Wenn die Gondeln die Stars nicht tragen

Florian Henckel von Donnersmarck versucht im Gaunerstück «The Tourist» Hitchcock zu spielen – und holt vor venezianischer Kulisse selbst aus Angelina Jolie und Johnny Depp nur das Minimum raus.

 

von Sandro Danilo Spadini

Das kommt unerwartet: Da serviert der Florian Henckel von Donnersmarck doch tatsächlich eine Actionkomödie – als seinen Zweitling und Nachfolger des allseits bejubelten DDR-Dramas «Das Leben der Anderen». Klar, mit «The Tourist» ist der Ausland-Oscar-Gewinner von 2007 prominent am Hollywood-Start; 100 Millionen Dollar durfte er verpulvern und obendrein Angelina Jolie und Johnny Depp am Set begrüssen. Gleichwohl hätte die Kinologik diktiert, dass der Deutsch-Österreicher nach diesem Debüt und vierjähriger Pause mit etwas Ernsthafteren und auch etwas Eigenständigerem aus dem stillen Kämmerlein kommen würde. Stattdessen aber hat er das französische Gaunerstück «Anthony Zimmer» (2005) neu verfilmt – und dabei mit Julian Fellowes («Gosford Park») und Christopher McQuarrie («The Usual Suspects») lediglich ein wenig am Originalskript von Jérôme Salle herumgedoktert.

Chemische Störung

Dass «The Tourist» also gleich vier Story-Verantwortliche verzeichnet, ist schon mal der Rede wert. Ungleich erstaunlicher ist es indes, dass die zugezogenen Skript-Doktoren sich ausserstande sahen, die gröbsten Schwächen der Vorlage auszumerzen; deren eklatante Logiklücken hat man mit hitchcockscher Nonchalance einfach hingenommen und versucht von Jolie und Depp überspielen zu lassen. Dass dieser vornehmlich in Venedig umgesetzte Plan nicht aufgeht, liegt einerseits an Henckel von Donnersmarcks pampiger Inszenierung, die eine völlige Ahnungslosigkeit vom Genre-Einmaleins verrät. Andererseits aber auch am uninspirierten (Zusammen-)Spiel der Stars. Depp ringt seinem unverschuldet in diese Intrige hineingezogenen Mathelehrer aus Wisconsin wohl zwei, drei Gags ab; seine Partnerin vermag er aber nie zu knacken. Indem sie stoisch und exklusiv auf ihre Glamour-Aura setzt, macht es ihm Jolie in der klassischen Rolle der mysteriösen Traumfrau aber auch gar schwer. Sie beginnt als Gangsterliebchen auf der Suche nach ihrem Lieblingsgangster und auf der Flucht vor dem Gesetz. Einen Milliardenbetrag hat ihr untergetauchter Galan von seinem grobschlächtigen Boss (Steven Berkoff) gemopst; und weil er darauf keine Steuern bezahlt hat, ist nicht nur dieser, sondern auch Scotland Yard mit Paul Bettany und Ex-Bond Timothy Dalton hinter ihm und seinen beiden Schätzen her. Herzensschatz Jolie wird sich freilich als eine andere erweisen, als sie zu sein vorgegeben hat – und macht damit abermals ihren tapsigen Anhängsel-Depp baff, der eh nie weiss, wie ihm geschieht. Bei dieser einen «Charade» wird es natürlich nicht bleiben. Denn wie in Stanley Donans just so betiteltem Sechzigerjahre-Klassiker dient hier das europäische Jetset-Milieu als Glitzer-Glanz-Kulisse für ein Identitätsverwirrspiel mit schönen Menschen.

Westentaschen-Hitchcock

Nebst Donans «Charade» ist in «The Tourist» vor allem ganz viel Hitchcock drin: Jolies und Depps Treffen im Zug («Strangers on a Train»), die Verfolgungsjagd auf den Dächern von Venedig («To Catch a Thief»), der verdutzte Held («North by Northwest») und die ebenso ahnungslosen Gendarmen, die Hitchcock so gerne vorführte. Auch nimmt sich Henckel von Donnersmarck in Sachen Schlüssigkeit ähnlich viel heraus wie der Master of Suspense; in Ermangelung von dessen alle logischen Ungeheuerlichkeiten ausradierender Inszenierungstricks erweist er sich dabei aber nur als Master of Nonsense. Sicher: Depp zuzuhören, wie er dilettantisch Italienisch parliert, ist spassig. Und Jolie in edelstem Gewand in diesem Ambiente zu erspähen, tut den Augen nicht gerade weh. Doch wenn man die beiden schon Cary Grant und Grace Kelly spielen lässt, muss man über die Dialoge auch sicherstellen, dass es zwischen ihnen funkt und flirrt. Und wenn das Ganze schon nicht brüllend komisch und krachend stürmisch ist, so sollte es doch prickelnd romantisch sein. Was Depp und Jolie aber zum neckischen Flirten hingetextet wurde, ist so inadäquat, wie der Plot grotesk ist. Die Kulturschockwellen, die Henckel von Donnersmarck mit dem Sprung von der tristen DDR ins glamouröse Venedig geschlagen hat, waren halt wohl doch zu heftig: Sie lassen seine Gondel mitsamt den schönen Stars ganz unelegant absaufen.