Für immer jung, für immer schön

Im Drama «Film Stars Don’t Die in Liverpool» machen Annette Bening und Jamie Bell als welke Hollywood-Diva und ihr junger Liebhaber einen fantastischen Job. Sie sind leider die Einzigen.


von Sandro Danilo Spadini


Sie drehte für Frank Capra, Elia Kazan und Fritz Lang, spielte mit Humphrey Bogart, Kirk Douglas und Robert Mitchum. 1948 war sie erstmals für den Oscar nominiert, fünf Jahre später gewann sie ihn. Viermal war sie verheiratet, zuletzt mit ihrem vormaligen Stiefsohn, mit dem sie bereits eine Affäre hatte, als er noch minderjährig war und sie verheiratet mit seinem Vater, dem Starregisseur Nicholas Ray. Keine Frage, Gloria Grahame führte in vollen Zügen das Leben einer Hollywood-Diva. Als sie Ende der Siebziger in Liverpool aufschlägt, ist dieses Leben freilich nur mehr verblasste Erinnerung: verwelkt wie der Ruhm, den noch in den Fünfzigern die Hollywood-Altersguillotine gnadenlos dahinraffte. Kein Wunder also, war Grahame zeit ihres Lebens besessen von Jugend und Schönheit. Und verständlich vielleicht auch, dass sie hier nun, in dieser späten Phase ihres eher kurzen Lebens, die uns das Drama «Film Stars Don’t Die in Liverpool» zeigt, allen Ernstes davon träumt, für die Royal Shakespeare Company die Julia zu spielen. Mit 55 Jahren.

Zwei Fehlbesetzungen

Im Zenit ihrer Karriere war Grahame abonniert auf verruchte Figuren – oder wie es hier einmal heisst: «Sie hat immer das Flittchen gespielt.» Mit diesen Worten wird dem 28-jährigen Schauspieler Peter Turner (Jamie Bell) seine neue Nachbarin vorgestellt, und schon da ist es um ihn geschehen und er Hals über Kopf in die labile und launenhafte «Glo» (Annette Bening) verknallt. Wie es genau dazu kommt, bleibt indes schleierhaft; und wie es dabei bleibt, können Drehbuchautor Matt Greenhalgh und Regisseur Paul McGuigan in ihrem zwischen den Jahren 1979 und 1981 hin und her hüpfenden Film erst recht nicht plausibel machen. Gerade McGuigan ist hier eine regelrechte Fehlbesetzung, der nicht nur auf den ersten Blick jegliche Qualifikation für diese Mai-Dezember-Romanze abgeht: Ende der Neunziger debütierte er mit der Irvine-Welsh-Verfilmung «Acid House», in den Nullern machte er sich dann einen Namen als Spezialist für Thriller der unbemerkenswerten Sorte («Lucky Number Slevin»), ehe er sich schliesslich ins Fernsehen abmeldete (u. a. «Sherlock»). Derweil kann Autor Greenhalgh wenigstens eine hohe Affinität zum Genre des Biopics für sich reklamieren; er hat schon das Leben und Wirken von Joy-Divison-Sänger Ian Curtis («Control»), von John Lennon («Nowhere Boy») und des Pornokönigs Paul Raymond («The Look of Love») für die Leinwand aufbereitet. Entsprechend routiniert arbeitet er sich hier, bei der Adaption von Peter Turners Memoiren, an Grahames Eckdaten ab. Für das Feingeistig-Romantische hingegen hat auch er wenig Sinn, sodass bisweilen der Eindruck entsteht, Grahame habe sich diesen Jüngling bloss gehalten, damit er ihr schmeichle und sie permanent ihrer intakten Schönheit versichere: der perfekte willenlose «Toy Boy», der ja auch selbst über sich sagt, er sei ein Junge, der nicht Nein sagen könne. Es steht natürlich zu vermuten, dass da sehr viel mehr war. Was das aber war, muss man sich jetzt halt selbst zusammenreimen. Es geht in der plumpen Inszenierung, den von pampigem Siebziger-Mief erdrückten Sets, den grellen Kostümen und der unmotiviert biederen Musikauswahl unter.

Und zwei Idealbesetzungen

Bei alledem gibt es zwar nichts zum Kopfschütteln, aber doch einiges zum Stirnrunzeln. Und der Film hat wohl seine bittersüssen, seine zartbitteren, aber eben auch seine klebrig-süssen Momente, die an den spannenden Fragen dieser Geschichte vorbeischrammen. Ab der zweiten Hälfte ist das ohnehin mehr eine kommune Krankengeschichte, der der Promi- und der Altersaspekt recht egal sind. Es geht jetzt ums Sterben, wie das schon in der ersten, vorblendenden Szene angekündigt wird und wie es ja auch im Titel steht. Aber es ist wirklich ein sehr langes Sterben, das am Ende auch den Film selbst mit in den Tod reisst. Da können sich «Billy Elliot»-Star Jamie Bell und die einmal mehr überwältigende Annette Bening recken und strecken, so viel sie wollen – es hilft nichts mehr. Anders als Regisseur und Drehbuchautor sind die beiden immerhin Idealbesetzungen: der in der Arbeiterklasse Liverpools bestens aufgehobene Bell und die Grahames comichafte Hauchstimme perfekt intonierende Bening, die sich einst in «The Grifters» ebenfalls in einer Flittchenrolle ihre erste Oscar-Nominierung abholte und viel später als Theaterdiva in «Being Julia» die beste Leistung ihrer Karriere bot. Und wenn sie in ihrer letzten gemeinsamen Szene ihn nochmals fragt: «Wie sehe ich aus?» – dann berührt das einen also schon ein wenig, doch, doch.