Los Angeles – Stadt der gefallenen Engel

Ein Meilenstein wie Curtis Hansons «L.A. Confidential» ist «Dark Blue» zwar nicht, der ebenfalls auf einer Vorlage von James Ellroy basierende Thriller überzeugt aber bis kurz vor Schluss gleichwohl auf ganzer Linie.

 

von Sandro Danilo Spadini

Los Angeles. Stadt der Engel. Stadt der Stars. Stadt der Träume. Kaum eine andere Stadt übt eine solche Anziehungskraft aus, um kaum eine andere Stadt ranken sich so viele Mythen. Los Angeles hat viele Geschichten zu erzählen. James Ellroy ist in Los Angeles geboren, und James Ellroy hat auch einiges zu erzählen. Seine Hard-boiled-Krimis stehen in den USA seit Jahren auf den Bestsellerlisten. Mit dem schaurigen wie faszinierenden Roman «The Black Dahlia» schaffte er auch bei uns den Durchbruch, während er in «American Tabloid» und «The Cold Six Thousand» unerbittlich an einer dunklen Version der amerikanischen Geschichte arbeitet.

Ellroys düstere Gestalten

Los Angeles. Stadt der Teufel. Stadt der Mörder. Stadt der Korruption. Das Los Angeles von James Ellroy findet sich in keinem Reisekatalog. Hässliche alte Männer geben hier den Ton an. Sie sitzen in rauchgeschwängerten Büros beim Whiskey – gerne auch schon zum Frühstück – und schmieden Komplotte, missbrauchen ihre Macht. Diese Männer schwimmen schon so lange in schmutzigen Gewässern, dass Umkehren keine Option mehr ist. Wer es trotzdem versucht, läuft Gefahr, eine Bleivergiftung zu erleiden und schon bald Harfe bei den himmlischen Allstars zu spielen – wenn er Glück hat. Viel wahrscheinlicher aber wird er in der Hölle schmoren, und zwar dort, wo sich nicht einmal der Teufel alleine hintraut. Kernig sind die ellroyschen Helden, kernig ist ihre Sprache. Political Correctness ist nicht so ihr Ding. Zynische Sesselfurzer, korrupte Bullen, laszive Miezen, billiger Fusel, schmutziger Zaster und rauchende Schiesseisen – das ist das Los Angeles von James Ellroy. Stadt der gefallenen Engel.

Sumpf und Klüngel

Kongenial für die Leinwand eingefangen hat dieses Universum Curtis Hanson mit «L.A. Confidential», der bislang einzigen erwähnenswerten Verfilmung eines Ellroy-Romans, die Russell Crowe zum Star, Kim Basinger zur Oscar-Preisträgerin und Kevin Spacey endgültig unsterblich machte. «Dark Blue» nun beruht auf einer Kurzgeschichte Ellroys. Das Personal besteht wiederum aus den üblichen Typen wie etwa dem brutalen Sergeant Eldon Perry (so gut wie schon lange nicht mehr: Kurt Russell), der einen Rookie (Scott Speedman) in die Regeln des Los Angeles Police Department einführt, die zwar nicht im Dienstbuch stehen, die aber gestützt werden von den massgebenden Leuten wie etwa Polizeichef Jack Van Meter (auf fies-zurückhaltende Weise Furcht einflössend: Brendan Gleeson). Einzig dessen Stellvertreter (Ving Rhames) gehört dem Klüngel nicht an, und er ist es denn auch, der Van Meter offen den Krieg erklärt.

Rückkehr der Engel?

«Dark Blue» spielt im April 1992, zur Zeit des Rodney-King-Prozesses und der anschliessenden Rassenunruhen, die durch den Freispruch für die vier weissen Polizisten, die den Schwarzen Rodney King misshandelt hatten, ausgelöst wurden. Das daraus resultierende Imageproblem des LAPD scheint eingedenk von Filmen wie «Training Day» oder der brillanten, preisgekrönten TV-Serie «The Shield» bis heute nicht gelöst. Geht es in Kino oder Fernsehen um «dirty cops», stehen diese meist auf der Lohnliste des LAPD. «Dark Blue» wirkt bisweilen – auch formal – wie eine Spielfilmfassung von «The Shield», nur ist hier der Sumpf ungleich tiefer, der Ton noch etwas rauer, die Schilderung noch ein wenig härter. Regisseur Ron Shelton, der sich mit belanglosen Sportfilmen wie «Tin Cup» noch nicht gerade besonders nachdrücklich für das Filmemacher-Verdienstkreuz beworben hat, trägt dem auch optisch Rechnung, indem er L.A. nur von seiner schmutzigsten Seite zeigt. Seine schnörkellose, recht temporeiche Inszenierung, meist von unfreundlichen Rap-Rhythmen begleitet, lässt keine Längen aufkommen und bleibt – einigen Klischees zum Trotz – jederzeit packend. Sich so gar nicht ins Gesamtbild einfügen will sich freilich der zu versöhnliche Schluss. Ein kompromissloseres, pessimistischeres Finale hätte «Dark Blue» jedenfalls besser zu Gesicht gestanden. So aber scheint die Rückkehr der Engel für einen Moment zumindest möglich.