Der Tyrann ist tot – lang leben die Lakaien

«Veep»-Schöpfer Armando Iannucci nimmt sich in «The Death of Stalin» des aberwitzigen Schachers um die Nachfolge des Massenmörders an. Mit einer Topbesetzung und ohne Beisshemmung.

 

von Sandro Danilo Spadini

 

Brandschwarz? Pechschwarz? Kohlrabenschwarz? Was immer am schwärzesten ist, triffts. Was zudem passt: zutiefst zynisch, bizarr und nicht ganz bei Trost. Und wer jetzt noch mag, der möge sich nun das anhören: Der schottische Autor und Regisseur Armando Iannucci hat den aberwitzigen Schacher um die Nachfolge des Massenmörders Josef Stalin verfilmt. Ohne sich gross um historische Akkuratesse zu scheren. Ohne sich allzu sehr um die zu Tode zitierte russische Seele (oder Sprache) zu kümmern. Einfach, um einmal mehr zu zeigen, welch narzisstische Stümper und opportunistische Schurken seit je und allerorten dem Politbetrieb frönen. So wie er das einst in der Fernsehsatire «The Thick of It» an der Downing No. 10 getan hat oder vor neun Jahren in seinem Kinoerstling «Into the Loop» auch an der Pennsylvania Avenue 1600. Und wie er es seit sieben Staffeln in der HBO-Serie «Veep» tut, in der er mit Julia Louis-Dreyfus als chaotisch prinzipienloser US-Vizepräsidenten den vulgären Dilettantismus der Ära Trump antizipierte und die nunmehr quasi zur Realityshow geworden ist. Ähnlich den Werken des ebenso politaffinen Kollegen Aaron Sorkin haben dabei alle Mundwerke wie Maschinengewehre; doch statt geschliffener Geistesblitze resultieren bei Iannucci meist schweinische Schimpfkanonaden, die Lachsalven provozieren.

Schlimm, aber lustig

In «The Death of Stalin», der Adaption einer französischen Graphic Novel, sind nun also für einmal nicht die heutigen Briten und Amerikaner die Dummen. Sondern die alten Russen. Die waren nämlich auch nicht schlauer, findet Iannucci, trotz aller Ideologie. Und menschlich natürlich um Welten schlimmer – da achtet unser Chefzyniker bei allem komödiantischem Geschütz schon sehr darauf, dass man das nicht vergisst: die Barbarei dieses Terrorregimes und die in Furcht erstarrten Abermillionen, die ihm zum Opfer fielen. Als Tragikomödie sieht Iannucci seinen Zweitling denn auch. Und folglich hat er hier keine Blödelbarden aufgeboten, sondern Mimen grösseren Kalibers: damit dieser Horror blank bleibe und einem in «Dr. Strangelove»-Manier auch mal das Lachen abschnüre. Wie die fetten alten Tyrannen, die mit Staats- und Privatfeinden kurzen Prozess machen, machen auch Iannucci und sein brillantes Ensemble keine Gefangenen: Stalin liegt erst halbtot in seiner Pisse, da beginnt unter den windigen Wieseln und kadavergehorsamen Kretins schon das fiebrige Ränkespiel um seine Nachfolge. In den Hauptrollen: Georgi Malenkow (Jeffrey Tambor), Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU; Nikita «Nicky» Cruschtschow (Steve Buscemi), Sekretär des ZK; Geheimdienstchef Lavrenti Beria (Simon Russell Beale); Ex-Aussenminister Wjatscheslaw Molotow (Michael Palin); die Stalin-Sprösslinge Svetlana (Andrea Riseborough) und Wassili (Rupert Friend); sowie der Kriegsheld Georgi Schukow (Jason Isaacs).

Lustig, aber schlimm

Die Panik, die sie alle erfasst, nachdem Stalin seine letzten Worte geröchelt hat («Fuck, fuck»), fasst Iannucci in schmucklos kahle, rein funktionale Bilder. Und obwohl das im
Russland des Jahres 1953 spielt (aber mehrheitlich in London gedreht wurde), ist einem dieser Pseudodoku-Stil mit Stakkato-Schnitt aus «Veep» wohlvertraut. Ebenso die bitterbösen Tiraden. Die Erpressungen. Die Korruption. Der Machthunger und der Rachedurst. Die infantilen Intrigen. Und sowieso die Akteure, die keine politische Vision haben und keiner Ideologie anhängen, die keinerlei Ambition haben, das Richtige zu tun, und nur am Gewinnen interessiert sind. Und nur dass das klar ist: Bei Iannucci kommt am Schluss dann kein edler Ritter, der es diesen animalischen Politikern zeigt. Allenfalls kommt einer, der noch schlimmer ist und grad auf seinem hohen Ross bleibt: damit er besser auf die anderen spucken kann. Solchen Gesellen und jenen, die damit gemeint sind, kommt man vielleicht am besten bei, indem man sie ins Lächerliche zieht – ganz tief nach unten, fest draufhalten, nie nachgeben. Das jedenfalls ist Iannuccis Taktik, und sie wirkt (ach ja: Der Film ist in Russland verboten). Vor allem aber bringt sie mit das Beste hervor, was der Humormarkt derzeit zu bieten hat. Wobei: Lustig ist das ja eigentlich auch nicht. Vielmehr zeugt es von bodenlosem Pessimismus. Oder einem moralischen Zorn, wie Co-Autor David Schneider meint: Iannucci sei einfach wütend, dass die Leute nicht besser seien. Angesichts des realexistierenden Dilettantismus lässt sich da nur noch das Offensichtliche ausformulieren: dass zuletzt nicht viel passiert ist, was diesen Zorn gemindert hätte.