Aileen: Porträt einer Serienkillerin

Das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama «Monster» tritt zwar mitunter auf der Stelle, überzeugt aber durch eine differenzierte Figurenzeichnung und eine grandiose Hauptdarstellerin.

 

von Sandro Danilo Spadini

Im Herbst 2002 wurde die ehemalige Prostituierte Aileen Wuornos im Bundesstaat Florida wegen mehrfachen Mordes hingerichtet; Wuornos hatte zwischen 1989 und 1990 angeblich aus Notwehr sieben ihrer Freier umgebracht. Regiedebütantin Patty Jenkins hat die Geschichte der «ersten Serienkillerin der US-Geschichte» nun auf die Leinwand gebracht, konzentriert sich dabei aber praktisch ausschliesslich auf Wuornos’ letzte zwei Jahre in Freiheit. Entstanden ist ein eindringliches, differenziertes und nüchternes Psychogramm einer vom Leben betrogenen Frau, das sich mit bluttriefenden Szenen zurückhält und einen tiefen Einblick in eine verlorene Seele gewährt. 

Oscar-reife Charlize Theron

In der Rolle ihres Lebens ist in «Monster» die Südafrikanerin Charlize Theron («The Italian Job») zu sehen, die gerade zuletzt eher schmückendes Beiwerk meist mässig aufregender Produktionen war. Nach viel versprechendem Karrierestart mit exzellenten Leistungen im Okkultthriller «Devil’s Advocate» und im schalen «Rosemary’s Baby»-Verschnitt «The Astronaut’s Wife» ergatterte das Ex-Model zwar noch den einen oder anderen interessanten Part («The Cider House Rules», «The Yards»), bewegte sich dann aber etwa mit dem langatmigen Robert-Redford-Flop «The Legend of Bagger Vance», der Schmonzette «Sweet November» oder den bei uns zu Recht nur auf dem Video- und DVD-Markt ausgewerteten Flops «Waking up in Reno» und «Trapped» zunehmend auf wenig fruchtbarem Terrain. Als Aileen Wuornos beweist Theron, 15 Kilo schwerer und mittels ausgefeilter Make-up-Technik fast bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet, nun aber den viel zitierten Mut zur Hässlichkeit und spielt sich förmlich die Seele vom Leib. Den Golden Globe hat sie bereits gewonnen, und auch bei den Oscars geht sie als grosse Favoritin ins Rennen.

Atmosphärisch und intensiv

An der Seite – oder besser: im buchstäblich überlebensgrossen Schatten – von Theron sammelt Christina Ricci weiter Pluspunkte. Überzeugend verkörpert sie Wuornos’ 18-jährige Geliebte, die im Prozess als Kronzeugin auftrat und so zur letzten grossen Enttäuschung in deren Leben wurde. Im Bestreben, mit ihr, dieser naiv-egoistischen Ausreisserin aus puritanischem Haus, eine gemeinsam Zukunft aufzubauen, unternimmt Wuornos ihren letzten Versuch, ein besserer Mensch zu werden – ein Versuch, der tragisch scheitert und sie entgegen allen nach ihrem ersten Mord gefassten Entschlüssen wieder auf den Strich bringt. Die folgende Katastrophe und das allmähliche Abdriften in Suff und Armut zeigt Jenkins, ohne reisserisches Gebaren und ohne einen allzu ausgeprägten Spannungsbogen aufbauend, als gleichsam logische Abfolge von Ereignissen. Trotz einiger Szenen von sehr hoher Intensität vermag die atmosphärische, ganz den Geist der ausklingenden 80er-Jahre verströmende Inszenierung ob der dergestalt vermittelten Nüchternheit im Gegensatz zu John McNaughtons ähnlich gelagerter, aber ungleich verstörenderer Produktion «Henry: Portrait of a Serial Killer» aus dem Jahre 1986 jedoch keinen rechten Sog zu entwickeln und tritt mitunter ein wenig auf der Stelle. Der Horror von «Monster», weniger Thriller als Psychogramm, Liebesdrama und Roadmovie, spielt sich denn auch hauptsächlich im Innern ab, was dank Theron und der differenzierten Figurenzeichnung stellenweise sehr wohl packend ist. Delikat und streitbar ist wiederum die Art und Weise, wie Jenkins die Motivation für Wuornos’ Handeln zu ergründen sucht. Obwohl der sich insbesondere in der ersten Hälfte des Films bisweilen einstellende Eindruck, Jenkins ergreife Partei für die Mörderin, gegen Ende mehr und mehr revidiert wird, deutet «Monster» an, dass Wuornos eben gerade kein Monster, kein «von Geburt an» böser Mensch war, sondern aufgrund eines auch durch ihr intellektuelles Handicap bedingten Mangels an Moralvorstellungen handelte und infolge einer traumatischen Kindheit, wegen des Umfelds, einer Kette unglücklicher Ereignisse letztlich zu dem gemacht wurde, was sie war. Ob diese etwas simplen Erklärungsansätze der Wahrheit Genüge tun, muss spekulativ bleiben; dem nicht rundum stimmigen Gesamtbild sind sie aber insofern dienlich, als sie einem nicht mit allwissender Arroganz aufgedrängt werden.