von Sandro Danilo Spadini
Walt Koontz (Robert De Niro) und Rusty (Philip Seymour Hoffman) sind Nachbarn wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. In Appartement 3E der kernige Ex-Polizist mit einer Vorliebe für Tango
und in 4B der schrille Transvestit, der mit seinen ausgeflippten Freunden rauschende Feste bis in die Morgenstunden zu feiern pflegt. Kein Wunder also, dass sich die beiden ständig in den Haaren
liegen. Als Rusty jedoch Ärger mit dem örtlichen Gangsterboss bekommt, eilt Walter nichtsdestotrotz zu Hilfe – und erleidet bei seiner heroischen Rettungsaktion einen Schlag, von welchem er eine
halbseitige Lähmung und einen Sprachfehler davonträgt. Auf Anraten seines Therapeuten entschliesst sich der auch mental arg angeschlagene Walt seiner Gesichtslähmung wegen, Gesangsunterricht zu
nehmen. Da er mit seinem Handicap nicht umzugehen weiss und jeglichen Kontakt zur Aussenwelt abbricht, kommt als Lehrer nur einer infrage: sein Nachbar Rusty. Die gegenseitige Abneigung scheint
zwar zunächst ein unüberbrückbares Hindernis zu sein, doch parallel zu Walts Fortschritten bröckelt mit der Zeit auch die Mauer der Vorurteile. Eine neue Idylle will in dem heruntergekommenen
Wohnhaus dennoch nicht einkehren, zumal Gangsterboss Mr. Z immer noch auf der Suche nach seinem verschwundenen Geld ist.
Stilsichere Balance
Plädoyers für mehr Toleranz arten im hollywoodschen Kino nicht selten zu von Schmalz triefenden Schmonzetten aus. Zwar werden auch in «Flawless» nicht alle Klischees ausgelassen, doch gelingt
es Schumacher auf leichtfüssige Art seinen Protagonisten Konturen zu verleihen. In den bald schreiend komischen, bald herzergreifend rührenden Dialogen vollziehen der schnodderige Ex-Bulle und
die theatralische Drag-Queen einen wahren Seelenstriptease, wobei die Balance zwischen Tragik und Kitsch immer traumwandlerisch sicher gehalten wird. Dass der Absturz vermieden wird, liegt sicher
auch daran, dass Superstar Robert De Niro und Philip Seymour Hoffman, der dem cinephilen Publikum aus Filmen wie «Happiness» und «Boogie Nights» bekannt sein dürfte, eine Parforceleistung
abliefern.
Tragik und Komik
Ein heruntergekommenes Haus voller skurriler Bewohner – von seiner Grundkonstellation erinnert «Flawless» ein wenig an Wim Wenders «The Million Dollar Hotel». Im direkten Vergleich bleibt
Schumachers Tragikomödie klarer Punktsieger gegenüber Wenders‘ etwas lethargischem Bilderopus. «Flawless» ist witziger, tragischer, dramaturgisch besser und nicht zuletzt weit überzeugender
gespielt – eigentlich ein Werk, das man dem Routinier Schumacher gar nicht mehr zugetraut hätte. Mit «Flatliners» und «Falling Down» hatte er anfangs der Neunziger zwei grandiose Filme gedreht.
Danach setzte jedoch mit je zwei durchschnittlichen Batman- und Grisham-Verfilmungen der Abwärtstrend ein, welcher in dem stümperhaften Thriller «8 mm» seinen negativen Höhepunkt fand. Nun
also die abermalige Kehrtwende. «Flawless» heisst übersetzt so viel wie makellos, und genau solch ein Film ist Schumacher gelungen.