Die Mutter meines Freundes

Auch die prominente Besetzung um Oscar-Preisträgerin Frances McDormand vermag Lisa Cholodenkos neuem Film «Laurel Canyon» nicht die nötige Tiefe und Wärme zu verleihen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Vor rund fünf Jahren drehte Lisa Cholodenko mit der in der New Yorker Kunstszene angesiedelten Independent-Produktion «High Art» einen vielschichtigen, feinfühligen und mitunter verstörenden Frauenfilm über Liebe und Leidenschaft, Verrat und Vertrauen, Tod und Trauer, der ihr mehrere Preise an kleineren Filmfestivals einbrachte. Mit dem Mutter-Sohn-Drama «Laurel Canyon» beendet Cholodenko nun eine längere Schaffenspause, während welcher sie bloss eine Folge der brillant-bizarren TV-Serie «Six Feet Under» inszenierte. Die Themen, um die ihr neuer Film kreist, sind derweil mehr oder minder dieselben geblieben, der Ort des Geschehens ist jedoch nicht mehr New York, sondern Los Angeles, eingebettet ist die Geschichte nicht mehr in die Kunst-, sondern in die Musikszene.

Zu Besuch bei Mama

Wie in «High Art» steht auch in «Laurel Canyon» ein konservatives junges Paar im Zentrum, in dessen Beziehung Aufregung und Leidenschaft noch nie eine tragende Rolle gespielt haben. Die Eröffnungsszene zeigt zwar Sam (Christian Bale) und Alex (Kate Beckinsale) bei einer gewissen Art von körperlicher Ertüchtigung für Erwachsene, doch ist unschwer bereits hier zu erkennen, dass die beiden Absolventen der Harvard Medical School ein eher pragmatisches Verhältnis zu den Dingen des Lebens pflegen. Ganz anders Sams Mutter Jane (Frances McDormand), die sich das scheinbar perfekte Paar trotz Ressentiments von Sams Seite aufmacht in ihrer Villa bei Hollywood zu besuchen. Jane ist eine bekannte und für ihren hedonistischen Lebenswandel berüchtigte Musikproduzentin, die ihre Sexualpartner – egal welchen Geschlechts – etwa so oft wechselt wie andere Kalifornier die vom Jogging verschwitzte Unterwäsche. Wider Sams Erwarten entrüstet sich die brave Alex jedoch nicht ob Mutters lasterhaftem Rockerleben, sondern entwickelt stattdessen eine stetig steigende Begeisterung für die unaufhörlich Cocktails schlürfende und Joints paffende Jane und deren aktuellen Freund Ian (Alessandro Nivola), einen englischen Rockstar, dessen neue Single es zu produzieren gilt. Während Alex’ Faszination für die beiden allmählich erotische Ausmasse annimmt, ist auch Sam auf diesem Gebiet nicht ganz untätig. Ihm hat es seine neue Arbeitskollegin Sara (Natascha McElhone) angetan.

Pop statt Rock

Die Parallelen sind unverkennbar: Perfektes, wenngleich biederes Paar, Kontakt mit Künstlerszene, neue Lebenslust, Beziehungskrise, aufkeimende lesbische Gefühle, ein bisschen Drogenerfahrung (dieses Mal allerdings mit weichen, was durchaus bezeichnend ist) – dies waren schon Stationen des Liebes-, Lebens- und Leidenswegs in «High Art». Und doch unterscheidet sich Cholodenkos neuer Film in vielerlei Hinsicht entscheidend und nicht zu seinem Vorteil von seinem Vorgänger. Zu deutlich ist die Distanz der Regisseurin zu ihren insgesamt flachen und bisweilen gar stereotyp anmutenden Figuren zu spüren, zu deutlich ihre Missbilligung des Lebensentwurfs ihrer beiden Hauptfiguren Sam und Alex, die sie nicht mit einem einzigen wirklich liebenswerten oder doch wenigstens halbwegs originellen Charakterzug auszustatten versteht und die einem deshalb während des gesamten Films fremd bleiben. So lässt denn deren innerer Konflikt einen kalt und unberührt, was auch die wohl bemühten, letztlich aber eher glücklos agierenden und sich mitunter an Dialogen aus der Konserve aufreibenden Darsteller nicht zu ändern im Stande sind. Fast schon fahrlässig verschenkt Cholodenko das Potenzial eines prominenten und talentierten Ensembles, in welchem lediglich Frances McDormand («Fargo») den Widrigkeiten trotzt und Akzente setzt. «Ich fühle es nicht, es zieht mich nicht rein, sie scheinen nicht inspiriert zu sein», sagt Alex einmal über Ians Song, dessen Produktion Jane Kopfschmerzen bereitet. Dasselbe liesse sich über «Laurel Canyon» sagen: zu viel Kopf, zu wenig Herz, zu viel Pop, zu wenig Rock – nicht nur in Motiv und Ton, sondern auch in Optik und Inszenierung. War «High Art» Blur – verspielt, widerspenstig, mit Ecken und Kanten, aber in jedem Fall kunstvoll -, so ist Cholodenkos neuer Film Travis: nett, eingängig, massentauglich, aber eigentlich ein wenig belanglos.