Checken Sie ein in die Welt, die es nie gab

In «The Grand Budapest Hotel» macht Regisseur Wes Anderson alles so immer: Der Stil ist kindlich, die Besetzung stattlich, die Ausstattung prächtig, die Stimmung putzig, die Story dürftig.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wenn ein Filmemacher eine unverwechselbare Handschrift hat, ist das grundsätzlich natürlich etwas Gutes. Wenn da aber vor lauter Stil kaum noch Substanz ist und das Verfassen des Skripts zur reinen Handschriftenprobe verkommt, wird es problematisch. Der 44-jährige Texaner Wes Anderson ist einer, der definitiv so ein Problem hat. Aber immerhin variiert er jeweils den Mikrokosmos, in dem er seine so typischen Miniaturlandschaften abgeschottet von der Aussenwelt ansiedelt. Spielte «The Royal Tenenbaums» quasi im Puppenhaus, «The Life Aquatic with Steve Zissou» im Flaschenschiff, «The Darjeeling Limited» im Modelleisenbahnwaggon und zuletzt «Moonrise Kingdom» im Setzkasten, so sind wir nun in einer Schneekugel. Mitten in dieser steht trotzig und putzig das ehedem prächtige und mächtige Grand Budapest Hotel: eine «zauberhafte alte Ruine», die einst eine «Institution» war. Seine Geschichte soll nun aufgerollt werden, und zwar unverständlich umständlich: Eine Frau liest im Jetzt in einem Buch vor der Statue von dessen Autor; dieser (Tom Wilkinson) erklärt uns 1985 kurz, wie er zur Story kam, um dann 1968 in Person von Jude Law in der fiktiven osteuropäischen Alpenrepublik Zubrowka im Grand Budapest Hotel einzuchecken. Daselbst trifft er auf dessen Besitzer Zero Moustafa (F. Murray Abraham), der ebenfalls schon bessere Tage gesehen hat. Und der fängt nun endlich mit der Erzählung an.

Ein allerliebstes Abenteuer

Weil Anderson es immer so macht und weil er in «The Grand Budapest Hotel» alles so macht, wie er es immer macht, ist auch dieses Märchen in Kapitel eingeteilt. Deren erstes setzt im Jahr 1932 ein. Und da auch alle folgenden dort spielen, ist das also weniger die Geschichte des Hotels in den Felsen als vielmehr ein Abenteuer seiner nachmaligen Besitzer Zero (erstmals: Tony Revolori) und Monsieur Gustave (Ralph Fiennes). Abenteuer – auch das mag Anderson sehr, auch da ist er ganz Kind. Für sein neustes im nostalgisch romantisierten Vorkriegseuropa, das nicht so sehr eine reale Welt als das Kino der Dreissigerjahre heraufbeschwört, hat er sich freilich extra ins Zeug gelegt. Die (pastell)farbenfrohe Ausstattung ist hier herzallerliebst und voller gewitzter Spielzeuge, um den lebenshungrigen Concierge Gustave und den wissbegierigen Pagen Zero auf Trab zu halten und in Turbulenzen zu verwickeln: vom Erbstreit über den Kunstraub bis zum Knastaufenthalt. Sogar Mord und Totschlag sind hier dank der Bösewichte Adrien Brody und Willem Dafoe inklusive; und von der kommenden europäischen Barbarei kündet Edward Norton als Militarist. Da geht es dann zwar bisweilen unerwartet derb zu – in Ton und Bild; weil Anderson seine Figuren aber noch krasser karikiert als die Coen-Brüder und sie in so ulkige Kostüme steckt, wirkt das trotzdem mehr wie ein Kaspertheater in Playmobil-Kulisse.

Ein Kind mit Lineal

Entsprechend hölzern bewegen sich die Figuren mit ihren kerzengeraden Rücken in den geradezu zwanghaft geometrischen Bauten, fast roboterhaft feuern sie ihre knappen Sätze auf unsere Lachmuskeln. Und eingefangen sind all diese sattsam bekannten Spleens und Sperenzchen von einer ebenso sattsam bekannten Kamera, die sich so eckig bewegt, als werde sie von einem zackigen Feldwebel gesteuert. Das alles ist ein bisschen so, wie wenn ein Kind mit Lineal zeichnet. Aber dieses Kombinieren des Verspielten mit dem Klaren hat mittlerweile einiges von seiner ursprünglichen Originalität verloren – das Seltsame ist normal geworden, die Macke zur Masche. Es ist aber halt Andersons «Alleinstellungsmerkmal». Und dass er bis zur selbstgefälligen Aufdringlichkeit daran festhält, ist nur verständlich – zumal das in seiner liebevollen Detailversessenheit auch jedes Mal eine schwer beeindruckende Leistung ist. In Kauf zu nehmen ist dabei einfach ein gewisser Spannungsabfall, sobald man sich einmal auch in diesem Winkel von «Andersonien» eingelebt und alle seine zahllosen Stars getroffen hat. Denn viel zu erzählen hatte dieser Wes Anderson, der mal Architekt werden wollte und immer gerne malte, noch nie. Auch hier nicht, in diesem gemäss Abspann von Stefan Zweig inspirierten Bilderbuch. Aber wunderschön anzuschauen ist das halt schon.