Yeah, well, you know, that's just, like, your opinion, man.

The Dude

 

 


«Immaculate»

Heiland? Zack!

Der Okkult-Thriller «Immaculate» mag etwas ungestüm erzählt und weder allzu schlüssig noch wirklich stimmig sein. Aber er hat definitiv seine Momente – und entpuppt sich am Ende tatsächlich noch als höllischer Genrespass.

Ascot Elite

 

Von Sandro Danilo Spadini

 

Eine fromme junge Amerikanerin reist nach Italien, um sich zur Nonne ausbilden zu lassen? Doch anstatt gottesfürchtigen Seelenfrieden zu finden, gerät sie in einen Strudel des Bösen und die Fänge verschwörerischer Geistlicher, die ihren Körper missbrauchen, um darin ganz buchstäblich die Saat ihrer religiösen Hirngespinste spriessen zu lassen? Klar doch, «The First Omen», gerade erst erschienen. Korrekt! Aber auch: «Immaculate», ebenfalls frisch im Kino. Und um die Parallelen zu vervollständigen: Lupenreine und tadellose Vertreter des Genres des okkulten Horrorthrillers sind das beide. Müsste man sich allerdings für einen der beiden entscheiden, dann hätte wohl «Immaculate» hauchzart die Nase vorn, dieses Herzensprojekt der aufstrebenden 26-jährigen Schauspielerin Sydney Sweeney, die bereits vor einem Jahrzehnt für eine Rolle in einem auf dem Drehbuch von Andrew Lobel basierenden Film vorgesprochen hatte und dann nach ihrem Durchbruch das Projekt aus der Produktionshölle holte, indem sie die Rechte an der Geschichte kaufte und ihren «Lieblingsregisseur» Michael Mohan ins Boot holte. Mit ihm hatte sie zuvor den absolut akzeptablen Erotikthriller «The Voyeurs» gedreht, und darin hatte sie schon ziemlich heftig aufhorchen lassen (und das nicht etwa wegen der gleichsam anachronistisch anmutenden freizügigen Szenen; das kannte man von ihr schliesslich schon vom TV-Kulthit «Euphoria»). Nichtsdestotrotz ist die Jury noch immer am Beraten, was das Ausmass von Sweeneys Talentsegnung angeht. Zwar konnte sie in dem grandiosen Indie-Drama «Reality» fulminant nachdoppeln; doch ihr Auftritt in der verkorksten romantischen Komödie «Anything but You», wo sie ums Verrecken keinen Draht zu ihrem Partner Glen Powell finden wollte, liess die Euphorie etwas abkühlen. Womöglich aber war das einfach eine zu konventionelle Rolle für die Newcomerin, die sich ihre Sporen in kantigeren Produktionen wie «The Handmaiden’s Tale», «Under the Silver Lake» und als Charles-Manson-Jüngerin in Quentin Tarantinos Coup «Once Upon a Time… in Hollywood» abverdiente. Wie dem auch sei: Für «Immaculate» ist Sweeney fraglos die perfekte Wahl.
 
Schwieriger, als sie gedacht hat
 
Die Auftaktszene gehört freilich nicht ihrer Figur, sondern der jungen Nonne Mary (Simona Tabasco), die in Teufels Küche gerät, als sie eines Nachts per stibitzten Schlüssel aus ihrem Kloster türmen will – wobei sich die Kochstube des Beelzebub als ein Sarg herausstellt, ein geschlossener Sarg notabene, ein vergrabener geschlossener Sarg, um maximal genau zu sein. Das verheisst schon mal nichts Gutes für Sweeneys Cecilia, die sich anschickt, in die Fussstapfen der bedauernswerten Berufsgenossin zu treten. Dies umso weniger, als die angehende Gottesfrau aus der Nähe von Detroit ohnedies keinen übermässig robusten und lebenstauglichen Eindruck macht. So hat sie etwa wohl das Buch «Italienisch für Anfänger» pflichtschuldig in ihren Koffer gepackt. Doch als der Zöllner sie dann fragt: «Parli italiano?», reagiert sie mit purem Unverständnis. Zu Sinnen kommt das verdruckste Gottesgeschöpf erst nach der Übersetzung dieser hochkomplexen Phrase ins Englische wieder: Oh, sie versuche es, aber es sei viel schwieriger, als sie gedacht habe. Ein Naturtalent scheint die Gute also nicht zu sein und top vorbereitet auch nicht gerade. Der zackige Zöllner meint zum Abschied denn auch ohne grosse Überzeugung, er hoffe, sie finde, wonach sie suche, obwohl sie doch recht jung sei für eine Nonne. Und ausgeschlossen ist das selbstverständlich nicht. Denn Schwester Cecilia hat gewiss ihre Qualitäten. Die Mutter Oberin (Dora Romano) findet sie jedenfalls hübsch und meint das unzweideutig als Kompliment. Die unleidliche Schwester Isabelle (Giulia Hathfield di Renzi) taxiert sie derweil als süss – und will das ausdrücklich nicht als Lobpreisung verstanden haben. Denn sie zweifelt nicht nur an der Eignung Cecilias, sich hier zurechtzufinden – in einem Kloster, wo dem Tod geweihte Nonnen einen Platz zum Sterben finden. Sondern auch am Commitment der Novizin. Dabei ist Cecilia seit ihrem zwölften Lebensjahr von feurigem Glauben erfüllt – weil Gott, so ist sie felsenfest überzeugt, sie vor dem Ertrinkungstod rettete und sie ins Diesseits zurückholte, nachdem ihr Herz für fünf Minuten aufgehört hatte zu schlagen. Und gleichwohl: Für das, was sie hier erwarten wird, ist sie so gar nicht gewappnet. Der fesche Pater Tedeschi (Álvaro Morte) macht zwar einen passablen Eindruck; und die Zimmergenossin Guendalina (Benedetta Porcaroli), die findet, sie seien hier doch alles Verrückte oder Ausreisserinnen, hat eine erfrischend weltliche Art, sich Gehör zu verschaffen. Doch spätestens als die Mutter Oberin verkündet, Leiden sei Liebe, schrillen bei Cecilia die Alarmglocken – und da hat sie den sinistren kettenrauchenden Kardinal Merola (Giorgio Colangeli) noch gar nicht zu Gesicht bekommen.
 
Drei Akte, drei Gesichter
 
Allzu lange dauert es ja nicht, bis Cecilia zum ersten Mal mulmig zumute wird ­– man hat es halt ein bisschen eilig bei nur knapp 90 Minuten Spielzeit. Da hockt sie nach ihrer ersten Nacht im Kloster brav im Beichtstuhl, und der Priester wirkt vollkommen abwesend – oder ist er es sogar, also ganz konkret physisch? Ah, okay, alles nur ein Traum. Gehört schliesslich zu diesem Genre wie das Amen in der Kirche. Und ebenso gehört es dazu – oder sollte es dazugehören –, dass man nach der Auslegeordnung nicht mehr allzu lange fackelt und kernig loslegt mit dem Spuk. Das scheint auch Regisseur Mohan so zu sehen. Ungünstig nur, geht er beim Vorantreiben der Handlung reichlich ungestüm vor und baut die «Jump Scares» derart willkürlich in sie ein, dass die Geschichte nicht richtig in Fluss kommt. Und nach der grossen «Offenbarung», die der Filmtitel recht eigentlich schon vorweggenommen hat, nimmt er im zweiten Akt wieder Tempo raus und lässt die Spannung auf ein nicht ungefährliches Niveau abflachen. Selbst in dieser eher ereignisarmen Phase hat der Film aber seine Momente. Da ist etwa die prächtig pompöse Kulisse, die immer wieder Aufmerksamkeit heischt. Da sind aber auch mehr spielerische Elemente, die Aufsehen erregen: ein knackiger Spruch hier, eine musikalische Giallo-Reverenz da und ein seelenruhig abgetrennter Fingernagel dort. Und als Mohan im Schlussakt dann die Pauken, Trompeten und mannigfachen Werkzeuge des Todes (Feuersbrunst! Brandeisen! Kruzifix! Rosenkranz!) hervorkramt, da geschieht das dann doch wieder recht unvermittelt, mit dem sprichwörtlichen Zweihänder sozusagen und mit kaum verhohlener und abermals ungestümer Begeisterung. Es ist das dann quasi ein neuer Film – ungleich brachialer, mit mehr Pep und Pulp auch, fast slashermässig. Allzu schlüssig ist das handlungstechnisch zwar nicht, und ein wirklich stimmiges Bild ergibt das Ganze auch kaum. Aber Heilandzack: Spass macht das jetzt zweifellos – einen höllischen Heidenspass sogar.
 



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