von Sandro Danilo Spadini
Ho, ho, ho, der Weihnachtsmann ist dieses Jahr etwas früher dran. Dass bis zum eigentlichen Fest der Liebe noch so mancher kalte Tag und so manche frostige Nacht ins Land ziehen, interessiert
diesen Nikolaus aber gewiss einen feuchten Dreck. Denn dem ist im Prinzip so ziemlich alles wurscht, solange sein Schnapsglas gut gefüllt und das Betthaserl willig ist. In seinem Sack hat er denn
auch das Passende für alle Weihnachtshasser: die so gar nicht besinnliche Anarcho-Komödie «Bad Santa», die kaum eine politische Unkorrektheit auslässt und der ein von Grund auf unflätiger und misanthropischer Protagonist den
Titel gibt. Mit «bürgerlichem» Namen heisst dieser böse Nikolaus Willie, gespielt wird er von einem herrlich rohen Billy Bob Thornton, und in Szene gesetzt hat ihn der dank seiner
Independent-Hits «Crumb» und «Ghost World» in der Branche hoch geschätzte Terry Zwigoff. Als Produzenten zeichnen überdies die für ihren unorthodoxen Humor berüchtigten Coen-Brüder
verantwortlich, womit endgültig klargestellt sein dürfte, dass dies kein Weihnachtsfilm der alltäglichen Art ist.
Sündiger Santa
Willie ist also weniger am weihnachtlichen Wohlergehen seiner Mitmenschen interessiert, sondern vielmehr an seinem eigenen und jenem seines Namensvetters in der Hose, auf den er in
charakteristisch prosaischer Manier bloss mit «fuck stick» referiert. «I’m an eating, drinking, shitting, fucking Santa Claus», stellt er schnaps- und bierselig gleich zu Beginn mal fest, was
aber die von ihrem Nikolaus-Fetisch nicht abzubringende Barmaid Sue kaum abtörnt. Ihr hat es dieser Nahrungsmittel in fester Form und auch Alkoholika konsumierende, Erstere wiederum ausscheidende
sowie Geschlechtsverkehr praktizierende Nikolaus nämlich angetan. Deshalb macht sie sich auch keinen Kopf, als sie erfährt, dass in Willie nebst seinen unüberseh- und -hörbaren Defiziten auch
noch kriminelle Energien schlummern. Denn dessen für einen Menschenfeind doch eher suboptimale Jobwahl hat schon ihren guten Grund: Gemeinsam mit seinem kleinwüchsigen Assistenten Marcus begeht
Willie alljährlich ein Fest der Diebe und räumt des Nachts die Tresors jener Kaufhäuser aus, die sich tagsüber noch mit ihm als Kunden beleidigendem und Kinder verstörendem Nikolaus
herumgeschlagen haben. Dieses Jahr ist die ansonsten so rund laufende Sache indes ein wenig verzwickter, zumal sich Willies Verdriesslichkeit und Versoffenheit allmählich kontraproduktiv
auswirken. «Jede einzelne Sache an dir ist hässlich», entfährt es Marcus in einem Moment des Verdrusses ob all der Eskapaden und Unpässlichkeiten seines Kompagnons. Wirkung erzielt er mit
solcherlei bei Willie freilich nicht; dies bleibt vielmehr einem geradezu herzzerreissend unbedarften Jungen vorbehalten, der noch ganz fest an den Weihnachtsmann glaubt und sich auch von Santas
Mangel an Manieren nicht im Geringsten irritieren lässt. Und so kommt denn langsam, sehr langsam das für einen Weihnachtsfilm Unvermeidliche zum Vorschein: nämlich dass auch in Willie tief, ganz,
ganz tief drinnen ein menschliches Herz schlägt. Wussten wirs doch! Oder hofften es zumindest.
Unanständig lustig
Aber nicht, dass jetzt ein falscher Eindruck entsteht: «Bad Santa» nimmt zum Schluss nicht doch noch die unerwartete Wendung hin zur Läuterung des bis dato nur durch seinen Durst, Sexhunger und
einen inflationären Gebrauch des bösen F-Worts aktenkundig gewordenen Protagonisten. Doch zu den zuvor vor Lachen vergossenen Tränen gesellt sich im wenigstens ein klein bisschen
Weihnachtsstimmung verbreitenden Finale die eine oder andere Träne der Rührung. Möglich macht dies nicht zuletzt ein zu allen Schandtaten bereiter Billy Bob Thornton, der hier mit grosser Lust am
anarchischen Spiel sein Unwesen treibt und allen Rohheiten und Geschmacklosigkeiten zum Trotz doch irgendwie sympathisch bleibt. Nicht schlecht also, was der böse Nikolaus dieses Jahr so
mitgebracht hat: Schwankend, torkelnd, pöbelnd, die Gürtellinie konsequent nach unten wie nach oben verfehlend und sowohl ins Gemächt wie in die Magengrube treffend, lädt er Freunde des
grenzgrobschlächtig schwarzen Humors zu einer unanständig lustigen vorweihnachtlichen Bescherung ein – und serviert zum Nachtisch gar noch etwas (Bitter-)Süsses. Na dann: Prost und (f)rohe
Weihnachten!