Sie wollen – aber können sie auch?

Die Komödie «The Big Sick» erzählt auf erfrischende Weise eine Liebesgeschichte zwischen Tragödie und Culture-Clash – ein Publikumsschmeichler, der sich einem nicht gleich an den Hals wirft.

 

von Sandro Danilo Spadini

Sie gehe momentan eigentlich mit niemandem aus, meint die Psychologiestudentin Emily (Zoe Kazan) hinten auf dem Rücksitz. Er auch nicht, entgegnet vorne am Steuer Uber-Fahrer Kumail (Kumail Nanjiani). Es sei besser, wenn man sich nicht mehr treffe, einigt man sich also kurz und schmerzlos. Doch Emily, Kumail und auch wir wissen, dass das Unsinn ist. Denn die beiden haben gerade eine ausserordentlich nette Nacht miteinander verbracht. Und es hat, das sieht ein Blinder, ziemlich eingeschlagen hier. Emily und Kumail – das passt. Nur der Zeitpunkt passt nicht so. Und der Ort. Und die Lebensumstände. Wobei das alles vor allem auf ihn zutrifft. Kumail, der statt aufs Studium auf eine Karriere als Stand-up-Comedian in Chicago setzt, stammt nämlich aus strengreligiösem pakistanischem Haus; die Partnersuche ist da Elternsache. Und wenn etwas ganz sicher nicht geht und ein Grund zur Verstossung ist, dann ist das eine weisse Nichtmuslimin. Sich dem zu widersetzen, kommt für Kumail nicht infrage; er hängt an seiner Familie. Aber Emily und er sind nun mal voneinander überwältigt, wie sie sich schnell gestehen. Der Konflikt scheint nicht lösbar: der Knall programmiert, die Katastrophe unabwendbar. Und tatsächlich: Erst kommts zum Knall, dann zur Katastrophe.

Alles nicht so einfach

Emily V. Gordon und Kumail Nanjiani haben in ihrem Drehbuch zum Überraschungshit «The Big Sick» ihre eigene Geschichte verarbeitet. Und es ist, wie der Titel erahnen lässt, nicht alles zum Lachen hier. Was es freilich jederzeit ist: ehrlich und herzlich. Auch dann noch, als sich der Plot auf dünnes Eis wagt und auf rutschige Terrains schleicht. Doch Gordon und Nanjiani sagen dann immer wieder so viele gescheite Sachen. Über die kleinen Dinge. Oder die ganz grossen. Und sie sagen es mal mit staubtrockenem Witz. Mal mit homöopathisch dosiertem Zynismus. Mal mit bitterem Ernst. Aber immer im richtigen Ton. So spielen sie beim Aufeinanderprallen der Kulturen die Vorurteile nicht etwa herunter; sie spielen sich aber auch nicht als moralische Instanz auf. Sie spielen stattdessen mit den Engstirnigkeiten auf beiden Seiten herum und sie so letztlich gegeneinander aus, was in diesem Moment und dieser Situation das einzig Richtige ist. Und wenn es ihnen einmal zu viel wird und nur noch derber (Galgen)humor hilft, dann haben auch diese Gags einen tieferen Zweck und genügen sich nicht selbst; dann geht es auch nicht einfach um «comic relief», den erlösenden Lacher gegen die Anspannung, sondern darum, die Story voranzubringen oder Erkenntnis zu kreieren. Das ist in diesem Genre, das sich so gerne auf vorgefertigte und vermeintlich bewährte Formeln verlässt, nicht eben alltäglich. Aber wenn es um die eigene Geschichte geht, sieht man die Dinge wohl etwas klarer, realistischer. Das Leben und die Liebe, sie sind halt komplex. Ihre Zumutungen lassen sich nicht einfach wegschmunzeln und auch nicht wegschmusen. Gordon und Nanjiani wissen das. Sie haben es ja erlebt. Am eigenen Leib.

Komplexe Figuren

Diese Verwurzelung im echten Leben ist «The Big Sick» stets anzumerken. Da macht es auch nichts, dass der von Komödienpapst Judd Apatow produzierte Film unter der Regie von Michael Showalter einen eher schalen Low-Budget-Look hat. Es ist dies eben nicht die Art von Schwank, der einem seinen Charme aufzwingt; der einen mit lieblichem Indie-Rock-Gezwitscher umschmeichelt und an pittoreske Hipster-Locations entführt. Es ist das vielmehr ein geduldiger Film, der darauf vertraut, dass er kein glühendes Bügeleisen braucht, um die Herzen zu erwärmen – ein Publikumsschmeichler, der sich einem nicht gleich an den Hals wirft. Das tun auch seine Figuren nicht, in die man sich trotzdem bald einmal verliebt. Es gilt das zuvorderst für Kumail, der vielleicht nicht der lustigste romantische Held aller Zeiten ist, aber einer der liebenswertesten. Dann für Emily, der Zoe Kazan einen neckischen Zauber verleiht. Und schliesslich für die Elternpaare: Jenes von Anupam Kher und Zenobia Shroff mag sich nahe zur Karikatur bewegen, dafür sorgt es für die herzhaftesten Lacher; bei jenem von Ray Romano und Holly Hunter menschelt es derweil etwas mehr – etwa wenn Romanos Terry unbeholfen eine Art Vater-Sohn-Beziehung zu Kumail aufzubauen sucht. Und was für alle Figuren gilt: Sie arbeiten sich regelrecht durch ihre Geschichte und verdienen sich ihre Erlösung redlich. Auch das ist in diesem stereotypenbelasteten Genre unüblich. Aber andererseits: «The Big Sick» ist auch ein unüblicher Film. Und vor allem: ein schöner Film.