The Singing Detective

 

Stephen King bezeichnet sie als das «Citizen Kane» des Fernsehens, andere als dessen «Hamlet», und es ist durchaus möglich, dass sich David Lynch bei «Mulholland Dr.», David Cronenberg bei «Spider» und die Macher der «Sopranos» von ihr inspirieren liessen. Wie kann es also sein, dass diese hochgradig innovative und genial originelle sechsteilige britische Serie aus dem Jahr 1986 derart in der Versenkung verschwunden ist? Wobei: Der grosse Publikumsrenner war dieses von Dennis Potter geschriebene und von Jon Amiel inszenierte Unikat ja schon damals in den Achtzigerjahren nicht – was natürlich wenig wundert, ist das doch ein ziemlich irrer, bisweilen wirrer Mix, der das Potenzial hat, einen ganz kirre zu machen. So packte Potter in die nicht ganz sieben Stunden Spielzeit von «The Singing Detective» nicht nur Autobiografisches – allem voran die Haut- und Gelenkkrankheit Psoriasisarthritis, an der auch sein Protagonist Philip E. Marlow (Michael Gambon) leidet; sondern wie dessen Name schon mehr als suggeriert auch Reminiszenzen an den Film noir, Musicaleinlangen mit Songs aus den Vierzigern, Rückblenden in Marlows Kindheit sowie Fiebertrips ins Fantastische und fundierte Abschweifungen ins Psychoanalytische und damit naturgemäss einhergehend narrative Verrenkungen aller Art, mit abrupten Wechseln der Erzählebene, einem steten Switchen zwischen Traum und Realität sowie einem mutmasslich unzuverlässigen Erzähler.

Mehr die Stimmung als das Erzählte ist es freilich, die einem hier so überaus heftig den Atem verschlägt. Vor allem dann, wenn der obendrein an einer Schreibblockade laborierende Marlow vom Krankenbett in seine Fantasiewelt davonhalluziniert: zu einem stets mysteriös vage und letzten Endes ohne Auflösung bleibenden Krimi im Raymond-Chandler-Stil um einen singenden Privatdetektiv, dessen Plot er immer wieder variiert und neu justiert. Oder zurück in seine Kindheit ins ländliche England der Kriegszeit, zu den Erinnerungen an den gehörnten Vater und den Suizid der Mutter. Vollends aus dem Ruder läuft die Sache schliesslich, als sich noch eine vierte Dimension auftut, wenn der von seiner Krankheit und der Medikamentenverweigerung zusehends derangierte Zyniker Marlow zusätzlich von seinen eigenen Figurenkreationen besucht und mitunter heimgesucht wird. Diese krude Vermischung von Traum und Wirklichkeit, das Überblenden und Ersetzen von realen durch fiktive Personen und umgekehrt, ist es denn auch, was «The Singing Detective» nicht nur seine psychologische Tiefe verleiht, sondern eben auch Parallelen zu David Lynchs «Mulholland Dr.» (und ebenso «Lost Highway» und «Twin Peaks») evoziert. Vergessen gehen soll darüber indes nicht, dass dies ein (Kunst)werk ist, das sich kraft seiner maximalen Einzigartigkeit dann doch jeglichem Vergleich entzieht. Dies mussten nicht zuletzt auch die Macher des ziemlich verunglückten starbesetzten amerikanischen Filmremakes aus dem Jahr 2003 (mit Robert Downey Jr., Robin Wright, Adrien Brody, Katie Holmes und Mel Gibson) schmerzlich akzeptieren. Ein derart bahnbrechender, in Bann schlagender, kurios-genialischer Wahnsinnsstreich wie dieser, den das British Film Institute auf Platz 20 der 100 besten englischen Fernsehserien führt, ist weder nachahmbar noch wiederholbar.