The Ox-Bow Incident

 

Dies ist der Lieblingsfilm von Clint Eastwood. Ein Western, schon klar, aber was für einer! Gedreht 1942, als das Genre erst gerade wieder aus der Versenkung auferstanden war, packt «The Ox-Bow Incident» einige für die damalige Zeit bemerkenswert heisse Eisen an und beeindruckt mit einer eher unüblich tiefschürfenden und letztlich geradezu erschütternden Menschlichkeit. Die Geschichte um einen dürftig informierten Mob aus einem Kaff in Nevada, der sich getrieben von wilder Rachlust aufmacht, die – vermeintlichen – Mörder eines lokalen Farmers zu lynchen, kann mit Blick auf die Fake-News-Problematik auch heute noch als Warnung dienen. Gedacht war das damals aber als Anklage gegen den Faschismus – ob den europäischen oder den amerikanischen, darüber scheiden sich indes die Geister. Ungewöhnlich ist dabei nicht zuletzt auch die Erzählperspektive: Es ist die des zynischen Verlierers Gil (Henry Fonda), der sich zwar des schreienden Unrechts bewusst ist, dessen Zeuge er gerade wird – der das Ganze aber mehr oder weniger stillschweigend geschehen lässt: keine pathetischen Worte, keine hehren Taten und mithin kein Vergleich zum Geschworenen Nummer 8 aus «Twelve Angry Men», mit dessen Verkörperung Fonda eineinhalb Jahrzehnte später unsterblich werden sollte. Angeprangert wird die menschliche Katastrophe, der die angeblichen Viehdiebe Dana Andrews, Anthony Quinn und Francis Ford zum Opfer fallen, zwar sehr wohl; dies aber in betont bedachtem, ja fast schon sachlichem Ton.

«The Ox-Bow Incident» ist alles andere als ein Wohlfühlfilm. In nur gerade 75 Minuten offenbart er fast alles Schlechte, wozu Menschen fähig sind, und kaum etwas, was Hoffnung macht. Beruhend auf dem gleichnamigen Roman von Walter Van Tilburg Clark, hat der Vielfilmer William A. Wellman («A Star Is Born») hier einen Western um Selbstjustiz und Mitläufertum gedreht, der mehr Gerechtigkeitsdrama ist und in seiner düsteren Grundstimmung bisweilen wie ein Film noir anmutet. Als «so scharf und kalt wie ein Messer» hat die «New York Times» damals Wellmans Inszenierung geadelt und zugleich den Mut der Macher gelobt, einen kommerziell derart wenig versprechenden Film auf den Markt zu bringen. Immerhin: Den Test der Zeit hat «The Ox-Bow Incident» mit Bravour bestanden. Wer das nicht glaubt, kann ja nochmals bei Clint Eastwood nachfragen.