Zwischen Touchdown und Moneten

Der Sport als Spiegelbild der Gesellschaft: Regisseur Oliver Stone wirft in seinem neuen Film einen bitterbösen Blick hinter die Kulissen des American Footballs.

 

von Sandro Danilo Spadini

Oliver Stone gehört nach wie vor zu den interessantesten, weil unbequemsten Persönlichkeiten des amerikanischen Kinos. Als beispielloser Provokateur, als verbissener Mahner unserer Zeit hat sich der dreifache Oscar-Gewinner im Laufe der letzten zwanzig Jahre einen Namen gemacht. Filme wie «Platoon», «Natural Born Killers» oder «JFK» haben sich trotz (oder wohl eher wegen) ihrer oftmals umstrittenen Thematik im Gedächtnis des regelmässigen Kinobesuchers festgesetzt. In seinem neuesten Werk «Any Given Sunday» hält Stone nun Amerikas liebstem Kind den Spiegel vor: dem American Football.

Dinosaurier unter Schlangen

 

Dass sich die Welt des Sports aufgrund gnadenloser kommerzieller Ausbeutung mehr und mehr zum Negativen entwickelt, ist auch hierzulande nicht gerade ein Geheimnis (Stichwort «Champions League»). Dass diese ganze Kommerzialisierung in Amerika noch etwas extremer betrieben wird, kann auch niemanden überraschen. Oliver Stone zeigt eine Welt voll von eitlen und korrupten Funktionäre, habgierigen Profis und omnipräsenten, skrupellosen Medienvertretern. Mittendrin in dieser geradezu dekadenten Gesellschaft steht Tony d’Amato (Al Pacino). D’Amato ist Teamchef der Miami Sharks und ein echter Dinosaurier des Footballs. Auch er muss einsehen, dass sich die Zeiten geändert haben, dass sein so heiss geliebter Sport längst zum Big Business verkommen ist. Anstatt sich auf die Taktik für das nächste Spiel zu konzentrieren, muss er sich mit einer biestigen Klubbesitzerin (Cameron Diaz) und mit einem völlig abgehobenen Jungstar (Jamie Foxx) herumplagen. Es ist Stone hoch anzurechnen, dass er diese so unterschiedlichen Charaktere nicht eindimensional zeichnet, nicht in ein indifferenziertes Gut-und-Böse-Schema presst. Optimal umgesetzt wurden Stones Vorgaben von einem fantastischen Staraufgebot, wobei in erster Linie Al Pacino herauszuheben ist. In seinem zerfurchten Gesicht spiegt sich in jeder Sekunde des Films die Verzweiflung und gleichsam die Leidenschaft des alten Haudegens d’Amato wider. Oliver Stone wird in Sachen Schauspielerführung oft als besessener Tyrann beschrieben, doch unbestritten bleibt, dass man gewisse Akteure selten besser gesehen hat als in seinen Filmen.

Faszination Football

Trotz aller Kritik, die Stone am American Football übt, überwiegt letztendlich doch die Liebe und die Faszination, die er diesem Sport entgegenbringt. In gewohnt rasanten Schnitten zeigt er ungemein packende Sportszenen, die ihresgleichen in der Filmgeschichte suchen. Seinem Stil treu bleibend drehte Stone einen überaus hektischen und lauten Film, welcher trotz eines wahren Wirrwarrs an Bildern äusserst homogen erscheint. «Any Given Sunday» ist ein knapp zweieinhalbstündiger Adrenalinstoss, der Oliver Stone zurück in die erste Liga bringt. Für alle Nicht-Sportbegeisterten sei indes einmal mehr Camus zitiert: «Alles, was ich über das Leben weiss, habe ich beim Fussball gelernt.» Also dann: Touchdown für Oliver Stone.