Auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert

Altmodisch ja, altbacken nein: Die Patricia-Highsmith-Verfilmung «The Two Faces of January» ist ein psychologischer Thriller klassischer Art, der tief in griechischen Gefilden schürft.

 

von Sandro Danilo Spadini

Geschichten wie diese kann man heute ja fast nicht mehr erzählen. Zumal viele der Dinge, die unser Leben leichter machen (sollten), das Kino schwieriger machen. In der Welt von GPS und Smartphones, Totalüberwachung und Informationsschwemme wird es für die Meister der Spannung daher zusehends tückischer, ihre Helden vor aufreibende Herausforderungen zu stellen: Strandet da einer auf der Flucht etwa im Nichts, so lässt er sich per Handy halt hurtig Hilfe kommen. Verirrt er sich, checkt er mal eben die Karten-App. Möchte die Polizei ihn aufspüren, ortet sie ihn ratzfatz per Satellit. Fehlt einem irgendeine Info, findet sie sich sowieso per Mausklick oder Fingertipp. Schlaumeiereien wie Funklöcher, leere Akkus, Computerabstürze und Stromausfälle mögen da zwar den Helden oder dessen Häscher kurzzeitig in die dramaturgisch so wichtige Bredouille bringen; eleganter aber ist natürlich die aufwendige Lösung: Man siedelt sein Kriminalstück in einer enttechnologisierten Zukunftswelt oder in der guten alten Zeit an.

Auf Hitchcocks Spuren

Ob sich Regieneuling Hossein Amini solche Überlegungen ebenfalls gemacht hat, ist nicht verbrieft. Aber jedenfalls profitiert der Spannungsbogen seiner Patricia-Highsmith-Adaption massiv davon, hat der auf Romandrehbücher spezialisierte Iraner («Drive») sie dort belassen, wo sie war: im Jahr 1962. Und da er auch am Schauplatz Griechenland nicht rütteln mochte, hat «The Two Faces of January» nun nicht nur jene Rahmenbedingungen, dank denen es sich leichter auf Hitchcocks Spuren wandeln lässt; er hat so auch ein sonniges Ambiente, das selige Erinnerungen an Klassiker wie «The Man Who Knew Too Much» oder Jules Dassins «Topkapi» weckt. Ein bisschen düsterer als damals bei Doris Day oder Peter Ustinov geht es hier freilich schon zu. Dass dieser Thriller auch im Seelenleben tief schürfen dürfte, lässt schon der Auftakt an der Akropolis erahnen. Der Kerl dort im cremefarbenen Dreiteiler erinnere ihn an seinen Vater, meint der seit Kurzem in Athen als Fremdenführer wirkende Rydal (Oscar Isaac) da vielsagend. Und weil Rydal diesem just verstorbenen Vater nicht einmal die letzte Ehre erwiesen hat daheim in New Jersey, darf der angesprochene Chester (Viggo Mortensen) kaum mit seinen Sympathien rechnen. Gleichwohl machen er und seine junge Gattin Colette (Kirsten Dunst) bald Bekanntschaft mit dem südländisch wirkenden Yale-Absolventen. Der indes hat durchaus niedere Motive und luchst dem «Berater für risikoarme Anlagen» am Markt per Taschenspielertrick ein paar Drachmen ab. Das ist nun aber wahrlich eine Petitesse verglichen mit dem, was sich der ach so seriöse und begüterte Chester geleistet hat. Denn ganz so risikoarm waren seine Anlagen dann wohl doch nicht – sonst jedenfalls stünde später am Abend nicht plötzlich ein Typ mit Schiesseisen in seinem Hotelzimmer. Mit ihm kommt es schliesslich zum tödlichen Gerangel, Chester und Colette müssen fliehen, und der Einzige, der ihnen dabei helfen kann, ist prompt der windige Rydal.

Schneidige Stars

Nach 20 rassigen Minuten steht also das Arrangement. Nun, nach der Flucht nach Kreta, nimmt Amini etwas Tempo weg. Man könnte jetzt die Gegend geniessen, doch dann verpasste man womöglich das subtile Verlagern der Dynamik von der kriminologischen auf die psychologische Ebene. Es sind nämlich weniger die wie bei Hitchcock meist absenten Autoritäten, die den dreien zusetzen; vielmehr sind es die lange latenten Spannungen zwischen den Männern, die sie einholen. Amini bebildert diese Odyssee denn auch so, dass sich in ihr der «allmähliche Abstieg der drei Reisenden in ihre jeweils persönliche Hölle» spiegelt, wie er sagt. Auf Colette geht er dabei freilich kaum ein – quasi dem Rat von Highsmiths Verleger folgend, dass eine Story zwei neurotische Charaktere verkraften könne, deren drei aber zu viel seien. Umso plastischer zeigen Amini und seine schneidigen Stars, wie Chester ob Suff und Eifersucht zusehends die Kontrolle entgleitet, derweil sich Rydal vom Westentaschen-Ripley zur moralischen Instanz mausert. Und dass ihr Vater-Sohn-Konflikt nebst der ödipalen Komponente am Ende auch noch ein Minotaurus-Motiv erhält, passt natürlich ebenso gut zu den griechischen Gefilden wie das langsame Eskalieren der Tragödie.