Ein Luftikus im Ring mit dem Geächteten

Ein Stück Fernsehgeschichte: In «Frost/Nixon» zeigt Regisseur Ron Howard, wie ein britischer Moderator den gestürzten Richard Nixon dazu bringt, sich beim Volk zu entschuldigen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Als Richard Nixon am 9. August 1974 endlich aufgab und zurücktrat, war das für die meisten Amerikaner ein Befreiungsschlag. Doch obwohl das monatelang in politischer Paralyse gefangene Land mit der Demission seines 37. Präsidenten wieder handlungsfähig geworden war, blieb bei manchem auch ein schales Gefühl zurück. Der Sturz des eben noch mächtigsten Mannes der Welt über einen zweitklassigen Einbruch, sein auf so lächerlich profane Weise herbeigeführter politischer Tod, die öffentliche Demütigung mitsamt ausgelöschter Wahrnehmung all seiner unbestreitbaren Verdienste – das alles reichte seinen erbittertsten Gegnern noch nicht. Was verlangt wurde, war ein Schuldeingeständnis, war eine Entschuldigung.

Gegensätzliche Gespanne

Drei Jahre später, im Sommer 1977, hatte man derlei Genugtuung längst als unerfüllt abgeschrieben. Als sich ein britischer Talkshow-Entrepreneur namens David Frost anschickte, den durch Präsident Ford inzwischen vollständig begnadigten Nixon zu vier 90-minütigen Rededuellen in die TV-Arena zu locken, erwartete denn auch kaum mehr jemand etwas. Dem apolitischen Luftikus Frost ging es ohnehin weniger um eine historische Korrektur als vielmehr um die Rettung seiner stockenden Karriere. Wie für Nixon stellte das Unterfangen freilich auch für ihn ein enormes Risiko dar – letztlich gar ein existenzbedrohendes finanzielles, zumal seine schon halb realisierte Idee bei keinem der grossen US-Sender Interesse geweckt hatte. Mit seinem schliesslich in Eigenregie produzierten Projekt sollte er dann aber einen Coup landen, dessen Ausmass vor drei Jahren unwahrscheinlicherweise auf der Theaterbühne nochmals veranschaulicht wurde. In seinem Debüt «Frost/Nixon» rollte Autor Peter Morgan auf den Brettern das Stück Fernsehgeschichte so unterhaltsam auf, dass eine Filmversion des Werks quasi unvermeidlich wurde. Zum guten Glück, darf man sagen. Denn das, was nun auf Zelluloid vorliegt, ist nichts weniger als ein kleines Meisterwerk – und ein Paradebeispiel dafür, wie sich Widersprüche beflügeln können. Das Kommando hat dabei mit Blockbuster-Regisseur Ron Howard («The Da Vinci Code») und dem sein eigenes Stück adaptierenden Morgan nämlich ein recht gegensätzliches Gespann: hier der kantenlose amerikanische Routinier, der heisse Eisen gerne mal zuerst in die Kühlbox stellt; dort der hochpolitische englische Neuling, der mit seinen Skripts zu «The Deal» und «The Queen» bei britischen Amts- und Würdenträgern aneckte.

Fünf Oscar-Nominierungen

Das geist- und dialogreiche Drehbuch Morgans hat Howard nun so peppig wie nur möglich verarbeitet, indem er sich für die Inszenierung des legendären Duells beim Boxfilm-Genre bediente. Obwohl alles auf das letzte der vier Interviews – sozusagen den WM-Kampf mit Augenmerk auf Watergate – hinsteuert, schildert der Film folglich auch das vorausgehende «Training» äusserst sorgfältig. Und wie bei zwei Kontrahenten im Ring kommt es sodann zwischen den erneut in ihre Bühnenrollen schlüpfenden Michael Sheen (Frost) und Frank Langella (Nixon) zum respektvollen Abtasten, dem schliesslich ein heftiger Schlagabtausch folgen wird. Sheen, bekannt durch seine beiden Darstellung Tony Blairs in «The Deal» und «The Queen», kommt dabei naturgemäss der einfachere Part zu – den er notabene bravourös meistert. Langella begibt sich derweil auf einen Drahtseilakt, der trotz Oscar-Nominierung nicht frei von Abstürzen bleibt. Zwar gelingt es ihm, die bizarren Züge von Nixons Wesen einzufangen; gleichzeitig aber verfremdet er diese bisweilen bis ins allzu Joviale und Comichafte. Anders als Anthony Hopkins in Oliver Stones shakespeareskem Epos «Nixon» vermag er weder die verworren düstere Psyche noch den politisch brillanten Geist des Ex-Präsidenten hervorzubringen – was sicher auch ein Versäumnis des Skripts ist. Wiewohl dieses Nixon durch flapsige und selbstironische (!) Zeilen auch mal punkten lässt, geht es insofern den zu einfachen Weg, als es ihn letztlich eben doch wieder auf «Tricky Dick» und den Watergate-Crook reduziert. Wenngleich es hier um die unverkrampfte und grenzsatirische Dramatisierung einer isolierten Episode im Leben dieser historischen Figur geht, ist solcherlei nicht ganz legitim. Es ist dies freilich das einzige Haar in der Suppe. Der Rest ist derart schmackhaft, raffiniert und ausgewogen, dass fünf Oscar-Nominierungen verbucht werden durften, darunter besonders verdiente in der Drehbuch-, der Regie- und der Hauptkategorie.