Die zehn besten TV-Serien des Jahrzehnts

Die «Nullerjahre» sind fast zu Ende. Sie werden den TV-Serien-Fans als jenes Jahrzehnt in Erinnerung bleiben, in welchem in Sachen Qualität und Kreativität ein Quantensprung vollzogen wurde – auch wenn es zuletzt wieder ein wenig bergab ging. Als Würdigung des gloriosen TV-Schaffens der letzten zehn Jahre hier unsere Top-Ten-Serien.

 

10. «Mad Men» (seit 2007)
Angesiedelt im New York der frühen Sechzigerjahre, erzählt der Golden-Globe-Gewinner der letzten beiden Jahre von einer renommierten Werbeagentur und deren Mitarbeitern. Political Correctness ist in dieser atmosphärisch eingefangenen Welt noch weit weg, die Ehefrau betrügen gilt als sportlich, geraucht wird ständig und überall, getrunken schon vormittags, und zwar Hartes. Strenge Scheitelfrisuren und edles Gewand sind das optische Markenzeichen dieser «verrückten Männer» – auch die Stylisten haben ihren Anteil daran, dass «Mad Men» als derzeit grösstes TV-Ereignis gefeiert wird. Und Hauptfigur Don Draper – ein Mann mit glanzvollen Werbeideen und geheimnisvollem Werdegang – wurde unlängst auf der Website AskMen.com zum einflussreichsten Mann der Welt gewählt, vor Usain Bolt und Barack Obama.

 

9. «Lost» (seit 2004)
Ein Flugzeug stürzt auf eine Insel ab, die auf keiner Landkarte zu sein scheint und auch sonst anders ist als handelsübliche irdische Plätze: Die Ausgangslage zu der von TV-Wunderkind J.J. Abrams kreierten Serie schien zwar reizvoll – eine Mischung aus «The X-Files» und «Robinson Crusoe» sozusagen. Doch allzu lange würden weder die Macher noch die Neo-Inselbewohner mit diesem Konzept überleben, dachte man damals zum Start von «Lost». Ähnliches hat man dann am Ende jeder Staffel gedacht, wenn die Serie jeweils an einem Punkt angelangt war, wo es scheinbar kein Vorwärts mehr geben konnte. Man hat sich freilich am Anfang geirrt und irrt sich auch jetzt immer wieder aufs Neue. «Lost» geht im Februar in seine schon sechste Staffel, und den Schreibern ist bislang noch für jedes neue Kapitel etwas sagenhaft Cleveres eingefallen.

8. «24» (seit 2001)
Siebenmal bereits hat Kiefer Sutherland alias Jack Bauer inzwischen die USA gerettet – vor Terroristen und korrupten Politikern, denen im Stundentakt stets neue Fiesheiten einfallen. Langweilig wirds trotzdem nicht, auch wenn das revolutionäre Echtzeit-Konzept mittlerweile ein wenig seinen Reiz verloren hat und Jack Bauer psychisch wie physisch so angeschlagen ist, dass man ihm den Ruhestand gönnte. Zwischendurch gabs wohl immer wieder mal Durchhänger wie auch fragwürdige Botschaften; gerade in Staffel 7 hat das Autorenteam aber wieder frischen Wind reingebracht und mit der Reflexion gerade zur sonst so lässig behandelten Folterthematik sich dem veränderten Zeitgeist angepasst. Und deshalb gehts ab Januar auch in die wohlverdiente achte Runde.

7. «Coupling» (2000 bis 2004)
Die BBC-Serie um sechs Neurotiker in konstanten Liebesnöten bot zwar nur 28 halbstündige Folgen. In diesen gab es aber mindestens so viele komödiantische Meisterleistungen wie in den 238 Folgen der vergleichbaren «Friends» zusammen. Der Humor war dabei nicht unbedingt der berüchtigt britische, aber um einiges «erwachsener» als beim Vorbild. Die Amerikaner versuchten es nach dem frühen Ende des Originals mit einem Remake – und setzten es nach einer kläglichen Staffel bereits wieder ab.

6. «The Office» (2001 bis 2003)
Die vom englischen Komödiengenie Ricky Gervais ersonnene Serie um das Büro einer Papierunternehmung und dessen profilierungssüchtigen Chef war gar noch kurzlebiger als «Coupling», verdient sich aber Pluspunkte in Sachen Originalität. Die BBC-Show hat das Subgenre «Mockumentary» – eine fiktionale Geschichte im Doku-Gewand – erst richtig populär gemacht. Auch diesem Format ist es geschuldet, dass der Humor mitunter eine ganz sonderbare Wirkung entfaltet: Ob all der Peinlichkeiten, denen Gervais die von ihm selbst gespielte Hauptfigur aussetzt, tut das Lachen bisweilen geradezu weh, sodass man sich eigentlich lieber fremdschämen möchte. Hier hatten die Amerikaner mit einer eigenen Version mehr Glück; sie läuft auf Hochtouren und verdientermassen bereits in der sechsten Staffel. Gervais‘ Konzept ist derart bestechend, dass sogar die deutsche Version «Stromberg» einigermassen funktioniert.

5. «The West Wing» (1999 bis 2006)
Martin Sheen verkörperte Jed Bartlet und mit diesem während der zappendusteren Bush-Jahre das Präsidenten-Idealbild des liberalen Amerika, noch bevor Obama auf der Bildfläche erschien. Mit pointierten Stakkato-Wortschwallen behandelte «The West Wing» in acht Staffeln das politische Tagesgeschäft und die persönlichen Dramen rund um den Präsidenten und dessen engste Mitarbeiter. Dabei schoss das Pathos bei aller Glaubwürdigkeit gelegentlich wohl in gewisse Höhen. Grundsätzlich war Politik jedoch nie spannender als in «The West Wing».


4. «The Sopranos» (1999 bis 2007)
Ein psychisch lädierter Mafiaboss als Serienheld – geht das? Der Bezahlsender HBO wagte es und erhielt dafür Lob und Preise im Multipack. James Gandolfini als Tony Soprano verkörpert die Mafia respektive deren popkulturelle Version mittlerweile ebenso prägnant wie der ewige Pate von Marlon Brando. Freilich zeichnet die im abgrundhässlichen New Jersey sowie in Brooklyn spielende Serie ein ungleich realistischeres Bild der Mafia und fokussiert gleichzeitig auch auf die Absurditäten dieser Welt. «The Sopranos» glänzte mit Produktionsstandards auf Kinoniveau, charismatischen Charakterköpfen vor der Linse, blitzgescheiter Schreibe – und der weisen Strategie, auf dem Höhepunkt Schluss zu machen.


3. «Sex and the City» (1998 bis 2004)
Keine Serie dieses Jahrzehnts war stilbildender, weil keine Serie dieses Jahrzehnts zeitgeistiger war. Zwar kümmerte das nur die eine Hälfte der Menschheit, weil «SATC» allen anderslautenden Voten zum Trotz nun mal nichts für Männer war. Dem ebenfalls von HBO produzierten Phänomen konnte sich aber auch diese Hälfte nicht verschliessen. Über den Einfluss von Carrie und Co. auf die Emanzipation und das Frauen-Selbstbild gibt es inzwischen sogar zahllose wissenschaftliche Abhandlungen.


2. «The Shield» (2002 bis 2008)
Rau, roh, realistisch, aber nie reisserisch: Das ist die in den dunkelsten Strassen von L.A. spielende Polizeiserie «The Shield». Einen Grossteil ihres Reizes bezog die FOX-Show aus ihrer hoch ambivalenten Hauptfigur. Detective Vic Mackey, kernig dargestellt von Glatzkopf Michael Chiklis, unterminiert schon im Pilot seinen Status als potenzieller Held, wenn er kaltblütig einen Kollegen erschiesst. Ausgehend von diesem Schock, fordert Serienerfinder Shawn Ryan in der Folge das Publikum stets aufs Neue heraus, seine Meinung über Mackey neu zu evaluieren. Dieser mag wohl korrupt und grobschlächtig sein, zweifellos ist er aber auch ungemein fähig und steht meist auf der richtigen Seite. Heiligt der Zweck die Mittel? Das ist die grosse Frage von «The Shield», die in sieben Staffeln unter stetig verzwickteren Bedingungen gestellt wird.


1. «The Wire» (2002 bis 2008)
Ohne zu wissend oder besserwisserisch zu sein: Diese bei uns kaum bekannte HBO-Polizeiserie ist das definitive TV-Highlight der Nullerjahre. In jeder Staffel wird in der vom einstigen Polizeireporter David Simon kreierten Serie das Hauptaugenmerk auf einen spezifischen Aspekt der Stadt Baltimore gerichtet: auf die Polizei, den Hafen, die Drogenszene, die Politik, die Presse. Einfach ist es dabei nicht: Eine Heerschar von Figuren manövriert sich in fast unverständlichem Szene-Englisch durch ein komplex komponiertes Geschichtengestrüpp, und weit und breit sind keine bekannten Darstellergesichter, die einem bei der Orientierung helfen würden. Die Einschaltquoten waren auch deshalb nie berauschend; doch zum Glück sind bei HBO seit jeher Leute am Ruder, die der Kreativität einen ähnlich hohen Stellenwert wie dem Profit einräumen. Jede Staffel für sich ist ein Meilenstein, die Serie als Ganzes ein Meisterwerk. Ein Kunstwerk von epochalem Ausmass – oder: die grosse amerikanische Geschichte dieses Jahrzehnts.

 


Auch gut

«Six Feet Under» (2001 bis 2005): Das von «American Beauty»-Autor Alan Ball kreierte Drama um ein Familienunternehmen aus dem Bereich Bestattungen hatte darstellerisch so viel zu bieten wie keine andere Serie. Gegen Ende wurde es indes so deprimierend, dass pro Folge eine Familienpackung Prozac draufging.


«30 Rock» (seit 2006): Die dutzendfach preisgekrönte Comedy von und mit «Saturday Night Live»-Ikone Tina Fey ist wohl das Amüsanteste, was das Fernsehen derzeit zu bieten hat – nicht zuletzt wegen eines Alec Baldwin in der Form seines Lebens. Beim thematischen Konzept ist Fey nicht weit abgeschweift: Es geht um eine TV-Comedy-Show.


«Damages» (seit 2007): Glenn Close spielt in dieser Thriller-Serie aus der Welt der Hochfinanz eine skrupellose Anwältin, die auch dann mindestens zwiespältig bleibt, wenn sie auf der richtigen Seite steht. Bislang sind zwei Staffeln gelaufen – und beide waren spannend bis zum Herzinfarkt.


«Entourage» (seit 2004): Noch ein Knüller aus dem Hause HBO. In der von Mark Wahlberg mitproduzierten Serie folgen wir einem Schauspielerstar und seinem lebensfrohen Anhang auf dem (Irr-)Weg durch die Verlockungen und Fallgruben Hollywoods. Das Abo für das Branchenblatt «Variety» kann man sich dank «Entourage» sparen – denn die Realität lauert zusammen mit den sich selber spielenden Gaststars stets hinter der nächsten Ecke.


«Alias» (2001 bis 2006): In Sachen Produktionsstandards setzte der erste grosse Erfolg von J.J. Abrams neue Massstäbe. Die Agentenserie mit «Da Vinci Code»-Anstrich mag wohl gegen Ende recht konfus geworden sein. Doch mit Jennifer Garner hatte sie fraglos die attraktivste Hauptdarstellerin dieses Jahrzehnts.