Wind River

 

Eine Verbrecherjagd im Schnee – das mag für die am Dreh Beteiligten nicht gerade ein Schleck sein; für uns daheim in der warmen Stube indes ist das frappant oft ein frostiges Vergnügen. Dass uns bei dieser Art von Filmen regelmässig die Nackenhaare zu Berge stehen, mag atmosphärisch bedingt sein – in so einer weissen Landschaft knistert es halt gleichsam von Natur aus, da hat der Regisseur leichtes oder zumindest leichteres Spiel. Obendrauf aber zeichnen sich nicht eben wenige dieser Schneethriller, wie wir sie mal jovial nennen wollen, auch durch ein Skript mit prickelnder Handlung und originellen Figuren aus. Von «A Simple Plan» bis «Frozen River»; von «The Grey» bis «The Girl with the Dragon Tattoo»; von «Switchback» bis «Deadly Pursuit»; von «Insomnia» bis «The Shining»; von «Transsiberian» bis natürlich «Fargo»: Es schüttelt einen in diesen meister(werk)haften Genrestreifen auch wegen der nie abreissenden Spannung und der cleveren Volten öfters durch.


Zuwachs hat diese Liste unlängst durch Taylor Sheridans Regiezweitling «Wind River» erhalten. Sheridan hatte kurz davor mit den Drehbüchern zu dem in Mexiko spielenden Drogenthriller «Sicario» und vor allem dem in West Texas angesiedelten Neowestern «Hell or High Water» aufhorchen lassen. Vom Süden hat es ihn hier nun rauf in ein Indianerreservat in Wyoming verschlagen. Und der brutale Winter, der hier gerade herrscht, ist quasi einer der Hauptakteure: Die Kälte jedenfalls war es letztlich, die die indigene 18-jährige Natalie das junge Leben gekostet hat. Freilich: Eine Lungenblutung infolge der eisigen Luft, der sie zu lange ausgesetzt war, mag zwar die Todesursache sein; wer wirklich Schuld am Ableben des zuvor verprügelten und vergewaltigten Indianermädchens hat, ist indes eine ganz andere Frage. Sie zu klären, obliegt der FBI-Agentin Jane Banner (Elizabeth Olsen), die allerdings weder für die klimatischen Bedingungen gewappnet ist noch das nötige soziale Rüstzeug mitbringt, um sich in dem von Armut, ethnischen Konflikten und sexueller Gewalt verseuchten Reservat zurechtzufinden. Quasi als Kompass zur Seite gestellt wird ihr der Wildhüter Cory Lambert (Jeremy Renner), der die Leiche auch gefunden hat. Zu den hypnotischen Klängen von Warren Ellis und Nick Cave driften die beiden sodann tiefer und tiefer ab in eine Welt der Gewalt und Drogen, der jede Hoffnung und Perspektive abhandengekommen ist; und aus dem kommunen Whodunit mit Westernelementen wird über geschickt eingeflochtene Rückblenden allmählich ein bisweilen stilles und immer intensives humanistisches Kriminaldrama, das einen nie kaltlässt und nicht nur den von Olsen und Renner grandios gespielten Ermittlern das Blut in den Adern gefrieren lässt. Eine komplexe Figurenzeichnung, ein weitsichtiges Skript, das Gesellschaftsaspekte und Genreansprüche geschmackssicher ausbalanciert, und die sinnige und stimmige Einbettung des Schauplatzes und seiner Bedingungen in das grausliche Geschehen machen «Wind River» zu einem schauderhaft nachhallenden Trip in eine nicht nur für uns unvertraute, sondern auch sich selber fremd gewordene Welt. Von Taylor Sheridan kommt als Nächstes die Krimiadaption «Those Who Wish Me Dead» in die Kinos. Es geht hier um einen Teenager, der Zeuge eines Mordes geworden ist und sich nun mithilfe von Angelina Jolie den Killern zu entziehen versucht. Angesiedelt ist das Ganze in der Wildnis von Montana. Auf Schnee indes darf man nicht hoffen. Den Background bildet vielmehr ein wütender Waldbrand. Gespannt sind wir trotzdem sehr.