Eine Ode an die Presse – in sattem Surround-Sound

Spielberg! Streep! Hanks! Der Oscar-nominierte Medienthriller «The Post» ist Hollywood-Kino der kompetentesten Sorte – auch wenn er sich ein paar Fakten zurechtbiegen muss, um zu funktionieren.


von Sandro Danilo Spadini


Im Frühjahr 1971 spielte der Ex-Militäranalyst Daniel Ellsberg der «New York Times» die erste Tranche eines Geheimdokuments zum Vietnam-Krieg zu, das zeigte, dass vier US-Präsidenten über die Gründe für das Engagement in Südostasien gelogen hatten. Die Story Daniel Ellsbergs und der Pentagon Papers, sie ist Stoff für einen klassischen Hollywood-Film. Steven Spielbergs «The Post» ist dieser Film aber nicht. Zwar beginnt er mit Ellsberg (Matthew Rhys): 1966 in Vietnam, dann als brüskierter Berater von Verteidigungsminister Robert McNamara (Bruce Greenwood) und endlich als Friedensaktivist in der Dunkelheit am Fotokopierer. Aber Spielberg ist in seinem ausserplanmässig und recht zügig realisierten Film aus aktuellem Anlass ein anderer Aspekt hier wichtiger: der Kampf um die Publikation der Pentagon Papers, den die Presse gegen die Regierung von Richard Nixon ausfocht.

Straff und flüssig

«The Post» ist ein Manifest für die Pressefreiheit. Und eine Ode an die schreibende Zunft – selbstredend in sattem Surround-Sound; es schwingt hier schliesslich Spielberg den Taktstock. Die Helden in diesem heroischen historischen Kampf sind indes nicht die Pulitzer-prämierten Reporter der «New York Times»; es sind dies auch nicht so sehr die ihnen hinterherhechelnden Kollegen der «Washington Post» um den machohaft-meinungsstark gezeichneten Chefredaktor Ben Bradlee (Tom Hanks), die erst nach dem richterlichen Verbot der «Times»-Berichterstattung in die Bresche springen. Im Fokus steht mit der schusselig-unsicheren «Post»-Verlegerin Kay Graham (Meryl Streep) vielmehr eine unerwartete und eher unlogische Heldin, die kaum Spannendes tut und meist weit weg ist von der Action des verrauchten Newsrooms und der rasenden Reporter. Wenn er Graham in den für sie erniedrigenden Sitzungen zum Börsengang ihrer «Regionalzeitung» zeigt, will Spielberg eben auch dies noch erzählen: die Emanzipationsgeschichte einer Frau, die das Imperium des Vaters erst leiten durfte, nachdem sich ihr Mann umgebracht hatte. Eine Establishmentfigur mittleren Alters zur Kämpferin für Freiheit und Gleichheit zu stilisieren, der in einer garstigen Szene von ranzigstem Spielberg-Schmalz reihenweise Hippiemädchen entgegenschmachten, ist aber schlicht Unfug. Und es fügt sich auch schlecht in den sonst straffen Spannungsbogen des überaus flüssigen Films, der erfolgreich Genreklassikern wie «All the President’s Men» oder «Spotlight» nacheifert, wenn das Kind in Spielberg nicht gerade mit antiken Apparaturen, spionierenden Botenjungen und Playmobil-haften Hippies tändelt.

Überwältigende Streep

Passender und packender sind da Grahams Interaktionen mit ihrem Intimus McNamara und der Interessenkonflikt wegen ihrer Nähe zur Demokratischen Partei, dem auch ihr Chefredaktor Bradlee als dicker JFK-Kumpel ausgesetzt ist. Hier bremst Demokrat Spielberg aber gar früh ab. Derweil darf McNamara nach einer lauen Rechtfertigung der monströsen Lügen Kennedys und Lyndon B. Johnsons, die Abertausende mit dem Leben bezahlten, laut und lang über Nixon poltern – der in den Papers ja nicht belastet wird und der erst auf Drängen des Graham-Freunds Henry Kissinger deren Publikation bekämpfte. Das bleibt aber ebenso unerwähnt wie, dass «Post» und «Times» den Vietnam-Krieg bis dahin unterstützt hatten. Eine solche Faktengewichtung ist in Zeiten von Fake News natürlich problematisch. Aber dafür erfährt die US-Presse (und über Gebühr die «Post») in noblen und bisweilen arg hochtrabenden Reden über Demokratie und Verantwortung hier ganz viel Liebe. Und die sei ihr ja gegönnt, zumal sie angesichts all der dreckigen Feindseligkeit, die derzeit von ganz oben auf sie niederprasselt, Zuspruch nötig hat. Auch in Nixon hatte die Presse einen Feind, einen freilich, den sie sich ein Stück weit selber erschuf. So dringt hier öfters der abschätzige Dünkel durch, den die liberale Ostküsten-Medienelite Nixon seit je entgegenschleuderte. Das ist, wiewohl unfreiwillig, eine der spannendsten Seiten eines an spannenden Seiten nicht eben armen Films. Man hätte das alles gerne noch ein wenig vertiefter betrachtet gehabt, all die angeschnittenen politischen, gesellschaftlichen und journalistischen Konflikte. Und ganz sicher hätte man dem fantastischen Ensemble um die selbstverständlich überwältigende Meryl Streep noch ewig zuschauen können. Aber irgendwann muss Schluss sein: mit einem tobenden Nixon ab Tonband und einem gleichsam rechtfertigenden Ausblick auf Watergate: Diesen Skandal immerhin hat ja tatsächlich die «Post» aufgeklärt.