Eine schöne neue Welt – jetzt auch in Hollywood

Robert De Niro hilft in «The Intern» als Senior-Praktikant seiner Chefin Anne Hathaway auf die Sprünge. Und Regisseurin Nancy Meyers zeigt der Filmindustrie, wie man erfolgreiche Frauen porträtiert.

 

von Sandro Danilo Spadini

Seit er pensioniert sei, fühle er sich nutzlos. Er gehe zwar morgens um viertel nach sieben zu Starbucks, spiele Golf, mache Yoga, lerne Mandarin – doch es fülle ihn nicht aus. Unglücklich sei er nicht, im Gegenteil. Aber da sei ein Loch. Und deshalb bewirbt sich der 70-jährige Witwer Ben Whittaker (Robert De Niro) nun also hiermit – per Video zu Händen eines Online-Kleiderhändlers aus Brooklyn. Er tut das im Wissen, dass es sich bei der Stelle um ein «Seniorenpraktikum» und bei AboutTheFit.com um ein hippes, hektisches Start-up handelt. Und derweil der Techmuffel keine Angst hat vor der «schönen neuen Welt» in einer umgemodelten alten Fabrik, haben wir ein wenig Schiss vor den am Horizont aufziehenden Scherzchen über linkische Alte. Dann aber geschieht etwas Merkwürdiges, zumal für einen Film wie «The Intern», der alleine schon mit dem gruseligen Gute-Laune-Gedudel zum Start klarmacht, dass er im Hollywood-Mainstream zu schwimmen gedenkt: Es wird zwar sogleich losgewitzelt mit Blick auf den Generationenkonflikt zwischen dem Herrn im Anzug, der 40 Jahre für eine Telefonbuchfirma gearbeitet hat, und den rastlosen Hoodie-Hipstern. Doch ist das erstaunlich lustig, wenn Ben etwa von den «Talentmanagern» beim Jobinterview gefragt wird, ob er sich erinnern könne, was er studiert habe, und wo er sich in zehn Jahren sehe.

Das Herz und die Seele

Ein klein bisschen respektlos gegenüber dem Alter mag das wohl sein, was Drehbuchautorin und Regisseurin Nancy Meyers («What Women Want») da dem tapferen Ben zumutet. Aber sie darf das, ist sie doch auch eher der analoge Typ und mit ihren 65 Lenzen selbst kein junger Hüpfer mehr. Trotzdem – oder wie «The Intern» noch suggerieren wird: deswegen! – präsentiert sie sich hier in Bestform. Und es wäre das kein Nancy-Meyers-Film, wenn es darin nicht auch eine tragende Frauenrolle gäbe. Ausfüllen darf die Anne Hathaway, die als gebürtige Brooklynerin ein Heimspiel hat und absolut geeignet ist, die nicht nur modisch hochkompetente Powerfrau Jules Ostin zu geben. Jules ist Gründerin von AboutTheFit.com, Chefin von 220 Mitarbeitern, das Herz der Bude. Und sie ist einigermassen skeptisch, was dieses Praktikumsprogramm für Senioren angeht. Schliesslich ist sie auch so schon komplett überarbeitet und bisweilen leicht überfordert, auch noch Zeit für Mann (Anders Holm) und Töchterchen freizuschaufeln. Sie nimmt Ben dann aber trotzdem unter ihre Fittiche, und mit der Zeit wird sie, selbstredend, erkennen, dass der Mann sehr wohl von Nutzen ist: zunächst im Hintergrund als gute Seele und fleissiges Aufräumbienchen, dann als New-York-kundiger Chauffeur und achtsamer Babysitter, endlich als dezenter Ratgeber und loyaler Freund.

Altmodische Qualitäten

Auf dem Papier liest sich das nun wie die alte Hollywood-Leier: Ja, ja, die Alten und die Männer zeigen den jungen Hascherln, die sich übernommen haben, wie mans macht. Auf der Leinwand hingegen ist dieses Spiel mit den doppelt vertauschten traditionellen Rollen von Jung und Alt, Mann und Frau eine differenziertere Sache. Klar vermag Ben kraft seiner Lebenserfahrung und in gewissen Bereichen auch mit der männlichen Perspektive Jules da und dort die Augen zu öffnen und den Weg zu weisen; doch Meyers zeichnet ihre Heldin – anders als viele ihrer Kollegen, aber auch Kolleginnen – nicht etwa nach jener Schablone, die dem Geschmack dicker zigarrenrauchender Studiobosse entspricht: «Das hübsche Ding mag zwar beruflich ein bisschen was draufhaben, aber privat kriegt sie gar nix auf die Reihe, und eigentlich will sie eh nur Kinder haben.» Nein, sie lässt Jules stark sein. Fähig. Selbstbewusst. Erfolgreich. Und sie entschuldigt sich nicht dafür. Und teilt auch mal aus, wenn sie etwa Jules ihren Kapuzenpulli-Nerds erklären lässt, wie in den letzten Jahrzehnten aus Mädchen Frauen wurden und aus Männern Jungs. Böse ist das sicher nicht, so wenig wie der Film allzu aufmüpfig wäre. Auch weicht er tatsächlich nicht allzu weit von den Genreformeln ab. Er bleibt die meiste Zeit süss, auf ehrliche Art indes: ein Wohlfühlfilm, der uns nicht für dumm verkauft, sozusagen. Der genau wie Ben altmodische Werte und Qualitäten vertritt. Und der zwei ausnehmend sympathische Helden hat. Tja, so einfach ist das manchmal.