von Sandro Danilo Spadini
Zunächst Millionen von britischen Radiohörern, sodann Abermillionen von Kinozuschauern weltweit hat er einst zweifelsohne ernst zu nehmende Zwerchfellzerrungen zugefügt. Und auch heute noch, bald
25 Jahre nach seinem Tod, verursacht er intensivste Strapazen für die Lachmuskulaturen der vereinten Fernsehnationen. Keine Frage: Als unglaublich begnadeter Stimmenimitator im Äther und
unfassbar wandelbarer Komiker auf der Leinwand hat sich Peter Sellers auf die Ehrentafel der unsterblichen Show-Legenden klamaukt. Gleich in drei Rollen lernte er in «Dr. Strangelove» die Bombe
lieben; die Lizenz zum Töten wurde ihm in der Bond-Persiflage «Casino Royale» erteilt; als Chaos und Verwüstung bringender Inder schreckte er Blake Edwards «Party» auf; und sechsmal machte er als
trotteliger Inspektor Clouseau Jagd auf den rosaroten Panther beziehungsweise die Knochen seines Bediensteten Cato, das Nervenkostüm seines Vorgesetzten Dreyfus, das Herz so mancher Frau und das
Hirn diverser krimineller Organisationen.
Fans und Feinde
Im richtigen Leben indes war dieser Peter Sellers gar kein so lustiger Vogel. Äusserst fragil waren Physis wie Psyche. Als verzogenes Muttersöhnchen grossgezogen, hatte Sellers früh nicht nur mit
seinem schwachen Herz, sondern wohl auch mit seiner geistigen Fitness zu kämpfen, was in Anwandlungen von Jähzorn und Grössenwahn, übertriebener Exzentrik und Dünnhäutigkeit und auch in einer
gewissen Unreife unangenehmen Ausdruck fand und ihm eine Menge Feinde schuf. Als Peter Sellers am 24. Juli 1980 starb, war freilich zweierlei unzweifelhaft: Dieser Mann war ein Genie, und er war
kein ganz einfacher Zeitgenosse. In seinen nur 54 Jahren auf Gottes schöner Erde hat Peter Sellers seine Fans ins Verzücken gebracht und seine Regisseure zur Weissglut getrieben, einige Filme für
die Ewigkeit und einige für die Tonne gedreht, vier Frauen geheiratet, drei Kinder gezeugt, höchste Gipfel erklommen und tiefste Täler durchschritten, erfolgreich dem schnöden Mammon nachgejagt
und den Pleitegeier über sich kreisen sehen – und vor allem ein Leben hinter Masken gelebt. «Sehen Sie, ich habe keine wirkliche Persönlichkeit. Da war zwar früher ein Ich hinter all den Masken,
doch ich habe es chirurgisch entfernen lassen», sagte er einmal einem Reporter – wohl nur halb im Scherz.
Ein ziemlich starkes Stück
Diesen Unergründlichen zu ergründen schickt sich nun Regisseur Stephen Hopkins («Under Suspicion», «24») mit seinem fürs US-Fernsehen produzierten Biopic «The Life and Death of Peter Sellers» an. Licht ins
Dunkel versucht er mittels eines kühn verspielten Inszenierungsstils und einer innovativ originellen, zugleich auf Sorgfalt wie auf Ökonomie bedachten Erzählweise zu bringen – und natürlich mit
seinem unwiderstehlichen Hauptdarsteller Geoffrey Rush, der bereits in «Shine», «Quills» und «Frida» überzeugend reale Personen verkörpert hat. In zügigem Tempo verfolgt Hopkins Sellers’ Weg die
Karriereleiter rauf, runter und abermals rauf, derweil sich die erste Mrs. Sellers (Emily Watson), Sophia Loren (Sonia Aquino), Britt Ekland (Charlize Theron), Blake Edwards (John Lithgow) oder
Stanley Kubrick (Stanley Tucci) die Klinke in die Hand geben. Gezeigt wird Sellers im Scheinwerferlicht, glamourös, genial und egozentrisch, und im trauten Heim, fürsorglich, verletzlich und
verletzend. An keiner Station in Sellers’ Leben hält sich Hopkins jedoch allzu lange auf, was zugunsten der Vollständigkeit naturgemäss auf Kosten der Intensität geht. Dass «The Life and Death of
Peter Sellers» mehr in die Breite als in die Tiefe geht, ist letztlich aber vielleicht gar nicht so verkehrt. Denn so tief man auch gehen mag, diesen Mann schlüssig zu ergründen, dürfte ein Ding
der Unmöglichkeit bleiben – wenngleich Sellers’ Darstellung des eigenschaftslosen, nichts über sich wissenden Gärtners in seinem zweitletzten Film «Being There» relativ aufschlussreich sein mag.
Hopkins und Rush haben jedenfalls ein insgesamt spannendes, durchaus differenziertes, bisweilen verrücktes und streckenweise gar brillantes Porträt geschaffen, das dem Porträtierten nicht bloss
in darstellerischer, sondern auch in formaler Hinsicht gerecht wird. Und das ist schon ein ziemlich starkes Stück.