Elegante Stilübung unter dem Mond Floridas

Obwohl Drehbuch und Darsteller enttäuschen, hat Michael Mann mit seiner Filmversion der Achtzigerjahre-Kultserie «Miami Vice» abermals beeindruckendes Kino geschaffen.

 

von Sandro Danilo Spadini

So wie es Rollen gibt, die einem Schauspieler auf den Leib geschrieben sind, so gibt es auch Filmprojekte, die wie gemalt sind für einen bestimmten Regisseur. Die Kinoversion der Kultserie «Miami Vice» ist just so ein Fall, und der einzig mögliche Regisseur heisst hier Michael Mann. Logisch ist diese Lösung freilich nicht nur deshalb, da Mann von 1984 bis 1989 als ausführender Produzent des TV-Hits wirkte. Mit der Vehemenz eines zugekoksten kolumbianischen Drogendealers aufgedrängt hat sich selbige Lösung vielmehr auch deshalb, da das Vorlagenmaterial im praktischen Fernsehformat bereits sämtliche Ingredienzien eines echten Michael-Mann-Films enthält: zwei starke männliche Hauptfiguren, unlauteres nächtliches Treiben, unzimperliche De-luxe-Action, ein ausgeprägtes Faible für Stil und das Gespür für die passende Musik.

Rigorose Frischzellenkur

Unter solch günstigen Umständen durfte denn auch erwartet werden, dass Mann das Kardinalproblem dieses Projekts löst, das da lautet: Wie schaffe ich es, eine Marke, die sich wie kaum eine andere über ihren inzwischen gehörig in die Jahre gekommenen Zeitgeist-Look definiert, in die Gegenwart zu transponieren? Mann hat das einzig Richtige getan und «Miami Vice» unter Eliminierung des heutzutage dann doch eher affig denn elegant wirkenden Achtziger-Chics einer rigorosen Frischzellenkur unterzogen: Die berüchtigten Pastellfarben mussten weichen, die Jackettärmel wurden runtergerollt, und Socken tragen die Jungs von der Sitte mittlerweile auch. Geblieben sind derweil die schnittigen Fahruntersätze und die Namen der nach wie vor tipptopp gewandeten Undercover-Cops: James «Sonny» Crockett und Ricardo «Rico» Tubbs.

Klagen auf hohem Niveau

An Stelle von Don Johnson und Philip Michael Thomas geben im «Miami Vice»-Modell 2006 Colin Farrell und Jamie Foxx die geckenhaften Drogenschnüffler. Was die beiden hier nun zu ermitteln haben, vermag indes nicht derart zu fesseln, wie man sich das angesichts der viel versprechenden Ausgangslage und des alsdann den Himmel verheissenden Auftakts erhofft haben mag. Vielmehr zeigt sich bald, dass selbst ein Michael Mann sich an einem defizitären Skript die Zähne ausbeissen kann – einem mit markigem Cop-Jargon dröhnenden Skript, das der Maestro notabene selbst verfasst hat und dem nicht nur das rechte Timing, sondern Mann-untypisch auch eine psychologisch motivierte Zeichnung der in allerlei schwitzigen Leibesübungen engagierten Hauptfiguren abgeht. Die unter erheblichen Rhythmusstörungen leidende Story zum Laufen zu bringen, erweist sich folglich als ebenso mühselig, wie die Designeranzüge von Sonny und Rico mit Menschen zu füllen – wobei Letzteres auch den blassen Performances von Farrell und Foxx sowie deren unharmonischem Zusammenspiel geschuldet ist. Zurück bleibt ein gewisses Desinteresse an Plot wie Personal, das einem in weniger kompetenten Händen liegenden Film den Garaus gemacht hätte. Wenn jedoch der Regisseur von Meisterwerken wie «Heat» und «Collateral» das Zepter schwingt, muss jederzeit mit magischen Momenten gerechnet werden, die jegliche Mühsal vergessen machen lassen. Vertrauen darf man dann auch darin haben, dass sich hier dank abermals exquisitester Kameraarbeit und wiederum virtuosesten Lichtspiels wenigstens auf formaler Ebene sämtliche Einzelelemente zu einem maximal homogenen Ganzen fügen werden; dass die erst zum Schluss aufbrausende Brutalo-Action immer atemberaubend choreografiert ist und nie in blutgeilen Voyeurismus ausartet; und dass die im Mondschein glänzende Ferrari-Motorhaube eine Nachtwelt reflektieren wird, die in ihrer düsteren Schönheit zugleich berückend und beängstigend wirkt. So ist «Miami Vice» denn auch von Einstellung eins an unzweifelhaft als Michael-Mann-Film zu identifizieren: als Männer-Film, der die Coolness, nicht aber die Seele eines Eisblocks hat, als Kino für Kerle, die nebst herb maskulinem Gestus auch kühle Ästhetik und lässige Eleganz zu schätzen wissen. Drehbuch- und Darstellerdefizite zu beanstanden, bleibt ob dieses visuellen Zaubers so letztlich Klagen auf unerhört hohem Niveau.