von Sandro Danilo Spadini
Delfine lächeln. Delfine sind also glücklich, selbst wenn sie in lärmigen Vergnügungsparks zur Erquickung von zahlendem Publikum und zur Bereicherung ausbeuterischer Konzerne ihre Kunststücke
vorführen müssen. Blödsinn, sagt Richard O’Barry, das sei nun mal die Physiognomie der Delfine. Und Richard O’Barry muss in diesen Fragen dringend Glauben geschenkt werden. Er ist schliesslich
der Mann, der mitverantwortlich dafür ist, dass sich Menschen überall auf der Welt heutzutage an Delfinen delektieren möchten; er hat die dieses Bedürfnis so kaltblütig befriedigende Industrie
mit aufgebaut; und er bekämpft seit nunmehr 30 Jahren all dies mit jeder Faser seines Körpers und Herzens. O’Barry war es nämlich, der den TV-Delfin Flipper trainiert hat, ihn getrimmt hat für
die Kameras, ihn schliesslich – wie er selbst meint – in den «Selbstmord» getrieben hat. Er ist damit reich geworden, er ist damit letztlich aber auch zu dem geworden, der er heute ist: ein
wütender Aktivist, der Vergebung sucht und dem jedes Mittel recht ist, um seiner Botschaft Gehör zu verschaffen.
Wie im Kino
Welch abenteuerliche Ausmasse dies bisweilen annimmt, ist in der Oscar-nominierten Desperado-Doku «The Cove» zu sehen. Federführend bei der Guerilla-Aktion in dem nur vermeintlich idyllischen japanischen Küstenort Taiji – «ein
kleiner Ort mit einem wirklich grossen Geheimnis» – war Regisseur Louie Psihoyos, der hier also nicht nur Protokollant, sondern auch Akteur ist. Eher zufällig war Psihoyos in dieser «Twilight
Zone» auf ein unfassbares Verbrechen von Mensch an Tier gestossen: die jeglichem zivilisiertem Denken und Handeln spottende Ausbeutung der sensiblen und intelligenten Delfine zu Showzwecken – und
deren grauenvolle Abschlachtung für den Handel mit falsch deklariertem Fischfleisch zum menschlichen Verzehr. Um die japanische Bevölkerung und die ganze Welt auf dieses von höchster Stelle
gedeckte Verbrechen aufmerksam zu machen, rekrutierten Psihoyos und O’Barry ein Team von Spezialisten jeglicher Couleur, welche die brandgefährliche und hochillegale Infiltrierung der Todesbucht
und die Dokumentierung der Vorgänge in Taiji möglich machen sollten. Wie bei «Ocean’s Eleven» seien sie sich vorgekommen, und wie ein klassisches «Caper-Movie» schaut «The Cove» denn auch aus,
vollständig mit mysteriösen Beschattungsmannschaften, handgreiflichen Rencontres, versteckten Spionagekameras, grobkörnigen Nachtsichtaufnahmen. Das ist der nervenkitzelnde Teil von «The Cove».
Der lehrreiche besteht derweil aus biologischen Erläuterungen, illustriert durch friedliche Aufnahmen der Tiere, sanft eingebettet in den dritten und wichtigsten Teil: das nicht nur durch Fakten,
sondern auch Bilder veranschaulichte und nachgewiesene Komplott einer skrupellosen Industrie, korrupter Behörden und zahnloser Organisationen. Dessen Opfer sind, wie die Filmemacher ebenfalls
schlüssig darlegen, freilich nicht nur die Tiere; auch der unbewusst das quecksilberverseuchte und mithin hochgiftige Delfinfleisch konsumierende Mensch kommt zu erheblichem Schaden. Doch damit
ist die Spitze des Skandals tatsächlich noch immer nicht erreicht. Dort ist man erst angelangt, wenn man auch noch in Erfahrung gebracht hat, dass dieses Gift, von dem die Regierung weiss, dass
es Gift ist, ausgerechnet auch an japanische Schulkinder abgegeben wird.
Erschütternde Schlussbilder
Louie Psihoyos und Richard O’Barry sind wie gesagt leidenschaftliche Aktivisten. Und als solche wollen und können sie ihr Publikum nicht schonen. Die Bilder, die man gerade am Schluss zu sehen
bekommt, sind denn auch ungeschönt, sind grauenhaft, sind tief erschütternd. Einige Verbesserungen haben die Doku-Guerilleros inzwischen immerhin schon erzwungen, wie dem Abspann zu entnehmen
ist. Dennoch: 23'000 Delfine werden in Japan jährlich abgeschlachtet. Es muss etwas dagegen getan werden. Ein guter Anfang wäre: sich diesen Film anschauen und des Problems bewusst werden.