Ein nicht ganz gewöhnlicher Dieb

In der amüsanten Gaunerkomödie «Matchstick Men» zeigt Nicolas Cage als ein von Zwängen beherrschter Hochstapler mit neu entdeckten Vaterpflichten eine der  besten Leistungen seiner Karriere.

 

von Sandro Danilo Spadini

Roy (Nicolas Cage) hat es nicht einfach. Zwar verdient er sich als Trickbetrüger eine goldene Nase, doch seinen Alltag übersteht der unter reihenweise Zwangsneurosen und Phobien leidende Kettenraucher nur mithilfe von ganz vielen bunten Pillen. Ohne seine kleinen Helfer sieht sich Roy Ausrastern ausgesetzt, die selbst einem von Zwängen auch nicht ganz freien Zeitgenossen wie Jack Nicholsons Melvin aus «As Good as It Gets» die Leichenblässe ins Antlitz schiessen liessen und sich mitunter in Putzexzessen manifestieren, die Meister Proper wiederum die Schamesröte ins Gesicht treiben müssten. Um das Gelingen ihres nächsten, alles Bisherige in den Schatten stellenden Coups nicht zu gefährden, schickt sein Partner Frank (Sam Rockwell) den neurotischen notorischen Junggesellen zu einem Psychiater, der ihm schliesslich rät, sich mit seiner Vergangenheit und insbesondere einer früheren Liebschaft, der womöglich ein Kind entsprungen ist, auseinander zu setzen. Nach einigem Zögern beschliesst Roy, Klarheit zu schaffen und sich seinen allfälligen Vaterpflichten zu stellen. Als er endlich seiner 14-jährigen Tochter Angela (Alison Lohman) gegenübersteht, beschleichen ihn jedoch wieder Zweifel: «Ich kann mich nicht um dein Leben kümmern, ich komme ja kaum mit meinem klar», wimmelt er sie zunächst ab, um dann aber schon bald feststellen zu müssen, wie wohl er sich in der Vaterrolle fühlt – obwohl sich diese nicht eben prächtig mit seinen «beruflichen» Verpflichtungen vereinbaren lässt.

Cages grosser Auftritt

«Matchstick Men» ist nach «Gladiator», «Hannibal» und «Black Hawk down» bereits der vierte Film, den Regiealtstar Ridley Scott («Alien») in diesem noch jungen Jahrzehnt gedreht hat. Bei dessen Realisierung liess der Engländer für einmal die Pauken und Trompeten im Schrank und verliess sich auf das Können seines «leading man» Nicolas Cage. Herausgekommen ist ein amüsanter, beschwingter und gelassener Unterhaltungsfilm, der Cage die Plattform für eine der besten Leistungen seiner Karriere bietet. Nach einer Reihe von Flops mit solch absurd miesen Filmen wie «Gone in Sixty Seconds», «The Family Man», «Captain Corelli’s Mandolin» und «Windtalkers» schien sich dieser wieder seiner früheren Komödiantentage zu erinnern und lief zunächst in seinem mässigen Regiedebüt «Sonny» in einer Kleinstrolle zu grosser Form auf, um im Anschluss in Spike Jonzes durchgeknallter Tragikomödie «Adaptation» in einer Doppelrolle einen furiosen Auftritt hinzulegen, der ihm zu Recht seine zweite Oscar-Nominierung einbrachte. In «Matchstick Men» hält Cage nun dieses Niveau mühelos und trägt den Film von Anfang an in der Manier eines Superstars. Trotz seiner starken, alles durchdringenden – und umwerfend komischen – Präsenz bleibt aber auch für seine Nebenleute Rockwell («Confessions of a Dangerous Mind») und Lohman, die sich im etwas schmalzigen Drama «White Oleander» nachdrücklich für höhere Aufgaben empfohlen hat, reichlich Platz zur Entfaltung, der von den beiden Jungstars beherzt genutzt wird.

Pures Kinovergnügen

«Matchstick Men» ist gleichsam ein altmodischer Film, der lustvoll mit dem Klischee der Gentleman-Verbrecher spielt und nachgerade unverschämt die Parole «Verbrechen lohnt sich» ausgibt, um diese in einer überaus gelungenen und völlig unerwarteten Schlusspointe augenzwinkernd wieder zu kompromittieren. Dem Genre der «heist movies», dem derzeit dank Filmen wie Steven Soderberghs «Ocean’s Eleven» oder jüngst Neil Jordans durchwachsenem «The Good Thief» ein längst überfälliges Revival zuteil wird, ist Scotts 14. Regiearbeit freilich nur bedingt zuzurechnen, zumal er sich gerade in der ersten Hälfte hauptsächlich seiner von falscher Sentimentalität freien Vater-Tochter-Geschichte widmet und die Planungen für den grossen Coup eher im Hintergrund ablaufen lässt. Die Balance zwischen den beiden Elementen seines Films hält Scott jedoch jederzeit traumwandlerisch sicher, sodass nicht Inkohärenz resultiert, sondern pures, unbeschwertes Kinovergnügen, das hier in seiner perfektesten und ursprünglichsten Form zelebriert wird und «Matchstick Men» zu einem der besten Popcornfilme dieses Jahres macht.