von Sandro Danilo Spadini
Was soll man bloss von einem Film halten, für den sich selbst die Hauptdarstellerin zu schämen scheint? Bereits während der Dreharbeiten zur Komödie «A View from the Top» (deutscher Verleihtitel: «Flight
Girls») soll Oscar-Preisträgerin Gwyneth Paltrow die vom brasilianischen Regisseur Bruno Barreto («Bossa Nova») einfallslos in Szene gesetzte Produktion offensichtlich genervt und frustriert ob
der geballten Inkompetenz der Verantwortlichen in «A View from my Ass» umgetauft haben. Das Dementi, wie in solchen Fällen üblich, folgte zwar auf dem Fuss – allerdings ein wenig halbherzig,
zumal es Paltrow nicht einmal für nötig erachtete, persönlich ihrer neu gewonnenen oder eben schon immer gehegten Wertschätzung für das Projekt Ausdruck zu verleihen, sondern lediglich über einen
Sprecher ausrichten liess, dass derart böse Worte nie gefallen seien. Konfrontiert mit der Frage, wie er sich denn dabei so sicher sein könne, verblüffte dieser mit der Begründung, dass sich in
Frau Paltrows Wortschatz keine derart flegelhaften Vokablen finden liessen.
Seichte Dutzendware
«Ass» hin oder her, gehässige Zeitgenossen haben jedenfalls schon mit einer gewissen Berechtigung vorgebracht, dass «A View from the Top» genau für selbigen sei. Auch die Produzenten hegten
offenbar diesen Verdacht, was zumindest erklären würde, weshalb der bereits im März 2001 abgedrehte Film auch in den USA erst vor einem halben Jahr in die Kinos kam. Unglücklicherweise wollten
sie sich letztlich aber doch nicht zu einem Akt der Barmherzigkeit durchringen und die seichte Dutzendware nur auf dem Videomarkt auswerten, so wie das mit anderen verpatzten US-Produktionen von
Barreto wie «Carried away» oder «One Tough Cop» geschehen war. Schade, die Dankbarkeit ihrer Hauptdarstellerin und wohl auch die des Publikums wäre ihnen gewiss gewesen. «A View from the Top»
erzählt in poppig-bunten Farben, im Look der Sechzigerjahre und untermalt von einem in keinster Weise zu diesem optischen Erscheinungsbild passenden, penetrant gute Laune verbreitenden Soundtrack
mit muffigem Liedgut aus den Achtzigerjahren und belanglosem Gegenwartspop die Geschichte des White-Trash-Girls Donna (Paltrow), die verzweifelt versucht, ihrem trostlosen Leben in einem
Hinterwäldlerkaff zu entfliehen und als Flight Attendant Karriere zu machen. Angestachelt von einem Buch der ehemaligen Star-Stewardess Sally Weston (Candice Bergen), setzt Donna alle Hebel in
Bewegung, um ihren Traum vom Fliegen, dem hier wie in der guten, alten Zeit, als die Flugzeuge, nun ja, laufen lernten, noch etwas Glamouröses anhaftet, Wirklichkeit werden zu lassen. Nach einem
Intermezzo bei der wohl schäbigsten Airline des Landes absolviert sie sodann an der Seite ihrer Freundin Christine (Christina Applegate, Al Bundys «Dumpfbacke») und unter der Leitung eines etwas
entrückten Ausbilders (Mike Myers, «Austin Powers») ein Trainingsprogramm bei der angesehenen Royalty Airlines, das ihr den Weg in die grosse, weite Welt ebnen soll. Zunächst aber ist Donna bloss
in der Liebe Glück beschieden. Erst nach einigen – glücklicherweise zügig abgehakten und schnurstracks bewältigten – das Haltbarkeitsdatum längst überschrittenen Irrungen und Wirrungen aus
grossen Konservendose der Filmgeschichte stellt sich zum Abschluss die naturgemäss unvermeidliche Frage «Liebe oder Karriere?», in deren Beantwortung «A View from the Top» gar noch zum Rührstück
wird.
Champagner im Pappbecher
Gwyneth Paltrow, deren komödiantisches Potenzial in zahlreichen Filmen unterschiedlichster Qualität belegt ist, in einem dermassen witz- und lustlos geschriebenen und halbherzig inszenierten Film
zu besetzen ist in etwa dieselbe Verschwendung, wie Champagner aus einem Pappbecher zu trinken. Es ist ihr jedoch hoch anzurechnen, dass sie sich redlich müht, dem nach durchaus flottem Beginn
mit einigen gelungenen Gags rapide zu einem Tiefflug ansetzenden Film die finale Bruchlandung zu ersparen. Leider gleichen ihre Bemühungen einem Kampf gegen terroristische Flugzeugentführer, und
der Champagner nimmt allmählich einen gewissen Styroporgeschmack an. Weiss Gott nicht das einzige, aber wohl das grösste Problem des Films ist, dass er mit der Zeit anfängt, seine Geschichte
ernst zu nehmen. Als Komödie funktioniert «A View from the Top» deshalb trotz der in gewohntem Masse chargierten Blödeleinlagen von Mike Myers ebenso wenig wie als putzige Märchengeschichte für
Menschen ab drei. Barretos neuerlicher Absturz ist unter dem Strich weder Fisch noch Fleisch, sondern irgendetwas Undefinierbares dazwischen, das schmeckt wie das Essen in der Economyklasse.
Immerhin zeigen sich die Macher einigermassen einsichtig und beenden den ganzen Spuk bereits nach rund 80 Minuten, von denen letztlich vor allem die Erkenntnis bleibt, dass Gwyneth Paltrow
dringend den Manager wechseln sollte.