Seelenfutter aus der Konserve

Das Musikmärchen «The High Note» möchte einem nicht das Showbusiness und dessen Unbilden vorführen, sondern eine gute Zeit bescheren. Trotz gewinnender Stars und einnehmender Sets gelingt das freilich nur leidlich.

 Universal

Von Sandro Danilo Spadini

Sie wolle Teil davon sein, etwas zu kreieren, was die Menschen da draussen sich etwas weniger allein fühlen lasse: Nein, es ist keine Hobbyschamanin, die das haucht. Keine Kunsttherapeutin und keine Kinderbuchautorin. Es ist, ohne Kohl und ohne jede Ironie, eine sich im Haifischbecken von L.A. durchboxende Musikproduzentin, die solch Verzärteltes in unser Erdenreich säuselt. Oder besser: eine angehende Musikproduzentin. Denn noch ist Maggie (Dakota Johnson) in erster Linie eine «persönliche Assistentin» – dies indes nicht von irgendwem, sondern von Soul-Superstar Grace Davis (Tracee Ellis Ross, die Tochter von Soul-Superstar Diana Ross). Seit drei Jahren umsorgt sie die elffache Grammy-Gewinnerin – «sie ist eine Ikone; das ist ein Traumjob» –, bringt ihr zwischendurch zwar auch mal einen Kaffee oder ihr Gewand in die Reinigung, macht aber schon ein bisschen mehr als das: zum Beispiel – sehr zum Missfallen des geld- und geltungsgierigen Managers Jack (Ice Cube) – Ratschläge erteilen und auf Grace einreden, sie solle doch lieber wieder mal neues Material aufnehmen, statt kreativ die Segel zu streichen und ein 10-Jahres-Engagement als «Resident Artist» in Las Vegas anzunehmen. Und am allerliebsten eben würde sie dieses neue Material produzieren.

Weichgespült statt knallhart

Einstweilen jedoch feilt sie nebenher an den Debütsongs des jungen R&B-Barden David (Kelvin Harrison Jr.), an dem ihr bald mehr als nur die Stimme gefällt; er ist es denn auch, dem gegenüber sie ihre hehre Motivation kundtut. Und spätestens da, wenn Maggie mit sehnsuchtsverzehrtem Blick zu ihrer Hymne anhebt, die jetzt eher nicht als Standardantwort eines Musikproduzenten aus Hollywood durchgeht, allerspätestens jetzt hat man gecheckt, dass hier niemand gedenkt, dem knallharten Showbusiness den Spiegel vorzuhalten, einem dessen Unbilden vorzuführen – dass zwar die Hürden und Fallstricke, die da allerorten lauern, nicht verschwiegen werden und man Grace ein kleines bisschen hadern lässt in ihrem goldenen Käfig, dass die «Botschaft» von «The High Note» aber geradezu putzig naiv ist: Folge deinen Träumen, höre auf dein Herz, und du wirst es schaffen! Es ist dies quasi die Antithese zu Bradley Coopers Meisterwerk «A Star Is Born» oder Brady Corbets verquerer Meditation «Vox Lux». Und es ist ohnehin eine cleane Musikwelt, die hier präsentiert wird, wo es der äusserste Exzess ist, wenn man mal ein Stück Kuchen mit Glasur mampft. Auch was Maggies Verhältnis zu ihrer Chefin Grace angeht, wird lieber weichgespült, als der Konflikt gesucht wie in «The Devil Wears Prada» oder «The Clouds of Sils Maria»: Die beiden habens einfach prima miteinander, und selbst als Maggie die Releaseparty zu Grace’ neuem Album verbockt und sie als Ersatz für Ariana Grande statt der gewünschten Taylor Swift oder The Weeknd ihren Schützling David von der Leine lassen will, ist das nicht länger tragisch.

Humor- und überraschungsarm

Das ist jetzt also wieder mal einer dieser Filme, die hundertprozentig Spoiler-resistent sind, vollständig immun gegen das Risiko, man könnte zu viel verraten und den Spass verderben. Nichts, niente, nada von dem, was Regie und Skript hier tun, weicht auch nur eine halbe Note ab vom ohrwurmstichigen Standardrepertoire. Man sieht förmlich vor sich, wie Drehbuchdebütantin Flora Greeson da mit Handbuch oder Software hantierte. Oder wie halt die Produzenten am Ende alles smooth und passend machten. Oder aber wie Regisseurin Nisha Ganatra die ganze Sache so hinbog, dass sie haargenau runterrattert wie ihr auch schon sehr klassischer, aber weitaus bissigerer und witzigerer Kinodurchbruch «Late Night» aus dem Vorjahr, wo ebenfalls eine Ikone ihren Zenit überschritten hatte und eine junge Idealistin auf dem Weg nach oben war. Aber gut: Ihr neuer Film hat andere Stärken. Und das ist die gute Nachricht: Er hat Stärken. Da ist natürlich die Musik, dieser Vintage-Soul und -R&B, den vielleicht manche mögen werden. Da sind diese Aufnahmen von Los Angeles, die bisweilen zwar so glatt und geschniegelt sind wie dieses Musikbusiness der Label-Lackaffen – die aber trotzdem schlicht traumhaft sind: die sonnigen Hollywood Hills oder der nächtliche Sunset Boulevard. Und während der hochbegabte Kelvin Harrison Jr. aus «Waves» wenig Attraktives zu tun bekommt, geben die beiden Hauptdarstellerinnen ihr Bestes: Dakota Johnson spielt diese patente, unprätentiöse Träumerin mit ihrer klapprigen Kiste und den bequemen Tischis mit gewinnendem Charme; und Tracee Ellis Ross verleiht ihrer Grace, deren Karriere noch weniger Überraschungen bereitzuhalten scheint als der Film, eine verschmitzte Grazie und kompensiert immerhin ein bisschen das Humordefizit des Skripts. Dieses wartet am Ende, als man ob des in der zweiten Hälfte nur mehr dahinplätschernden Plots fast eingenickt wäre, doch noch mit einem kecken Twist auf. Den hätte man sich aber besser gespart, versenkt er «The High Note» dann doch endgültig im Seifenopernhaftem.