von Sandro Danilo Spadini
Lebensnah und bedrückend, unspektakulär inszeniert und gemessen erzählt, ganz auf den Menschen und dessen Gefühle fixiert: Dies sind die primären Kennzeichen einer Reihe neuerer, mit kleinem
Budget produzierter amerikanischer Familiendramen. Angesiedelt sind diese in der Regel von grossartigen Schauspielerleistungen geprägten Geschichten in der Provinz, in den von der bürgerlichen
Mittelschicht bewohnten und so genuin amerikanischen Kleinstädten. Leider viel zu selten schaffen es diese kleinen Kinoperlen in die hiesigen Lichtspielhäuser. So blieb dem Schweizer Cineasten
ein solch wunderbarer Film wie Kenneth Lonergans «You Can Count on Me» trotz Oscar-Nominierung für Hauptdarstellerin Laura Linney im vergangenen Jahr vorenthalten, derweil zuletzt Scott McGehees
und David Siegels – allerdings nicht ganz so gelungenes – Drama «The Deep End» immerhin in den grösseren Städten der Schweiz zu sehen war.
Beklemmend realistisch
Anders schaut die Sache im Falle von «In the
Bedroom» aus. Fünf Oscar-Nominierungen (auch in der Kategorie Bester Film) sowie unzählige Auszeichnungen an verschiedensten Filmfestspielen auf der ganzen Welt liessen die Verleiher
aufhorchen. Regisseur Todd Field (Darsteller in «Eyes Wide Shut») wandelt hier in vielerlei Hinsicht auf den Spuren von Robert Redfords Oscar-gekröntem Regiedebüt «Ordinary People» aus dem Jahre
1979 und erzählt die Geschichte eines gramgebeugten Ehepaars, das nach dem Tod des einzigen Sohnes an der unterschiedlichen Art der Verarbeitung dieses tragischen und traumatischen Ereignisses zu
zerbrechen droht. Field zeigt die grossen Leiden dieser kleinen Leute aussergewöhnlich feinfühlig auf, wählt ein sehr langsames, durch zahlreiche Auf- und Abblenden zusätzlich verschlepptes
Erzähltempo, das zum einen die Ausdehnung der Spieldauer auf über zwei Stunden nötig und zum anderen eine mitunter beklemmend realistische Schilderung möglich macht.
Fantastisches Ensemble
Eine überdurchschnittlich wichtige Rolle kommt bei dieser Art von Filmen naturgemäss den Schauspielern zu. In «In the Bedroom» heissen diese unter anderem Sissy Spacek («The Straight Story»), Tom
Wilkinson («The Full Monty») und Marisa Tomei («My Cousin Vinny»). Sie alle waren für den Oscar nominiert – und dies völlig zu Recht. Doch es sind nicht nur Spaceks Bitterkeit, Wilkinsons
Zurückhaltung und Tomeis Verzweiflung, die «In the Bedroom» zu einem unvergleichlichen Fest grosser Schauspielkunst machen. Auch in den kleineren Nebenrollen leuchten weitestgehend unbekannte
Gesichter wie funkelnde Sterne auf, wobei insbesondere Tom Cruise' atemberaubender Cousin William Mapohter hervorzuheben ist. Die so gänzlich unaufdringliche und lebensnahe Performance dieses
Ensembles, die Intelligenz der Buchvorlage von Andre Dubus und die Weisheit des Regisseurs machen «In the Bedroom» zu einem der bewegendsten, bedrückendsten und beeindruckendsten Filme der
letzten Zeit – oder wie die Academy mit ihrer Nominierung zu verstehen gab: zu einem der besten fünf Filme des vergangenen Jahres.