Flinke Finger und blank liegende Nerven

Joe Carnahans starbesetzte Actionkomödie «Smokin’ Aces» zielt mit coolen Sprüchen und schmissiger Inszenierung auf Kultstatus, hat unter der gestylten Oberfläche aber nur wenig zu bieten.

 

von Sandro Danilo Spadini

Vor gut vier Jahren eroberte der damals 34-jährige Regieneuling Joe Carnahan mit dem rau realistischen und mit minimalen Mitteln gefertigten Polizeithriller «Narc» die Leinwände der Independent-Kinos. Vornehmlich dank der visuellen Wucht seines Erstlings wurde Carnahan schnell zum Shootingstar seiner Gilde emporgehoben und war fortan gerade dann in aller Munde, wenn es um die Realisierung viel (Geld) versprechender Genre-Projekte ging. Bald schon stellte sich freilich heraus, dass der William-Friedkin-Verehrer zum Typus jener halsstarrigen Regisseure gehört, die sich gerne zieren und zurückziehen, wo sie ihre künstlerische Freiheit und Integrität durch pekuniäre Interessen und daraus resultierende Zwänge bedroht sehen; aufgrund kreativer Differenzen liess Carnahan so etwa Hauptdarsteller und Produzent Tom Cruise am Set der durchaus ambitionierten Grossproduktion «Mission: Impossible III» sitzen und damit eine riesige Karrierechance fahren. Fahrlässig nannten dies die einen, charakterstark die anderen. Umso verblüffender ist es eingedenk dessen dann aber, dass der bärtige Parvenü nun mit keinem besseren Blatt in der Hand als dem rettungslos stilverliebten Actionschwank «Smokin’ Aces» zum Bewährungstest schreitet.

Ein Käfig voller Stars

Wie bis zu einem gewissen Grade schon bei «Narc» erachtet Carnahan auch seinen actiongeladenen und gewaltintensiven Zweitling zuvörderst als Spielwiese für formale Exzesse und Experimente und filmt beinahe exklusiv für die Galerie. Bei der Arbeit am Skript hat er sich derweil etwas gar lässig zurückgelehnt und sich zulasten handlungstechnischer Raffinesse mit dem Ausdenken von so sonderbar gewandeten wie frisierten Käuzen und den dazugehörigen Verbalsperenzchen begnügt. Zur fast fatalen Folge hat dies, dass an Stelle eines restlos durchdachten Plots ein höchst heterogener Haufen von Sprücheklopfern feilgeboten wird, denen erwartungsgemäss ordentlich prominente Menschen ihr Gesicht leihen. An erster Stelle steht hier der durch seine Glanzrolle in der HBO-Serie «Entourage» aus dem jahrelangen Ergänzungsspielerdasein hervorgetretene Jeremy Piven, der einen auf den Glitzerbühnen von Las Vegas beheimateten und mit dem Mob im Bett liegenden Showkünstler namens Buddy «Aces» Israel spielt. Wegen eines auf ihn ausgesetzten Millionen-Kopfgelds trachtet diesem Frank-Sinatra-Verschnitt gleich eine halbe Armee von Auftragskillern nach dem Leben – darunter auch die bei ihrem Kinodebüt recht verloren wirkende Sängerin Alicia Keys. Andere wiederum – wie die als FBI-Männer auftretenden Ray Liotta, Ryan Reynolds und Andy Garcia – haben ein vitales Interesse an Buddys Nicht-Hinschied. Und nochmals andere – so etwa der im Lederschwulen-Look chargierende Ben Affleck oder «Lost»-Star Matthew Fox – sind auch noch irgendwie dabei. Bei all diesen von der Regie weniger zum Spielen als vielmehr zum blossen Defilieren animierten Gestalten die Übersicht zu wahren, ist indes bereits eine kognitive Spitzenleistung – zumal Carnahan von Beginn weg den Turbo eingeschaltet hat und mit einer grenzwertig hetzenden Schnitttechnik operiert.

Cool, hip, kalt, hohl

Dies, die mit durchaus unnötig unappetitlichen Bildern aufwartende finale Gewaltorgie sowie alles dazwischen bezwecken ein wenig zu offensichtlich vor allem eines: cool und hip zu sein und Kultstatus zu erringen bei der Fangemeinde von Filmen wie «Snatch» oder «Jackie Brown». Reichlich und exotisch gewürzt mit knalligen Farben und brillant verrückten Bildern, hat das Ganze dafür aber etwas sehr wenig Fleisch am Knochen. Letztlich ist Carnahans spannungsvoll erwarteter Zweitling kaum mehr als kalt und hohl – wobei notabene eingeräumt werden muss, dass dieses schmissig inszenierte Chaos bisweilen auch höllischen Spass macht. Und der Begehrtheit seines Schöpfers wird dies nicht zuletzt dank zahlloser optischer Schmankerl auch keinen Abbruch tun. Eingeplant ist dieser nämlich für gleich drei verlockende Projekte: die James-Ellroy-Verfilmung «White Jazz», das Otto-Preminger-Remake «Bunny Lake Is Missing» sowie die Pablo-Escobar-Geschichte «Killing Pablo».