Horror in Heidelberg

Ein ärztlicher Geheimbund treibt sein Unwesen an der renommierten Uni in Heidelberg: Dem Österreicher Stefan Ruzowitzky gelang mit seiner dritten Regiearbeit ein durchaus überzeugender, wenn auch etwas vorhersehbarer Horrorthriller.

 

von Sandro Danilo Spadini

Die Medizinstudentinnen Paula (Franka Potente) und Gretchen (Anna Loos) werden an der Uni Heidelberg zu einem Elitekurs in Anatomie zugelassen. Derweil Gretchen mehr an den männlichen Kommilitonen interessiert ist, möchte sich die ehrgeizige Paula ganz auf ihr Studium konzentrieren. Mit der Ruhe im beschaulichen Heidelberg ist es aber vorbei, als Paula auf einen ärztlichen Geheimbund stösst, welcher auf den Eid des Hippokrates pfeift und «zum Wohle der Allgemeinheit» auch nicht davor zurückschreckt, Menschenleben auszulöschen. Mit seiner dritten Regiearbeit «Anatomie» drehte der Österreicher Stefan Ruzowitzky («Die Siebtelbauern») einen Horrorthriller im Stile amerikanischer Schlitzerfilme wie «Scream» oder «I Know What You Did Last Summer». Doch im Gegensatz zu diesen ganz als «Whodunnit» aufgebauten Streifen, wird die Identität der Übeltäter in «Anatomie» bereits recht früh enthüllt. Auch die Frage, wer denn sonst noch alles bei den «Antihippokraten» die Finger mit im Spiel hat, ist nicht sonderlich fesselnd; allzu vorhersehbar und dem Genre verhaftet sind die Handlungsstränge geknüpft. In puncto Inszenierung hebt sich «Anatomie» allerdings wohltuend von den amerikanischen Produktionen ab und erinnert eher an den dänischen Klassiker «Nightwatch» aus dem Jahre 1994.

Stilsichere Regie

Wie bereits in dem mehrfach preisgekrönten Heimatdrama «Die Siebtelbauern» zeigt Ruzowitzky, welch grosses Talent in ihm steckt. Gekonnt lotet der 38jährige die Grenzen des für den Zuschauer Erträglichen aus, überschreitet aber selbige zu keiner Zeit. Wenn zu Beginn des Films ein junger Mann bei lebendigem Leib seziert wird, ist dies zwar bestimmt wenig appetitlich anzuschauen, doch wirkt die Szene weder billig noch geschmacklos. Besonders gelungen sind die Aufnahmen in dem von glänzendem, kaltem Stahl beherrschten Anatomiesaal. Überhaupt avanciert das hervorragend hergerichtete Universitätsgebäude mehr und mehr zum heimlichen «Star» von «Anatomie». Dies soll nun aber die Leistung des interessant zusammengestellten Ensembles nicht schmälern.

Das Ende der Krise?

Mit Franka Potente und Benno Fürmann holte Ruzowitzky nur zwei wirklich bekannte Gesichter des deutschen Films an Bord, was durchaus zu begrüssen ist. Eine deutsche Grossproduktion ohne Katja Riemann oder Til Schweiger ist ja auch einmal eine willkommene Abwechslung. Als recht hoffnungsvolle Neuentdeckungen dürfen vor allem Anna Loos und Sebastian Blomberg, der den undurchsichtigen Caspar spielt, genannt werden. Krise im deutschen Kino? Wer «Anatomie» gesehen hat, mag so recht daran nicht glauben. Diesem Horrorthriller ist durchaus zuzutrauen, ähnliche Einspielergebnisse zu erzielen wie beispielsweise «Lola rennt». Wen stört es da, dass es ein Österreicher ist, der den grössten Anteil hat an dieser alles in allem doch recht gelungen Produktion?