartet, ist dann aber eine bemerkenswert vorurteilsfreie Nächstenliebe, die nicht nur in einem Job als Mechaniker mündet, sondern auch in der Freundschaft mit dem 12-jährigen Frank (Lucas Black), der seine Mutter Linda (Natalie Canerday) überredet, Karl bei ihnen zu Hause willkommen zu heissen. Mit dem Einzug in die Garage kündet sich allerdings auch bereits das grosse Unheil an, das sodann dezent ominös über dem in Zeitlupe eskalierenden Geschehen hängt: Lindas hinterwäldlerischer Partner Doyle (Countrystar Dwight Yoakam), ein trunksüchtiger Raufbold, hat es sich vorgenommen, nicht nur dem seiner Meinung nach verweichlichten Frank, sondern jetzt auch dem ihm unheimlichen Karl den Tarif durchzugeben – mit Psychoterror und notfalls auch mit den Fäusten. Die Katastrophe ist in dieser Parabel um Gut und Böse, dieser so überaus reich mit Witz und Wärme, Schmerz und Schönheit ausgestatteten Südstaaten-Geschichte mithin programmiert, und trotzdem hält sie einen jederzeit bei der Stange, ja bisweilen gar in Atem: dank einer überragenden Performance nicht nur, aber zuvörderst von Billy Bob Thornton und einer Paradeleistung des «Southern Storytelling», wie es die «Washington Post» genannt hat.