Der Krieg draussen und der Krieg drinnen

Der irische Regieroutinier Jim Sheridan hat eine starbesetzte US-Version des dänischen Dramas «Brothers» gedreht. Und das war gar nicht einmal so eine schlechte Idee.

 

von Sandro Danilo Spadini

Amerikanische Neuverfilmungen von europäischen Kinoschlagern sind in Cineasten-Kreisen ungefähr so beliebt, wie es Roland-Kaiser-Versionen von Canzoni bei Freunden italienischen Liedguts sind. Die Abneigung kommt nicht von ungefähr: In aller Regel taugen diese mit Stars aufgemotzten und an den Ecken und Kanten abgefeilten US-Remakes einfach nichts. Für eine kurze Zeit schien Hollywood das kapiert zu haben, doch nun erhält der ungünstige Kopier-Trend abermals Auftrieb: Der Georgier Géla Babluani hat soeben eine US-Version seines eigenen Debüthits «13 Tzameti» präsentiert; Neil LaButes Remake des englischen Publikumslieblings «Death and a Funeral» ist gerade in den amerikanischen Kinos angelaufen; und mit dem in den USA wirkenden Iren Jim Sheridan hat sich jetzt sogar einer an eine Produktion aus der bislang garantiert hollywoodfreien dänischen Filmgourmetküche rangemacht.

Zwei Brüder, zwei Welten

Susanne Biers «Brothers» kommt mit unverändertem Titel, aber optisch aufgehellt und aufgeklart im neuen Gewand daher; in die Hauptrollen geschlüpft sind Natalie Portman, Jake Gyllenhaal und Tobey Maguire – drei Jungstars also, die bei ihrer Rollenwahl abwechselnd auf Kunst und Kommerz setzen. Mit Sheridan peilen sie hier sozusagen die Schnittmenge an, wo sich praktischerweise Drehbuchautor David Benioff besonders wohlfühlt, wie spätestens seit dessen beiden Kooperationen mit Marc Forster («Stay» und «The Kite Runner») klar ist. Bei «Brothers» hat es sich Benioff vergleichsweise einfach gemacht, indem er kaum Änderungen am Originalskript vornahm und lediglich den einen Teil der Geschichte von Dänemark in die USA verfrachtete. Den anderen Teil hat er in Afghanistan belassen, wo sich über weite Strecken des Films der eine der beiden titelgebenden Brüder aufhält: Sam (Maguire) ist der, auf den der Papa (Sam Shepard) stolz ist. Den anderen, den eben aus dem Knast entlassenen Tommy (Gyllenhaal), verachtet der allzu klischiert gezeichnete Armeevater derweil. Es ist denn auch weniger der nach kurzem Heimaturlaub wieder in den Krieg ziehende Sam, um den man sich in der Familie Cahill sorgt, als vielmehr Tommy. Zunächst scheint dies berechtigt, etwa wenn der Bruder Leichtfuss morgens um drei aus einer Bar Sams Gattin Grace (Portman) anruft, damit sie seine Trinkschulden begleichen kommt. Dann jedoch klingelt es an der Tür, und der Horror jeder Soldatenfrau wird Realität: Sam sei gefallen, wird Grace mitgeteilt. «Was nun?», wird Tommy in die Nacht schreien, heulend, ausrastend. Ja was nun passiert, ist eine Wandlung zum Besseren bei Tommy: Allmählich nimmt er Sams Platz ein, nimmt sich der ihm ehedem noch feindlich gesinnten Grace und ihrer beiden unerhört süssen und komödiantische Erleichterung schaffenden Töchter an. Während zu Hause in den USA die Cahills also weiterzuleben wagen, ist unsere Geschichte auch in Afghanistan noch nicht zu Ende erzählt. Denn Sam ist nicht etwa gefallen, sondern in Taliban-Gefangenschaft, was freilich kein Picknick ist und nur knapp besser als tot. Und Sam wird heimkehren. Und er wird ein anderer sein. Und das Zuhause wird ein anderes sein.

Stars stark wie nie

Es dauert ein bisschen, bis Sheridans von Doppelungen und Parallelitäten geprägter Film in Fluss kommt. Gut ein Drittel lang beherrscht ihn eine immense Erzählökonomie, was grundsätzlich löblich wäre: kein Bild, kein Wort zu viel. Allerdings wird einem durch die Abfolge kurzer Szenen auch das Einleben in diese chaotische Gefühlswelt erschwert. Sind die Personen einmal etabliert, die Parameter abgesteckt, gibt es aber auch für das Publikum kein Entrinnen mehr. Wiewohl Sheridan die Kamera in den emotionalen Spitzen gerne wegzieht, ergeben sich für seine Stars nun jene Momente, wie sie Schauspieler lieben. Alle drei, besonders der Golden-Globe-nominierte Maguire, nutzen denn auch die Gunst der Stunde und laufen gerade im furiosen Finale zu nie gesehener Form auf. Dass Sheridan im Epilog seines nachgerade griechisch-klassischen Psychodramas um Kriegs- und Familientrauma noch zaudert, ändert dann auch nichts mehr am überraschenden Gesamtbefund: Dieses Remake war tatsächlich eine ganz gute Idee.