Disappearance at Clifton Hill

 

Dieser eigenwillige kleine Mysterythriller war gleich für vier Canadian Screen Awards nominiert; und wie sehr die Sounddesigner, der Cutter, die Kamerafrau und Nebendarsteller Andy McQueen das auch verdient haben: Die wirklichen Helden hier sind trotzdem andere. Allen voran natürlich der junge koreanischstämmige Regisseur Albert Shin, der dieses Puzzle um eine 25 Jahre zurückliegende Kindsentführung mitgeschrieben und inszeniert hat. Dann ebenso selbstverständlich die Engländerin Tuppence Middleton, deren Abby eine formidable unzuverlässige Heldin abgibt, die vielleicht etwas auf der Spur ist, wenn sie sich nach der Rückkehr in ihre Heimatstadt nahe der Niagara-Fälle aus Trauer über den Tod der Mutter in die Aufklärung des längst erkalteten Falls stürzt –  womöglich aber auch nur einem weiteren Hirngespinst nachjagt. Und schliesslich trumpft da auch noch der kanadische Starregisseur David Cronenberg gross auf in der (Neben)rolle des örtlichen Verschwörungstheoretikers.


«The Dissappearance at Clifton Hill» ist einer der eher seltenen glücklichen Fälle, wo sie vor und vor allem hinter der Kamera die richtige Mischung finden aus schwarzem Humor und düsterer Atmosphäre, aus Suspense und Skurrilität. Es weht hier mit anderen Worten also nicht nur wegen der Wasserfälle ein Hauch von «Twin Peaks» durch die verlassene und verblasste Szenerie. Freilich kreiert Shin dabei eine zwar ebenso eigenartige, aber ganz eigene Welt: einen aus der Zeit gefallenen und bisweilen von dieser losgelösten Nicht-Ort, der quasi auf der Rückseite eines Postkarten-Touristenmagneten ein nostalgie- und wehmutumwehtes Schattendasein fristet. Dessen ziemlich trostloses Zentrum ist das Rainbow Inn, das dem Untergang geweihte Motel der toten Mutter, das Abby entgegen dem Willen ihrer Schwester (Hannah Gross) nur ungern dem lokalen Tycoon überlassen möchte. Und Abby ist nicht die Einzige, die sich hier wohlfühlt: Auch Shin nistet sich im Rainbow Inn ein, erkundet jeden staubigen Winkel dieser stoisch-trotzig ihrem Ende entgegenstrebenden Absteige und lässt sie in so kunst- wie stimmungsvollen Bildern nochmals zu einem letzten heiseren Hurra im Neonlicht erstrahlen. Wäre das nicht alles so schaurig-schön, man müsste es direkt mit der Angst zu tun bekommen. Doch dafür ist ja die zusehends erschütterndere Kriminalgeschichte da, die einem zwar nicht gerade den Atem stocken lässt, dafür aber mit einem fiesen finalen Twist aufwartet. Auch hier gilt mithin: Die Mischung passt prächtig.