Bekenntnisse eines Schwerenöters

Regisseur Charles Shyer hat ein clever  dem Zeitgeist  angepasstes,  der Originalversion  gleichwohl weit gehend treu bleibendes Update des britischen Sechzigerjahrehits «Alfie» gedreht.

 

von Sandro Danilo Spadini

Fast 40 Jahre ist es her, dass im London der «Swinging Sixties» ein wie Michael Caine ausschauender Gigolo namens Alfie die Damenwelt verzückte, verführte und verrückt machte. Im Minutentakt, filmtechnisch gesprochen, schleppte dieser stets top gekleidete Held der Arbeiterklasse die scharfen Bräute ab, lockte unzählige kesse Bienen in die Kiste und hielt so manchen flotten Käfer in seinem Netz gefangen. Mit dem aus jedem Millimeter Film triefenden Zeitgeist ist der Alfie anno 1966, gezeugt von Bill Naughton für das gleichnamige Bühnenstück und für die grosse Leinwand in Szene gesetzt von Lewis Gilbert, freilich längst von der Emanzipation zur letzten Unruhe gebettet worden. Wirklich schade um ihn ist es ja eigentlich nicht, war dieser notorische Schwerenöter doch auch ein zynischer Schweinehund, der nicht einmal vor der Frau seines kranken Freundes Halt machte. Nun aber, da sich das – pardon – schwächere Geschlecht hinreichend emanzipiert hat, darf Alfie von den Kino-Toten auferstehen und in der Gucci- und Prada-geschmückten Person von Jude Law abseits vom Londoner Arbeitermilieu in New York auf Pirsch gehen. Politisch korrigiert und gesellschaftlich geläutert. Ein kleines bisschen jedenfalls.

Überraschender Law

Nach «Get Carter» und «The Italian Job» ist «Alfie» das dritte Remake eines leicht angestaubten Michael-Caine-Klassikers, mit dem Hollywood sein Glück versucht. Da dies die ersten beiden Male nicht ganz so toll hingehauen hat, ist eine gesunde Portion Skepsis sehr wohl angezeigt. Erste Sorgenfalten bereitet schon mal die Besetzung: Jude Law ist gewiss ein ganz talentierter Schauspieler, aber halt mehr so ein ernsthafter, oft unfroh dreinblickend, bedeutungsschwer parlierend, monumental leidend. Mit Sicherheit hat dieser fesche Jüngling aber nicht den Hallodri-Quotienten eines Michael Caine oder des für diese Rolle so offenkundig prädestinierten Hugh Grant. Mit Sicherheit? Von wegen! Faustdick hat es dieser Kerl hinter den Ohren, und dass er die Herzen der Damen zum Schmelzen bringen kann, auf dass sie mit ihm Sachen machen, die das Freigabealter des Films in die Höhe schnellen lassen, ist wohl auch nicht die heisseste aller Neuigkeiten. Maximal zwei Minuten braucht der Sonnyboy denn auch nur, der wie Caine als «Gastgeber» fungiert und seine Bekenntnisse direkt in die Kamera spricht, um diese ersten Sorgenfalten verschwinden zu lassen. Und wer das nicht glaubt, den kommt der grimmige Sean Penn holen – siehe Oscar-Moderator Chris Rock, der für seine Sprüche über Law von Penn vor einem Millionenpublikum verbal abgewatscht wurde.

Unverfängliches Amüsement

Nun gut, die Personalie Law wäre also geklärt. Was aber ist mit Alfies Machismo? Ist das Modell 2005 tatsächlich «kastriert», wie dies die Kommentatorin der «New York Post» postuliert hat? Na ja, wie mans nimmt. Gänzlich frei von sexistischem Tun ist der gute Mann zwar mitnichten, und die Freundin seines Kumpels legt auch er flach, doch ist er der Vorgängerversion insgesamt schon moralisch überlegen, menschlicher, reflektierter. Als ihn etwa seine einmal zu oft betrogene «Quasi-Freundin» (Marisa Tomei) verlässt, ist er gar so schlecht drauf, dass ihm sein «Big Ben» beim flotten Dreier den Dienst verweigert. Auch bei der Laufpass-Erteilung für eine überdrehte Blondine (Laws Schatzi Sienna Miller) ist ihm nicht ganz wohl ums Herz, und wenn am Ende er selbst von einer reiferen Gespielin (Susan Sarandon) abserviert wird, ist endgültig Schluss mit lustig. So weit, so gut. Indes: Wie schaut es denn mit Regisseur Charles Shyer aus? Ist jemand, der in zwei Jahrzehnten nur sieben Filme gedreht hat, wirklich fit für «Alfie»? Doch, doch, durchaus. Mit Remakes kennt sich dieser Mann nämlich ein wenig aus, hat er doch einst «Father of the Bride» neu verfilmt. Und clever genug ist er ebenfalls. So zeigt er sich zwar in vielerlei Hinsicht respektvoll gegenüber dem Original, versäumt es aber gleichzeitig nicht, seinem Alfie, mit dem er eine gewisse Schwäche für Stil teilt, das zwingend nötige Lifting zu verpassen. Etwas mehr Pep, Witz und Sexyness hätte sein Update zwar schon noch vertragen, doch immerhin bietet auch es nebst letztlich unverfänglichem Amüsement noch einige gescheite und berührende Momente.