Wenn die Ex einem nicht aus dem Kopf gehen will

Der vom neuen Komödien-Guru Judd Apatow produzierte Schwank «Forgetting Sarah Marshall» bricht immer wieder mit den Genrekonventionen und macht auch mit motivierten Darstellern Freude.

 

von Sandro Danilo Spadini

In Amerika kriegen sich Kritiker wie Publikum mittlerweile fast nicht mehr ein, wenn die Rede auf diesen Judd Apatow und die von ihm inszenierten («The 40 Year Old Virgin» und «Knocked up») oder produzierten (etwa «Superbad» und «Walk Hard») Streifen kommt. Fast im Nu hat es der 40-Jährige geschafft, seinen Namen gewissermassen als Marke zu etablieren. Ein Judd-Apatow-Film gilt so inzwischen nicht nur als Synonym für eine verrückt-verruchte Komödie, sondern auch als veritables Gütesiegel – Letzteres in den USA freilich noch mehr als bei uns, was mit dem als ziemlich amerikanisch zu klassifizierenden Humor seiner Erzeugnisse zu tun haben mag. Ob dieses Personenkults schon ein wenig zu bedauern sind derweil die Regisseure, die unter der Obhut Apatows ihre Filme fertigen; an ihre Namen kann sich meist kein Mensch erinnern.

Vergessen auf Hawaii

Das wird auch dem solide operierenden Debütanten Nicholas Stoller, dem inszenatorisch Verantwortlichen der neuen Apatow-Produktion «Forgetting Sarah Marshall», nicht anders ergehen. Dies auch deshalb, weil es hier neben dem Produzenten noch einen zweiten Mann gibt, der diese erquickende Komödie als «seinen» Film bezeichnen darf. Zu proklamieren, dass der aus diversen US-Serien bekannte Jason Segel der Star des Streifens ist, trifft nämlich gleich doppelt zu. Zum einen legt der eher schlecht gealterte 28-Jährige hier sein erstes Drehbuch vor; zum anderen hat sich Segel auch noch den Hauptpart auf den fast zwei Meter langen Leib geschrieben. In der Rolle des Musikers Peter Bretter sorgt er denn auch gleich zum Start für ein tabubrechendes komödiantisches Ausrufezeichen, wenn er in einem «Full Frontal Nudity Shot» – also nackig mit gut sichtbarem Zagel – von seiner Freundin (Kristen Bell aus «Heroes») mit dem einseitigen Aufkündigen der Beziehung konfrontiert wird. Die ihn da verlässt, ist der TV-Star Sarah Marshall, und diese gilt es dem Filmtitel gemäss nun also zu vergessen. Die kruden Ratschläge seines Halbbruders Brian (Bill Hader) ignorierend, stürzt sich Peter zunächst mal in manische sexuelle Aktivitäten. Als das nichts hilft, beschliesst er, sich in Hawaii eine Auszeit zu gönnen. Die so freundliche wie fesche Hotelrezeptionistin Rachel (Mila Kunis) ist dann schon mal ein erstes Versprechen für die unmittelbarste Zukunft. Doch schon im nächsten Augenblick herrscht wieder Finsternis, hat sich doch die zu vergessende Ex just im selben Etablissement einquartiert – und das auch noch mit dem neuen Galan, dem aufgeblasen-egozentrischen, aber nicht zwingend unsympathischen britischen Rockstar Aldous (Russell Brand). Derlei Koinzidenz wirft Peter bei der Sache mit dem Vergessen nun natürlich erheblich zurück, doch gibt es hier unter der prallen Sonne ja auch noch andere interessante Menschen, mit denen sich die Zeit vertreiben lässt: wie den geistig nie ganz präsenten Surflehrer (Paul Rudd), den sexuell gestörten Frischvermählten (Jack McBrayer), den pfundigen Barkeeper (Da’vone McDonald), den unwirschen Kellner (Jonah Hill) – und nicht zuletzt Rezeptionistin Rachel.

Verborgene Qualitäten

Allein schon an dieser (unvollständigen) Aufzählung wird ersichtlich, dass Segel beim Schreiben des Skripts nicht nur an seine eigene Figur und Profilierung gedacht hat und stattdessen auch den weiteren, durchweg top und mit einigen Apatow-Stammspielern besetzten Protagonisten die eine oder andere Sternminute zu gönnen bereit war. Entsprechend hat er sich auch die Mühe gemacht, die Klischees des nur scheinbar stereotypen Personals um jeweils spezifische Eigenheiten zu erweitern. Diese Vorgehensweise ist hier aber ohnehin Programm. So unterläuft der nahezu ohne Längen auskommende Film mit frechem und bisweilen auch recht derbem Humor immer wieder die Zuschauererwartungen und überrascht trotz manch grenzwertiger Ferkelei gleichwohl ein ums andere Mal mit gezielt nicht tiefgründigen, aber dennoch trefflichen Erläuterungen zum modernen urbanen Beziehungswirrwarr. Und hierin liegt – siehe «Knocked up» – neben dem humoristischen Harakiri eben die verborgene Stärke der Filme, bei denen dieser Judd Apatow seine Finger im Spiel gehabt hat.