von Sandro Danilo Spadini
Rache ist ein Gericht, das gerade nach dem Gusto von Filmpromotoren am besten kalt oder wahlweise mindestens so am besten heiss zu servieren sei. Was der Däne Niels Arden Oplev in seinem
vergeltungsgetriebenen Hollywood-Debüt nun auftischt, ist freilich eher lauwarm – allen eiskalten Morden und feuerheissen Tränen zum Trotz. Am Helden von «Dead Man Down» liegt das zwar nicht; der ist nach
Schicksalsschlägen à gogo ausreichend hässig, und der Ire Colin Farrell spielt diesen ungarischen Trauerklos namens Victor auch stilecht mit der ihm eigenen virtuosen Augenbrauen-Akrobatik. Aber
Drehbuchautor J. H. Wyman («Fringe») scheint sich nicht entscheiden zu können, was er Oplev da auflegen möchte: Einen blutrünstigen Actionthriller amerikanischen Zuschnitts? Ein
figurenzentriertes Krimidrama europäischer Prägung? Oder gar eine subversive Satire im Gewand eines Reissers, die sich über Hollywood-Humbug mokiert? Lachhaft ist jedenfalls manches in Wymans
Kino- und Oplevs US-Erstling angesichts von Sinnfreiheiten, die noch dem windigsten Videopremierenschreiber die Schamesröte ins Gesicht treiben könnten. Oft genug verkommt dieser Debütantenball
denn auch zum Dilettantenfestival – was schade ist bei all dem Potenzial, das da geradeso oft hervorlugt.
In Melancholie gepackt
Dass Oplev etwas kann, zeigte sich schon bei seiner Adaptionsarbeit an Stieg Larssons «Millennium»-Trilogie: Mit «Verblendung» gelang ihm ein ausgewogener und stimmungsvoller Auftakt und der
Höhepunkt der Reihe. Hier nun ist es mit der Ausgewogenheit nicht mehr so weit her, schafft es Oplev doch selten, Struktur in den Plot zu bringen und die Action- und Dramaelemente
auszubalancieren. Dafür vermag er es wieder, einen im Nu in das von einer dicken Melancholieschicht überzogene Geschehen hineinzuziehen. Wenn Victor nach dem Vorspann auf dem Balkon seiner
Mietwohnung am New Yorker Stadtrand himmeltraurig in die graue Welt hinausstarrt, ist man so schon bereit, sich auf seine Geschichte einzulassen. Umso mehr, als sein Blick dabei jenen einer nicht
minder betrübt wirkenden Dame im Hochhaus vis-à-vis trifft. Denn diese Dame umweht ebenfalls etwas Rätselhaftes; und vor allem wird die französischstämmige Beatrice gespielt von der Schwedin
Noomi Rapace, die für Oplev bereits die Lisbeth Salander so grandios gab. Was die bei einem Autounfall verunstaltete Kosmetikerin an Abgründigem verbirgt, erfahren wir und Victor dann gleich beim
Schnupper-Date. Nun ist es nämlich schon Zeit für die erste und beileibe nicht letzte Wendung in diesem Grossstadtthriller, wo es immer dunkel oder trüb ist: Als Victor zu finalen Höflichkeiten
ansetzen will, zückt Beatrice plötzlich ihr Handy. In einer ersten und wiederum beileibe nicht letzten Abstrusität erscheint darauf ein Video, das Victor beim Morden zeigt. Und dabei hatte der
zuvor doch so einen professionellen Eindruck erweckt, als er in der Prolog-Schiesserei die Haut von Unterweltboss Alphonse (Terrence Howard) rettete.
Anspruchsvoll verzettelt
Gleich an drei Fronten manövriert Victor jetzt: an der Seite von Alphonse, dem seit Monaten ein anonymer Briefschreiber zusetzt; im Auftrag der bald lieb gewonnenen Erpresserin Beatrice, die den
Hinschied jenes Kerls begehrt, der an den Narben in ihrem Gesicht schuld hat; und in ureigenem Interesse gegen Alphonse und dessen albanische Spiessgesellen, denen er, wie wir in der nächsten
Wendung erfahren, den Tod seiner Familie anlastet. Victor meistert diese Verzettelung meist mit Geschick –für die Filmemacher aber ist sie leider zu anspruchsvoll. So verlieren sie Beatrice
zwischendurch aus den Augen, und dem Wettlauf mit der Zeit kommt im dümmsten Moment die Spannung abhanden. Am besten ist Oplevs Film sowieso in den balladesken Momenten, wo sich auch mal die
Hinterbänkler der kunterbunten Besetzung einschalten (Isabelle Huppert! Armand Assante! F. Murray Abraham!). In den dramatischen Spitzen jedoch läuft so einiges aus dem Ruder, auch das Spiel der
Stars. Und was sich Oplev und Wyman im Showdown leisten, geht dann auf keine Kuhhaut mehr. Selbst für Hollywood-Verhältnisse ist das nun allzu grober Unfug und zu viel der, so nehmen wir jetzt
doch mal an, unfreiwilligen Komik.