Verloren in der Belanglosigkeit

Sofia Coppola veranstaltet in «On the Rocks» einmal mehr ein Schnarchfestival, das zweierlei entlarvt: eine elitäre Arroganz gegenüber dem Publikum – und dass sie im Grunde nichts zu sagen hat.

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Von Sandro Danilo Spadini

«Du bist so ein Baby!», entfährt es Laura (Rashida Jones), als sie in der vielleicht einzigen substanziellen Szene in Sofia Coppolas Familienkomödie «On the Rocks» gegen Ende dann doch noch Geduld und Fassung verliert und Felix (Bill Murray) gehörig den chauvinistischen Dinosaurierkopf wäscht. Und dass sie ihren Vater derart anpflaumt, das hat schon seinen Sinn und seine Berechtigung. Denn mein Gott, hat dieser Typ auch uns zuvor ermüdet mit seinem endlosen Mansplaining und den trivialen Anekdoten, dem ach so kultiviert blasierten Referieren und dem potzblitzgescheit unkorrekten Philosophieren über das Weibliche ans sich. Nur richtet sich unsere entnervte Ermattung nicht an die Adresse dieses silberfuchsigen Bonvivants und schon gar nicht an seinen Verkörperer – sondern an dessen Schöpferin, die es hier einmal mehr fertiggebracht hat, ihrem Publikum einen Haufen Nichts vorzusetzen; so wie sie es nach ihrem doch schon 17 Jahre zurückliegenden Kunststück «Lost in Translation» eigentlich exklusiv getan hat. Hat man ihr bei «Marie Antoinette» freilich noch gebannt beim Scheitern zugeschaut, so ist die Aufmerksamkeit danach im letzten Jahrzehnt kontinuierlich abgesackt: Sowohl in «Somewhere» als auch in «The Bling Ring» und «The Beguiled» beliess es die von den Festivalgranden und der Filmkritik unverdrossen unterwürfig beklatschte Thronfolgerin des einst so grossen Francis Ford Coppola dabei, ein paar launige Kostproben hinzuwedeln, und faulenzte ansonsten keck auf ihren allmählich verdorrenden Lorbeeren.

Lässige Weltverdrossenheit

Schon da war eine gewisse elitäre Arroganz gegenüber dem Publikum spürbar; doch so schlimm wie jetzt war es noch nie. In «On the Rocks» verzückt nicht mal mehr eine hübsche Hülle, nicht mal das ist uns vergönnt; oder zumindest ist da nichts, was man nicht schon so ähnlich gesehen hätte bei ihr. Und geradeso verhält es sich mit den Protagonisten und ihrer lässigen Weltverdrossenheit, ihrem privilegierten Ennui: diesen in Coppolas cooler Leere Cocktails schlürfenden flach gebügelten Pappkameraden, bei denen man sich ständig fragt, warum zum Henker man ihnen denn dabei zusehen sollte, wie sie sich langweilen. Natürlich macht Bill Murray beim Martini in einer noblen New Yorker Jazzbar eine famose Figur; doch sich allein auf die so oft beschworene Contenance des «Lost in Translation»-Erfolgsgaranten zu verlassen, ist als Konzept halt schon ziemlich wenig. Das zeigt sich, schon bald nachdem er seine erste Aufwartung gemacht hat. Waren das davor 20 Minuten Leerlauf, in denen wir in das belanglose Oberschichtsleben der gerade verhinderten Autorin und zweifachen Mutter Laura eingeführt wurden, so folgen nun 70 Minuten Leerlauf mit Murray, in denen Felix ihr hilft, herauszufinden, ob ihr arbeitswütiger Mann (Marlon Wayans) sie betrügt. Jetzt ist auch die Zeit für Humor gekommen – für nächtliche Observationen in feuerroten Sportwagen, hihi; für Flirts mit russischen Kellnerinnen, hihi; für Lauras existenzielle Fragen und Felix’ nihilistische Antworten, hihi. Sprich: Wenn etwas so gar nicht die Stärke von Coppola ist, dann ist es Humor, zumal einer, der mehr möchte, als den Snobs auf den guten Plätzen ein süffisantes Schmunzeln abzuluchsen. Ein Woody Allen, den sich Coppola hier offenkundig zum Paten genommen hat, kann das – pst! – auch mit fast 85 Jahren und bei chronischer Altersformschwäche noch frischer, aber das ist heute keine akzeptable Meinung mehr.

Von wegen sophisticated

Es ist uns entsprechend so was von egal, ob Lauras Gatte eine Neue hat oder nicht. Da geht es uns ähnlich wie Laura selbst, wenn sie wieder einmal von dieser egozentrischen Zicke (Jenny Slate) zugetextet wird und nur mit einem halben Ohr zuhört. Schuld an diesem Desinteresse ist freilich nicht, dass uns die Helden dieses Schwanks, die es immerhin sehr gut miteinander können, unsympathisch wären – die vielmehr stets liebenswerte Rashida Jones weiss das rein kraft ihrer einnehmend natürlichen Präsenz zu verhindern; und Murray ist halt Murray – mag man oder mag man nicht. Es ist auch nicht die aufreizende Nonchalance, mit der Coppola hier zur Tat schreitet, die einen schnell mental wegzappen lässt: Dass «On the Rocks» nicht bissig biestig daherkommt, soll ihr nicht vorgehalten werden – es würde sich das ja auch schlecht vertragen mit einem Bill Murray im Bill-Murray-Default-Modus. Aber es scheint Coppola schlicht am Willen zu mangeln, den gestrigen Klischees etwas relevant Heutiges abzugewinnen und wenigstens sporadisch unter die Oberfläche zu spähen. Das ist faul und das Gegenteil von geistreich. Und dass ein Film, der sich so sophisticated und den schönen Dingen zugeneigt gibt, so schal und seicht herauskommt, als Äquivalent eines abgepackten, seelenvergessen vor dem Computer konsumierten Supermarkt-Salats – das ist dann doch reichlich ernüchternd. «Was ist mit dir passiert? Es hat doch früher so viel Spass gemacht mit dir», seufzt Felix, nachdem Laura ihm die Meinung gegeigt hat. Es liesse sich das ebenso auf Sofia Coppola münzen. Aber ganz ehrlich: ist mittlerweile doch auch wurscht.