Einmal kräftig durchgewechselt und zurück auf Start

Bourne ohne Bourne: Dem vierten Teil der Actionreihe fehlen die Titelfigur, der Star und der Stammregisseur. Trotzdem geht «The Bourne Legacy» ab – auf den ersten Metern.

 

von Sandro Danilo Spadini

Harsch waren die Worte, die Matt Damon an den Mann adressierte, der die Drehbücher zu seinen drei Jason-Bourne-Filmen verfasst hatte: Tony Gilroy habe für den Trilogieabschluss «The Bourne Ultimatum» vom Studio einen Freifahrtschein erhalten und sich dann null angestrengt. Was er abgeliefert habe, sei «unleserlich» gewesen, ein «Karrierekiller» sogar: «Ich meine, ich könnte das Ding auf eBay stellen, und es wäre ‹Game Over› für diesen Typen.» Die Wörter «furchtbar» und «peinlich» fielen auch noch, und somit ist es wirklich nicht verwunderlich, dass der von Gilroy gleich auch noch inszenierte vierte Teil der Reihe ohne Damon vonstattengeht. Weg ist damit auch Regisseur Paul Greengrass: jener Damon-Intimus, der «The Bourne Ultimatum» dann doch noch zum Triumph machte, nachdem er schon den Vorgänger verantwortet hatte. Übrig geblieben ist derweil der Name im Titel: «The Bourne Legacy» heisst Gilroys über zweistündiges Werk, dessen Handlung nur mehr «inspiriert» ist von den Buchvorlagen Robert Ludlums.

Der logische Nachfolger

Der flüchtige Jason Bourne ist als Gespenst der Vergangenheit freilich trotzdem sehr präsent hier – gerade in den ersten Minuten. Und diese ersten Minuten sind grandios, auch wenn sie fast ohne Action auskommen. Denn geradeso gut wie Greengrass versteht es Gilroy, die eisige Stimmung ständig drohenden Unheils heraufzubeschwören. Er tut dies mit hohen Schauwerten in kalten Farben und der fiebrig-schüttelfrostigen Inszenierung eines Paranoiathrillers – also ganz in der Tradition der Reihe. Ähnlich nahtlos fügen sich der neue Star und seine Figur ein: Jeremy Renner ist als Aaron Cross der logische Nachfolger von Matt Damon und seinem Jason Bourne. Der auch schon 41-jährige Shootingstar aus «The Hurt Locker» bringt hier jene Mischung aus fragilem Geist und körperlicher Präsenz ein, nach der diese Rolle schreit: eine Rolle, die sich letztlich nur in Nuancen von der Damons unterscheidet. Auch an Cross nämlich haben kantige Regierungsschergen herumbasteln lassen. Anders als bei Bourne haben sich die Forscher indes nicht am Oberstübchen zu schaffen gemacht, sondern «bloss» eine genetische Umprogrammierung vorgenommen: Indem sie zwei Chromosomen leicht veränderten, wollten sie die Killermaschinen des Black-Ops-Programms Outcome leistungsfähiger und schmerzunempfindlicher machen. Sieht man Cross in Alaska beim Tauchen zu, darf man schliessen, dass das Programm wohl erfolgreich war. Auch die Chefs scheinen mit ihm recht zufrieden – so lange jedenfalls, bis auf Youtube ein Clip auftaucht, der den Outcome-Oberguru mit dem diskreditierten Vater des Treadstone-Programms aus Bourne-Zeiten zeigt. Nun will man Outcome beenden. Das heisst: Sämtliche Teilnehmer werden «eliminiert». Entweder schlicht mit dem Vertauschen der Medis. Oder auch rabiat wie im Fall von Alex Cross: Um dieses «Zielobjekt» zu «zerstören», wird eine Drohne gen Alaska geschickt. Doch das Versuchskaninchen entkommt – vorerst.

Ein bisschen langweilig

Die Verschwörungsgeschichte von «The Bourne Legacy» bewegt sich bei ihrem Verfolgungswahn örtlich zwar auf weniger internationalem, inhaltlich aber umso bekannterem Terrain. Wirklich neue Aspekte gewinnt Gilroy der Thematik freilich nicht ab, und ganz so geistreich wie anfangs suggeriert ist sein Film dann doch nicht. Dafür ist er eher actionarm, und wenn es doch mal zur Sache geht, dann wird auch der Unterschied zwischen Gilroy, dem Regisseur von «Michael Clayton», und Greengrass, dem Regisseur von «United 91», offensichtlich: Wo Letzterer die innere Befindlichkeit des Helden mittels Wackelkamera und Schnittsalat nach aussen kehrte, mag es Ersterer mehr elegant und geordnet. Das ist zwar gut gemacht, aber etwas langweilig. So wie eigentlich die gesamte zweite Hälfte des allzu gemächlich geratenen Films, der immerhin noch Edward Norton als bösen Anzugstypen und Rachel Weisz als gute Laborkittelträgerin in petto hat. Im Vergleich zu «Ultimatum» ist das ein Schritt zurück – zurück auf Start sozusagen. Denn schliesslich wird mit «The Bourne Legacy» ein gänzlich neues Kapitel der Serie aufgeschlagen. Und aller Anfang darf ja schwer sein.