Wenn der Glaube Aktenberge versetzt

In «The X-Files: I Want to Believe» feiern die in Originalbesetzung antretenden TV-Agenten Mulder und Scully ein über weite Strecken gelungenes Comeback auf der grossen Leinwand.

 

von Sandro Danilo Spadini

Etwas mehr als sechs Jahre ist es bereits her, dass sich die FBI-Agenten Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson) nach fast einer Dekade der Ermittlungen an den mysteriösen X-Akten und nach stattlichen 201 Episoden vom Bildschirm verabschiedeten. Wenn die beiden nun auf die grosse Leinwand zurückgeholt werden, dürfen sie und die dafür Hauptverantwortlichen also anders als beim ersten «X-Files»-Film von 1998 von vornherein mit einem gewissen Nostalgiebonus rechnen. Und in der Tat überwiegt in «The X-Files: I Want to Believe» zunächst die Freude an dem mal ironisch, mal pathetisch und nicht immer sauber inszenierten Wiedersehen mit den alten Bekannten.

Das FBI ruft

In den Auftaktsminuten ist freilich noch keine der beiden TV-Ikonen im Bild. Gezeigt wird stattdessen vorab ein von einem offensichtlich verwirrten Kauz angeführter FBI-Suchtrupp, der über ein weitläufiges Schneefeld marschiert. Der Kauz (Billy Connolly) wird sich als wegen Pädophilie verurteilter Priester mit einem neu entdeckten Hang zu Visionen herausstellen, und eine ebensolche wird die Leute von der Bundespolizei gleich zu einem abgehackten Arm führen. Im Prinzip ist das zwar nicht wirklich das, wonach hier gesucht wurde, aber immerhin scheint zwischen der separierten Gliedmasse und dem prioritär behandelten Verschwinden einer FBI-Agentin eine Verbindung zu bestehen. Skepsis bleibt aber, und deshalb sind jetzt die Dienste des Überspezialisten für Übersinnliches gefragt. Fox Mulder hat sich nach seinem Rausschmiss beim FBI jedoch gänzlich zurückgezogen; wo er nun denn stecken mag, wird wohl nur eine wissen. Auftritt Dana Scully. Sie praktiziert mittlerweile als Ärztin und hat alles Übersinnliche ad acta gelegt. Nicht abgeschlossen hat sie indes mit Mulder, mit dem sie nunmehr Tisch wie Bett teilt. Ihn zu finden, ist für sie somit nicht so schwierig – er ist zu Hause. Grüss Gott, Herr Mulder. Ganz bärtig und biestig ist der jetzt, und dreinschauen tut er mehr denn je so, als ob er einen Kessel Ristretto und eine Kiste Red Bull nötig hätte. Lust, dem FBI zu helfen, hat er derweil keine. Doch die kommt schon noch. Und so sind sie bald wieder gemeinsam am Ermitteln und am Streiten, der Alien-gläubige Mulder und die rationale Scully. Auf feindselige Agenten werden sie treffen, auf halluzinierende Priester, auf schwule Russen und auf unentwegt bellende Hunde – doch notabene nur auf wenig Übersinnliches und Konspiratives.

Unspektakulär unterhaltend

Dass hier nicht die grosse Verschwörung aufgerollt wird, erstaunt freilich ein wenig, zumal die in den «X-Files» sonst so gerne praktizierten paranoiden Gedankenspiele im finsteren Bush-Zeitalter auf Top-Nährboden stossen würden. Doch der Plot bleibt bis zum Schluss vergleichsweise unspektakulär – wie auch der nichtsdestotrotz sehr wohl unterhaltende Film als Ganzes. Bei einem Budget von «nur» 35 Millionen Dollar haben die ganz fetten Action-Sequenzen offenbar ebenso wenig dringelegen wie die grossen Casting-Coups, was sich aber mitnichten störend auswirkt. Dies im Gegensatz zu der «kleinen Lösung» auf dem Regieposten. Den hat sich «X-Files»-Erfinder Chris Carter höchstselbst geschnappt, und dass dieser als einzige Regieerfahrung bloss einige Episoden seiner eigenen Serie vorweisen kann und ergo die letzten sechs Jahre nichts in dieser Richtung gemacht hat, ist dem Ergebnis leider schon oftmals anzumerken. So fallen etwa die Übergänge teils doch sehr ruppig aus und wirken bisweilen so, als ob Kinoneuling Carter jeweils mit den Kohärenz quasi überflüssig machenden televisionären Werbeunterbrechungen gerechnet hat. Obwohl er überdies auch handlungstechnisch patzt, indem er einem sich wiederholt als Spannungsbremse erweisenden Nebenhandlungsstrang mit Scully zu viel Gewicht schenkt, sei Carter das Wiederöffnen seiner X-Akten gegönnt und gar gedankt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil dem irgendwie sympathischen Projekt anzumerken ist, dass es den Beteiligten hier nicht primär um das letzte monetäre Hurra gegangen ist. Duchovny und Anderson scheinen jedenfalls mit Freude am Werk zu sein – und diese Freude wirkt auf mysteriöse Weise ansteckend.