von Sandro Danilo Spadini
Man könnte jetzt lamentieren über die Drehbuchschwächen des Verschwörungsthrillers «Eagle Eye», oder man könnte jubeln über die diesem zugrunde liegende Ausgangsidee, die schmissige Inszenierung und die formstarke
Darstellerriege. Machen wir doch beides! Nun denn: Ein Skript, das von nicht weniger als vier (unerfahrenen) Personen verfasst wurde, verheisst schon mal eher Ungutes. Bis man seine Vorurteile
bestätigt sieht, dauert es dann freilich eine gute Weile. Denn mindestens die erste halbe Stunde ist in jeder Hinsicht ziemlich formidabel und gespickt mit Gustostückerln darstellerischer,
inszenatorischer und eben auch drehbuchtechnischer Natur. Sobald sich jedoch der zuvor gekonnt ausgebreitete Schleier des Geheimnisvollen zu lüften beginnt, fängt die schreiberische Schluderei
an, bahnen sich die Unwahrscheinlichkeiten den von Logiklöchern gepflasterten Weg in den Fokus, bis das Abstruse schliesslich gewonnen hat.
Abgehört und überwacht
Sehr schade ist das, indes nicht die ultimative Hypothek, die den zunächst in die Höhe geschossenen Kurs von «Eagle Eye» in den Keller fallen lassen würde; dank viel versierten Handwerks
andernorts bleibt wenigstens der Unterhaltungswert allemal intakt. Dass sich auch die Handlung bei allen am Autorenlaptop verbrochenen Ungünstigkeiten noch Reste von Reizen bewahrt, ist eben der
pfiffigen Grundidee geschuldet. Gekommen ist diese einem gewissen Herrn Spielberg, Steven mit Vornamen, und Herr Spielberg muss damals nachdenklich gestimmt gewesen sein. Ersonnen hat er nämlich
ein reichlich düsteres Szenario mit hohem Aktualitäts- und hoffentlich etwas niedrigerem Realitätsbezug, in welchem der Überwachungsstaat nicht nur total ist, sondern obendrein auch noch ausser
Kontrolle gerät. Im Mittelpunkt stehen in klassischer Anordnung zwei Unschuldige, die inmitten einer Welle von terroristischen Vergeltungsanschlägen gegen die USA in eine handfeste politische
Verschwörung katapultiert werden. Wie einst Roger Thornhill in Hitchcocks «North by Northwest» müssen sich der Kopierladen-Angestellte Jerry (Shia LaBeouf) und die Juristengehilfin Rachel
(Michelle Monaghan) vorkommen, als sie von einer unbekannten Frauenstimme am Handy seltsame Anweisungen erhalten und alsbald als Terrorismusverdächtige auf der Flucht vor dem FBI sind. Wiewohl
unser Wissensstand trotz der restlos alles erfassenden Überwachungskameras und Abhörutensilien lange mager bleibt, scheint klar, dass das Ungemach der beiden mit dem militärischen Tun von Jerrys
just verstorbenem Zwillingsbruder zusammenhängt. Haben wir ob der vieles ausbügelnden Turbo-Inszenierung des neuen Spielberg-Spezis D.J. Caruso («Disturbia») zunächst nur wenig Zeit, über derlei
Hintergründe zu spekulieren, bleibt Jerry und Rachel gar keine: Derweil der junge Mann nach seinem von den offenbar übermächtigen Unbekannten orchestrierten Ausbruch aus FBI-Obhut pausenlos mit
Direktiven behelligt wird, befindet sich die ihm fremde Frau an seiner Seite in Todesangst um ihren entführten Sohn.
Mehr Licht als Schatten
In diesem ersten Drittel ist «Eagle Eye» eine knackige Hightech-Mischung aus «24» und «The Fugitive». Rassige Actionszenen sorgen für Kurzweil, offene Fragen bieten Denkstoff. Mit der ersten
grösseren Wendung darf das Hirn dann aber auf Standby geschalten werden, zumal das Ganze nicht nur in Plot-Holes und Unglaubwürdigkeiten zu versinken droht, sondern sich überdies in einem
müssigen Spiel mit Filmzitaten verliert und dabei die gesellschaftspolitisch relevanten Fragen zu künstlicher Intelligenz und Big Brother mehr und mehr zu stellen vergisst. Für legeres Amüsement
kommen unterdessen aber die beiden kompetenten Hauptdarsteller sowie Billy Bob Thornton als knorriger FBI-Jäger und «The Shield»-Star Michael Chiklis als US-Verteidigungsminister auf. Wenngleich
als Krönung der gerade inszenatorisch sehr erbaulichen Schlussphase etwas weniger Fantasterei und der Konsequenz zuliebe ein bisschen mehr Düsterheit desiderabel erscheinen, bleibt so doch unter
dem Strich klar mehr Licht als Schatten.